Messedienstag: Erfahren Sie alle Messestand-Projekte von Kein & Aber bis 2023!
LIEBE FREUNDE,
willkommen, bienvenu, welcome, wie ein äußerst tuntiger Conférencier einst sang, willkommen auf der Frankfurter Buchmesse 2017! Ich war bereits am Eingang und an den Hallen 4, 5 und 6 vorbei tief ins Congress Center vorgedrungen, bis mich endlich jemand durchsuchte. Aber immerhin musste ich meine Kamera vorführen, ob sie auch echte Fotos macht oder nur explodiert.
Diesen Herbst heißen wir als Gastland unseren Nachbarn Frankreich sehr herzlich willkommen, und natürlich (bzw. so natürlich ist das ja gar nicht) lässt die Redaktion wieder einmal mehr ihren nutzlosesten Mitarbeiter auf die Messe los:
Uli Faure.
Hahaha, nein, das war nur zum Warmwerden. Der geschätzte Kollege Uli Faure ist immer wieder eine Zierde dieser Messe, und mit dem nutzlosesten Mitarbeiter meine ich ja mich.
Ohne mich um tatsächlich literarische oder kulturelle Belange zu kümmern und ohne ein Fünkchen Interesse am politischen Geschehen werde ich auch auf dieser Messe wieder Lebensmittel verbrauchen, arbeitende Menschen stören und Prominente in ihren Eitelkeiten unterstützen.
Die historische Achse Frankreich – Frankfurt (was haben sich diese Franken nur gedacht?) fordert geradezu heraus, dass wir uns ein wenig um das literarische Entwicklungsland Frankreich kümmern. Das haben wir 1989 schon einmal versucht, aber da müssen wir jetzt nochmal nachbessern.
Und das tun wir gerne.
Zum Auftakt der Messe darf ich Ihnen meinen gestrigen Dienstag präsentieren, der ganz der Presse, dem Aufbau und dem Umtrunk gewidmet ist. Und natürlich der Arbeit, aber die schreibe ich extra nicht fett.
PRESSEKONFERENZ
Die Pressekonferenz fand statt im Raum Schabernack im Congress Center. Der Raum hieß in Wahrheit anders, aber die Raumnamen sind hier in Frankfurt echt saudoof.
Interessanterweise hat man in diesem Jahr Sprecher und Publikum genau anders herum postiert! Allerdings klingt es jetzt, so hier hingeschrieben, nicht mehr so aufregend, wie ich es im Konferenzraum empfunden habe.
Ich war so früh da, dass ich mir den besten Platz aussuchen konnte, Reihe 1 Mitte, direkt vor den Sprechern. Da saß ich und harrte, lange vor der Eröffnung. Kurz bevor es losging, zerrten mich zwei Sicherheitskräfte vom Platz, weil ich angeblich zu groß sei und mein Hinterkopf genau ins Kamerabild rage.
Die Konferenz startete pünktlich. Eröffnet wurde sie vom Verbandsvorsitzenden Heinrich Riethmüller. Und seine Eröffnung hatte es diesmal in sich: Wen er nicht alles abwatschte! Die AfD und ihre Wähler, die Kommentier- und Verfälschwut im shitstormenden Internet, alle schwachsinnigen Entscheidungen, die unsere Regierung jemals über das Urheberrecht gefällt hat, alle Verletzungen der Meinungsfreiheit und der Menschenrechte.
Na gut, Meinungsfreiheit und Menschenrechte sind jedes Jahr dran, aber ich habe Herrn Riethmüller selten so leidenschaftlich, so stichhaltig und so aufgebracht gesehen! Nicht wirklich aufgebracht, aber wenigstens ein wenig aufgebrungen, Sie wissen, was ich meine.
Dann begrüßte der Direktor der Buchmesse, Juergen Boos, das Publikum. Seine Eltern mochten keine Umlaute, und er liest sehr viel. Nach dieser furiosen Eröffnung von Heinrich „Achterbahn“ Riethmüller wollte ich mich nun lieber anschnallen, aber ich hatte ganz umsonst Angst, denn Herr Boos hielt sicherheitshalber die Rede vom letzten Jahr, nur aktualisiert um das Wort „postfaktisch“.
Als letzter Redner und erster Gast dieser Runde ergriff Markus Dohle abschließend das Wort, der Chef von Penguin Random House Deutschland. Ich sage extra „Chef“ und nicht CEO, weil alle Anglizismen bereits von Herrn Dohle verbaucht wurden. Aber er sang ein feuriges und kerniges Loblied auf das Buch, auf die Branche und auf die Literatur. Mit seiner schneidigen Late-Night-Stimme pflegte er Ausdrücke wie „Campfire“, „Storytelling“, „by and large“ und „Amazon“ ein, wobei man Amazon aber besser wie „Emersen“ ausspricht.
Und wissen Sie was: Ich glaube, damit hat er sogar recht.
Doch, das war eine sehr gute, lebendige Pressekonferenz. Anwesende Journalisten, die Fragen stellen durften, ergriffen die Gelegenheit sogar, um selbst Beiträge ins Mikro zu besserwissen. Aber ich freue mich immer, wenn auf einer Pressekonferenz der Satz fällt „Das war jetzt aber keine Frage.“
Ich selbst fragte Pressesprecherin Katja Böhne hinterher, warum es nach der Pressekonferenz keine Häppchen gebe, so wie in Leipzig immer. Und Katja Böhne meinte, dass die Messe so kurz vor Weihnachten eben auf das Gewicht ihrer Gäste achte.
Während ich darüber nachdenke, ob das persönlich gemeint war, verlasse ich die Pressekonferenz in Richtung Gastlandpavillon.
DER GASTLANDPAVILLON
Der Gastlandpavillon ist ein riesiges, hallenförmiges Dekorationsschaufenster der jeweiligen Gastlandnation. Frankreich hat helle, luftige Bereiche geschaffen, aber auch mittelhelle und unluftige, die das Buch und seine Formen in Szene setzen.
Hierbei hat Frankreich auf nur ein einziges Gestaltungsmittel zurückgegriffen:
Zack, so kennen wir Frankreich: Gleich eine Ohrfeige ins Gesicht von allen Maulaffen, die ständig an die opernhaften Leinwand-, Neon- und Wasserinstallationen des Gastlandes Neuseeland erinnern.
Aber Frankreich hat das schon auch schön gemacht.
Die eigentliche Attraktion des Gastlandpavillons war seine handgeletterte Dekoration. Handlettering ist ja das Trendthema im Basteljahr.
Frech, Christophorus, Oz – habt Ihr hier etwa einen Handletteringmaulwurf eingeschleust?
Als nächstes will ich mal über die Agora schlendern, um das Letteringfenster als Ganzes zu sehen. Dabei werde ich zwar viele Fotos von allem möglichen machen, dabei aber das Letteringfenster vergessen. Das reiche ich dann noch nach.
DIE AGORA
Es gibt einen großen Platz zwischen den Hallen. Damit Agoraphobiker von vornherein maximalalarmiert sind, haben wir ihn sicherheitshalber „Die Agora“ genannt. Dort wird allerlei Remmidemmi aufgeführt, also Nazan Eckes und Cherno Jobatey, und es gibt Essensbuden und Lese-Attraktionen. Die Agora ist sozusagen Book Fair – The Ride. (Ich habe immer noch die Stimme von Markus Dohle im Ohr.)
Von dort kann man zum Beispiel das handgeletterte Fenster des Gastlandpavillons sehen. Man kann es auch fotografieren. Aber wer will das schon, wenn er so viel anderes krasses Zeugs vor die Linse kriegt:
Kein & Aber hat ja auf jeder Messe den Ehrgeiz, den Vorjahresmessestand zu übertreffen. Die hatten schon ein ganzes Wohnzimmer aufgebaut, dann einen Bus in der Halle geparkt, dann ein tropisches Armeezelt auf der Agora aufgeschlagen, und jetzt, zum 20jährigen Verlagsjubiläum, haben sie vier Container aufeinandergestapelt. (Ich hoffe, es bleibt bei vier.) Das werden wir uns – wie das handgeletterte Gastlandpavillonfenster – ebenfalls morgen ansehen.
Aber wie soll das weitergehen, Kein & Aber?
2018: Messestand in der Buchmesse-Kanalisation
2019: Messestand im Fesselballon
2021: Messestand in einem U-Bahnwaggon, der die Messe umkreist
2022: Messestand im Bauch eines Wals
2023: Messestand in einer anderen Dimension, die Stephen Hawking erst noch ausrechnen muss
Mit dem Gastland Frankreich und dem Erscheinen des neuesten Asterix-Bandes wird dem listigen gallischen Krieger natürlich besondere Würdigung zuteil. Als riesige Pneumoplastik ragte er zwischen den Baumwipfeln vor Halle 3 empor.
Ich werde dieser Tage weiter von der Agora berichten. Als nächstes werde ich etwas zu essen ergaunern, indem ich eine pausierende Tagung so beschleiche, als hätte ich teilgenommen.
IG RATGEBER TAGUNG
Im Raum Facette (wie kommen die nur auf diese Namen?) tagte heute die Interessengemeinschaft Ratgeber. Das bedeutet mehrere Stunden in einem Raum sitzen und mit Verlegerinnen, Verlegern und Börsenvereinsmitgliedern ernsthaft über lauter Sachen reden. Der Raum wird extra vor der Veranstaltung mit verbrauchter Luft befüllt.
Jetzt ist es eine Frage des Timings: In der Pause muss ich mich zwischen die Toilettenrückkehrer mischen und verbraucht gucken, sodann ich Zutritt zu den Happen erhalte.
Manchmal verwende ich sogar lieber die misslungenen Fotos, weil sie einfach schöner sind:
Aber die gelungenen sind deswegen nicht weniger sehenswert:
Julia Graff hat auf ihrem sogenannten Smartphone eine teuflische App zur Hand, mit der sie mich – in Anlehnung an meine wahren Messe-Ohren – überniedlich verkatzen kann. Das Ergebnis ist wirklich furchteinflößend:
So, jetzt wissen Sie auch, was man so auf der IG Ratgeber treibt.
Bevor mein Tag mit dem jährlichen Fassanstich am Mutterstand endet, treibe ich mich noch ein wenig in den Hallen herum.
IN DEN HALLEN
Einige Stände werden dieses Jahr im neuen Gewand erscheinen! Der medizinische Verlag Trias zum Beispiel, oder hier unsere gelben Freunde bei Reclam:
Schöne Reklame-Illustration zum Silly-Walks-Kinderbuch:
Und hier ein unspektakuläres Foto eines extrem wertvollen Gegenstandes:
Allerdings musste der zum Hallenmeister zurück. So wie Gollum den Ring letztlich zum Schicksalserg brachte, brachte ich den Schlüssel von Raum Facette zurück zum Hallenmeister. Der Hallenmeister ist der Mann, der bei ganz sachlichen Fragen als Antwort immer erst mal die Augenbrauen hochzieht und die Backen aufbläst, bevor er die Schultern zuckt.
Aber wohin flüchten:
Einer der rechtspolitischen Verlage, die umstrittenerweise auf dieser Messe einen Stand haben, war noch nicht fertig aufgebaut. Den ausgeschilderten Titel „Förderstiftung konservative Bildung“ fand ich sprachlich auf reizvolle Weise reizarm, gerade in Nachbarschaft zur Jungen Freiheit: Fördern, stiften, bilden und konservieren sind ja alles sehr schöne Wörter.
Hier kommt mein exklusives Foto von Buchpreisträger Robert Menasse, wie er ein Pfund Kaffee neben einer Dame herträgt.
Ich habe festgestellt, dass Leute sich viel eher zu einem Foto überrumpeln lassen, wenn man es als Selfie tarnt:
Und so langsam wird es am Ende des Tages Zeit, den redaktionseigenen Altbierritus zu vollziehen. Um nicht völlig nüchtern beim BuchMarkt zu erscheinen, glühen wir schon mal am Stand von Herder vor: Maren Ongsiek, Börsenvereinsbeauftragte für Rechts und SM, und Gabi Riegel vom Herder-Verlag.
ALTBIER-ANSTICH
Zum Ende des Aufbautages bietet die BuchMarkt-Redaktion immer mehrere Fässer leckeren Altbieres an, die extra hergerollt und angestochen werden. Freibier am Stand, eine extrem beliebte Tradition, die nimmer versiegen soll.
Auf dieser Messe werde ich endlich wieder mal ein Treffen mit dieser komischen Pixelfrau Wibke Ladwig haben! Ich kann sie gut leiden, auch wenn ich nicht verstehe, womit sie sich beschäftigt. Irgendwas mit Computer auf jeden Fall. Ich glaube, sie repariert Computer. Nein, sie malt sie an. Nein, sie benutzt sie für irgendwas, das war’s. Ich kann es einfach optisch nicht auflösen, was diese Frau so alles macht.
Und natürlich darf auch der Chef und Allvater des monatlichen Kultmagazines BuchMarkt hier nicht fehlen: Hans Jakob Christoffel von Zittwitz, kurz genannt CvZ. Hier posiert er mit einer Brezel (falls das keine schwache Drohgebärde sein soll) und outet sich als Nerd und Doctor-Who-Fan:
Was den Altbieranstich 2017 so speziell macht, ist die gleichzeitige Eröffnungsfeier nicht weit weg: Drüben im Congress Center finden sich just zur selben Zeit Angela Merkel und der französische König Emmanuel Macron ein!
Nicht wenige hier bei dieser Standparty mussten sich entscheiden zwischen feierlicher Hohtierheit und unserem Altbier.
Und das war mein Presse-, Bier- und Aufbau-Dienstag. Ich wünsche allen Tageslesern einen guten Messe-Auftakt und freue mich auf den Mittwoch.
Ihr
Matthias Mayer
Erfindungen, die wir den Franzosen verdanken, Teil 1 von 6: