Das Sonntagsgespräch Till Weitendorf zur digitalen Entwicklung der Branche

Im aktuellen BuchMarkt März-Heft befassen wir uns ausführlich mit der These, die Dr. Andreas Meyer und Arnd Roszinsky-Terjung im BuchMarkt 2/2012 zur Diskussion gestellt hatten – nämlich, dass der stationäre Handel durch die Verlage abgekoppelt von der E-Book-Entwicklung download(042 zukunft.pdf) sei.

Zu dieser These haben wir eine prominente Reihe von Akteuren der Buchbranche befragt – hier dazu im Sonntagsgespäch heute auch Till Weitendorf. Mehr dazu auch im März-Heft unmd in den kommenden Tagen hier online auf buchmarkt.de.

Herr Weitendorf: Ist das, was viele Sortimenter bewegt, auch Ihre Sicht, nämlich dass bild(r,)25753 die Verlage stark ins Internet und ins E-Publishing investieren und dabei ihre Kernzielgruppen aus dem Fokus verlieren?

Till Weitendorf: Diese These kann ich, zuimindest was Oetinger angeht, beim besten Willen nicht stützen. Unsere Marketingaktivitäten im Netz sind daraufhin konzipiert, dass wir Käufer in die Buchhandlungen bringen. Anders ausgedrückt: Mit unseren Online-Aktivitäten bieten wir Plattformen für und befördern den Austausch und das Gespräch über Buchinhalte nach dem Prinzip: Je mehr Diskussion um die Inhalte, desto größer das Interesse am Buch selbst.

Ich halte viele Aufwendungen für Social Media für weniger wirksam als manche klassische Werbemassnahme. Manchmal glaube ich, Netzaktivitäten sollen im Netz bleiben und aus Sicht der Verlage direkt zu den Online Versendern führen.

Das sehe ich ganz anders: Je größer die Community, desto größer auch der potentielle Käuferkreis. Und der kauft – das zeigen alle bisherigen Erfahrungen – mitnichten dort, wo er diskutiert, also direkt online, sondern im Handel. Das ist allerdings eine Tendenz, die wir mit unseren Aktivitäten bewusst verstärken wollen.

Was meinen Sie damit?

Um Erfolg zu haben müssen wir sehr zielgruppengenau vorgehen, so setzen wir z.B. bei Facebook bewusst auf qualitative Freunde und nicht auf quantitative – denn nur die ersteren kaufen, sind mit Interesse dabei und werden damit gleich auch noch zu Multiplikatoren. Darin liegt eine der großen Transferleistungen des Netzes. Das ist ein Vorteil, den auch der stationäre Buchhandel nutzen könnte.

Wie das denn nun?

Er kann zum Teil der Netz-Aktivitäten werden. Wir z.B. haben sehr viele Buchhandlungen auf unserem Facebookprofil, die dort Rezensionen zu Büchern und diverse Beiträge posten und damit Teil einer neuen „Dreiweg-Kommunikation“ zwischen Verlag, Lesern und Buchhandel werden. Ein großes technisches Verständnis ist für diese neue Art der Kommunikation nicht nötig, es braucht nur eines: Interesse und Aufgeschlossenheit für Veränderungen. Was außerdem hilft: Mehr anpacken und machen, als drüber reden – und die Bereitschaft, sich radikal auf die Bedürfnisse und Wünsche, Vorlieben und Abneigungen unserer Kunden einzulassen, nicht nur vor, sondern auch noch während und nach dem Lesen.

Eine These war auch, dass Zielkäufer und Bestellgeschäft im stationären Sortiment auf mittlere Sicht wegbrechen… wenns wirklich so wäre: Wie wäre Ihre Therapie?

Ein Blick in die USA zeigt, dass sich die unabhängigen Buchhandlungen im letzten Jahr besser geschlagen haben als viele Ketten. Auch unser Kernsegment – das Kinder- und Jugendbuch – ist seit Jahren in Deutschland ein sehr starkes und hat weiterhin große Wachstumspotentiale. Deswegen glaube ich für dieses Segment nicht an ein Wegbrechen der Zielkäufer.

Aber sie dürfen nicht untätig verharren…

Natürlich müssen Buchhandlungen – genauso wie die Verlage – sich den Marktgegebenheiten anpassen und sollten ihre Kunden und deren Wünsche bestens studieren und kennen. Nur dann kann eine Buchhandlung, kann auch ein Verlag die richtigen Antworten geben und für den Kunden attraktiv bleiben. Und wo sollte man seine potentiellen Kunden besser kennen lernen als im kommunikativen Austausch im Web UND in der Buchhandlung, einem Ort an dem der Kunde sich wohl fühlt.

Worauf sollte sich aus Ihrer Sicht in der aktuellen Situation der Fokus richten?

Ich denke, dass Verlage gut daran tun, sich Schritt für Schritt dem E-Book und digitalen Medien zu nähern und ein legales Angebot zu schaffen, denn nur dies wird auch den Schwarzmarkt in Grenzen halten. Dabei sollte man selbstverständlich versuchen, so breit wie möglich mit seinem Angebot präsent zu sein.

Sie reden nur von den Verlagen…?

Nein, das schließt ganz klar auch die kleinen Buchhandlungen mit ein, die ihre Chance – natürlich in Zusammenarbeit mit Distributoren – zu einem eigenen E-book-Angebot schon heute haben. Wichtig wird aber dabei sein, dass es gerade auch ihnen gelingt, von einem geschlossenen Marktplatz unabhängige Devices zu vermarkten.

Devices ???

Ich meine die Reader, und zwar nur qualitativ hochwertige Reader, die im Wettbewerb mit Amazons Kindle oder dem Fire mithalten können und die Formate der Buchhändlerwebsites unterstützen. Nur die werden ihnen langfristig Zusatzumsatz des E-Book-Marktes garantieren. Hier könnten eine Marketingoffensive und eine noch stärkere Zusammenarbeit des gesamten Buchhandels helfen. Denn mit Hilfe einer geschlossenen Aktion sehe ich für Deutschland durchaus noch die Chance, dass der Kunde lernt, dass gute Devices und E-Books eben nicht nur bei Amazon zu beziehen sind, sondern auch in der Buchhandlung um die Ecke.

Gemeinsame Aktionen im Buchhandel….? Das hat noch nie geklappt.

Vielleicht ging es dafür der Branche auch lange Zeit einfach zu gut. Ich denke der Buchhandel ist an einem Punkt angelangt, wo er zum Handeln gezwungen wird. Eitelkeiten haben da wenig Platz und ein Scheitern würde jeden zurückwerfen. Die Chancen, dass es also klappt sind so groß wie nie – in der Tat jedoch müsste der Handel nicht nur schnell sondern auch geschlossen vorgehen.

Wie soll sich in dem Kanon dann z.B. eine kleine Buchhandlung profilieren?

Nun, ich denke das sie ein großes Plus haben, denn sie können sicherlich oft authentischer und persönlicher, d.h. mit viel Vertrauensvorschuss aufgrund einer starken Nähe zum Kunden agieren. Ich persönlich könnte mir sehr gut auch diese Läden als „unabhängiges Kompetenzzentrum für digitale Inhalte und Devices“ vorstellen.

Gilt der Gedankengang des „Zusammenrückens“ auch für Verlage?

Oh ja, unbedingt. Auch hier gilt: Stelle dich breit auf, nutze alle Angebote – auch die deiner „Konkurrenz“. Denn über den Erfolg im digitalen Markt wird ganz allein der Kunde entscheiden und niemand sonst. Dabei kann es uns nur recht sein, wenn die Buchbranche von so vielen Verkaufsstellen wie nur möglich vertreten wird und wir nicht in oligopolistischen oder gar monopolistischen Strukturen enden. Es gilt letztlich als Branche enger zusammen zu rücken und sich auch auf Wettbewerber einzulassen.

Till Weitendorf (34) ist Gesellschafter der Verlagsgruppe Oetinger und seit 2010 Geschäftsführer der Verlag Friedrich Oetinger GmbH. Seit seinem Eintritt in das Familienunternehmen baute er die neuen Bereiche Onlinemarketing, Digitaler Content, Non-Books und Sachbuch auf und verantwortet seit Jahresbeginn zudem das Marketing der Verlagsgruppe.Die Fragen stellte Christian von Zittwitz.

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