Das Sonntagsgespräch Hermann-Arndt Riethmüller über Buchhandel zwischen „nackter Angst und digitaler Zukunftseuphorie“

Im aktuellen BuchMarkt März-Heft befassten wir uns ausführlich mit der These, die Dr. Andreas Meyer und Arnd Roszinsky-Terjung im BuchMarkt 2/2012 zur Diskussion gestellt hatten – nämlich, dass der stationäre Handel durch die Verlage abgekoppelt von der E-Book-Entwicklung download(042 zukunft.pdf) sei.

Zu dieser These haben wir eine prominente Reihe von Akteuren der Buchbranche befragt – hier dazu im Sonntagsgespäch nach Till Weitendorff [mehr…] heute auch Hermann-Arndt Riethmüller, geschäftsführender Gesellschafter von Osiander (Tübingen) im Gespräch mit Christian von Zittwitz.

Hermann, wie siehst Du die Situation derzeit im stationären Buchhandel?

Hermann-Arndt Riethmüller: Im Großen und Ganzen stimmt der Befund: Der Buchhandel

Hermann-Arndt Riethmüller:
„Das Schöne an Krisen
ist: Andere
sind Schuld“

befindet sich – nimmt man die veröffentlichte Meinung als Gradmesser – „zwischen nackter Angst und digitaler Zukunftseuphorie“, wie es die Autoren so plastisch beschrieben haben; aber ist das, was in den Medien steht, schon das wahre Leben?

Das ist mir zu kryptisch…

Was ich damit meine: Das eine ist, was in den Medien auf den Punkt gebracht wird, das andere ist die komplexere Wirklichkeit. Wir befinden uns, wieder einmal, in einer Umbruchsituation: Die nationalen Buchhandelsketten gehen am Stock oder stehen zum Verkauf, weil das Konzept der Großflächen nicht mehr aufgeht, und die digitale Revolution – der Ersatz des Holzbuchs durch das E-Book und der Ersatz des stationären Handels durch den Onlineshop – hat inzwischen auch die Provinz erreicht.

Du sagst das so gelassen…

Ja, denn das Gute an einer Krise ist für so manchen Unternehmer vor allem, dass sie ihn aus der Verantwortung entlässt. Wenn der Laden schlecht läuft, ist die Finanzwirtschaft, die digitale Revolution oder die Kaufunlust der Verbraucher dran schuld, nicht die eigene Phantasielosigkeit oder Hilflosigkeit. Und wenn man dann noch dem Geschäftspartner (noch besser: den „Groß“-Verlagen) vorwerfen kann, den Handel einfach abzuschreiben, hat man, zumindest sich selbst, bewiesen, dass man mehr nicht machen kann.

Kann man denn mehr machen?

Wenn der Handel an der digitalen Revolution teilhaben will, muss er selbst Geschäftsideen entwickeln, mit denen er als Vermittler zwischen Verlagen und Lesern einen wahrnehmbaren Mehrwert schafft. Dass das im Onlinehandel funktionieren kann, zeigen die vorhandenen Beispiele im stationären Sortiment (auch aktiver kleinerer Buchhandlungen). Beim E-Book klappt es noch nicht so ganz – aber das hängt vor allem daran, dass der Trend zum E-Book bei den Kunden des traditionellen stationären Sortiments so richtig noch nicht angekommen ist.

Hier vermisse ich Konzepte der Verlage, den Handel in diesem Bereich zu unterstützen…

… Dein Einwurf ist ein klassisches Beispiel dafür, wie man sich als Unternehmer aus der Verantwortung schleichen kann. Ich kenne kein erfolgreiches Geschäftsmodell, das auf Hilfe von außen aufbaut, wenn ich mal von der öffentlichen Subventionspolitik absehe.

Aber Du hast Beispiele für „Selbsthilfe?“

Vor fünfzehn Jahren haben wir Ähnliches erlebt. Thalia eroberte den nationalen Markt, viele sahen den Untergang des unabhängigen Sortiments kommen und beklagten die aggressiven Methoden des Marktführers. Thalia hat dem Sortimentsbuchhandel aber auch gezeigt, dass es nicht reicht, gute Bücher am Lager zu haben und kongeniale Beratung zu leisten: Der Kunde erwartet ganz selbstverständliche Standards: einen bequemen Standort, eine gepflegte Ladeneinrichtung, Freundlichkeit, Service und nicht nur Kompetenz. Mit diesem Konzept der „Basics“ hat Thalia Maßstäbe geschaffen, die von vielen Buchhandlungen erfolgreich aufgegriffen und weiter entwickelt wurden.

Jetzt haben wir die Herausforderung der digitalen Revolution

Das ist richtig. Wir haben aber auch ( im Gegensatz zum übrigen Einzelhandel) das Privileg der Preisbindung, und wir sollten die Chance nutzen, die unserer Branche dadurch gegeben wird, dass sich der Wettbewerb im Dienstleistungsbereich, nicht im Preisbereich, abspielt. Auch wenn im E-Book-Bereich Geschäftskonzepte, die das stationäre Sortiment einbinden, zur Zeit noch nicht wirklich funktionieren, dürfen wir deren Entwicklung nicht allein den anderen überlassen, sondern müssen aktiv daran arbeiten, dass wir wahrgenommen und eingebunden werden. Das kostet Geld, das geht nicht ohne neue Ideen, da muss von vornherein auch einkalkuliert werden, dass es Flops und Schwierigkeiten geben kann (Ein Beispiel ist für mich der E-Reader für das unabhängige Sortiment von der MVB).

Auf welche Stärken kann denn der stationäre Handel bauen?

Wir haben ein Pfund, mit dem sich wuchern lässt und das uns ein Alleinstellungsmerkmal gibt: Unsere Standorte in den Innenstädten, unsere Kompetenz, ausgebildete Mitarbeiter. Natürlich brauchen wir dabei auch die Unterstützung durch unsere Geschäftspartner, die Verlage. Die müssen und werden merken, dass ein Modell „unabhängiges Sortiment“ gegenüber den Alternativmodellen, die von Amazon, Apple oder Google angeboten werden, auf Dauer die attraktivere Alternative darstellt.

Das hört sich fast zu schön an um wahr zu sein…

Ich rede jetzt mal ganz unbescheiden über uns: Osiander hat in den letzten Jahren dieses Konzept zu einem Erfolgsmodell gemacht – Ihr habt gerade vor ein paar Tagen gemeldet [mehr…], dass wir gegen den Trend eigentlich gewachsen sind. Wir wissen, dass wir uns auf dem Erreichten nicht ausruhen dürfen, weil der Strukturwandel im Buchmarkt durch die digitale Revolution noch an Kraft gewinnt. Deshalb arbeiten wir, zusammen mit anderen unabhängigen Buchhandlungen, an Geschäftsmodellen für die Zukunft. Aber wir brauchen auch Gelassenheit: Das E-Book ist ein neues Medium, das wie die vielen anderen neuen Medien neue Bedürfnisse weckt und befriedigt, aber die Kernkompetenz des echten Buches nicht in Frage stellt.

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