Das Sonntagsgespräch Petra Reski, ihr Anti-Mafia-Buch und ihre Erfahrungen mit deutscher Pressefreiheit

Petra Reski
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Als die Journalistin und Schriftstellerin Petra Reski Ende vergangenen Jahres in ihrem Buch Mafia. Von Paten, Pizzerien und falschen Priestern bei Droemer detailliert darlegte, wie weitgreifend die Mafia bereits in Deutschland Fuß gefasst hat, glaubte man eigentlich, dass deutsche Staatsorgane dankbar Hinweise auf diese kriminellen Machenschaften aufgreifen würden.

Aufgegriffen wurde das Thema zwar, aber ganz anders, als man gemeinhin denken würde: Autorin und Verlag wurden vor Gericht zitiert [mehr…], [mehr…] [mehr…] [mehr…] [mehr…], und einige Stellen im Buch mussten geschwärzt werden – fast im gleichen Atemzug wurde Reski [mehr…] für ihr Buch als eine der „Journalisten des Jahres 2008“ gekürt. Absurdes Theater? Nein. Deutsche Justizrealität! „Ein schwarzer Tag für die Pressefreiheit“, so Droemer-Verlegerin Margit Ketterle [mehr…] [mehr…] zu diesen schier unglaublichen Vorgängen. Dieser Tage erscheint die niederländische Ausgabe des Buches, und gerade eben wird bekannt, dass sich auch ein italienischer Verleger an das Buch herantraut.

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Ulrich Faure: Ketzerische Frage zum Einstieg: Sie mussten den in der Wikipedia nach wie vor zu lesenden Namen eines italienischen Mitbürgers schwärzen: Er sei Gastronom, die von Ihnen geäußerten Verdächtigungen unwahr. Das Gericht ist seiner Version gefolgt. Kann es nicht doch sein, dass Sie in der Recherche etwas übersehen haben und dem armen Kerl fürchterlich Unrecht tun?

Petra Reski: Ich habe meine Behauptungen auf die mir vorliegenden Berichte des Bundeskriminalamtes, zahlreiche Dokumente italienischer und deutscher Ermittler gestützt, sowie auf eine eidesstattliche Erklärung eines hochrangigen italienischen Antimafia-Staatsanwalts der nationalen Antimafia-Ermittlungsbehörden. Wenn die Gerichte diesen Dokumenten keine Bedeutung bemisst, so ist das deren Entscheidung.

Ulrich Faure: Nach der Lektüre Ihres Mafia-Buches frag ich mich: Wo kann man in Deutschland noch eine Pizza essen gehen und sicher sein, dass man nicht beim Geldwaschen hilft?

Petra Reski: In Berlin gibt es die Initiative „Mafia – Nein, danke!“ – der sich einige italienische Restaurants angeschlossen haben. Vielleicht ist das auch für andere italienische Gastronomen ein Ansporn, sich mit dem Problem auseinanderzusetzen. Es ist natürlich traurig, dass auch die anständigen Italiener in Deutschland gezwungen sind, wie eine kalabrische Freundin von mir schrieb, ihre Identität negativ definieren zu müssen: „Wir Opfer müssen klarmachen, dass wir mit unseren Schlächtern nicht mehr als die Herkunft gemein haben.“ Am einfachsten wäre es natürlich, wenn die Möglichkeiten für die Mafia, in Restaurants und Pizzerien Geld zu waschen, durch strengere Gesetze eingeschränkt würden.

Ulrich Faure: Sie schreiben im Vorwort, dass Sie in Deutschland Passagen schwärzen mussten, die in Italien inhaltlich in jeder Provinzzeitung standen: Wie kann das sein?

Petra Reski: Das deutsche Presserecht schränkt die Möglichkeiten der Verdachtsberichterstattung enorm ein: Ein Medienanwalt schrieb dazu in seinem Blog: „Im Presserecht ist es nun mal so, dass bei einem Verdacht grundsätzlich der Äußernde die Beweislast trägt. Faktisch heißt dies, dass man einen Verdacht praktisch nur dann äußern kann, wenn er bewiesen ist – also kein Verdacht mehr ist. (…) Dass die Presse ihrer Aufgabe als Wächter und Mahner unter solchen Voraussetzungen nicht effizient nachkommen kann, liegt auf der Hand. Das Ergebnis ist eine lückenhafte und damit illusionäre Darstellung der Realität zugunsten von lichtscheuen Gestalten. Während Boulevardmedien Verstöße gegen Persönlichkeitsrechte aus Portokasse zahlen, werden seriöse Autoren durch diese Rechtsprechung hart getroffen.“(Quelle: www.kanzleikompa.de/2009/04/08/petra-reskis-mafia-von-paten-pizzerien-und-falschen-priestern-wird-zensiert/)

Tatsache ist, dass in Deutschland die Persönlichkeitsrechte einiger Personen mehr Gewicht haben, als das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit. Das ist in Italien anders – auch aus der schmerzvollen Erfahrung mit der Mafia heraus, die bewies, wie wichtig die Rolle der Journalisten ist, wenn es darum geht, der Öffentlichkeit die Augen über die Mafia zu öffnen: In Italien gibt es sogar Journalisten, die einst dafür streikten, nicht mehr zwingend das Wort „mutmaßlich“ vor „Mafioso“ stellen zu müssen.

Ulrich Faure: Auch Ihr Kollege Jürgen Roth musste Passagen schwärzen, die z.B. auf Ermittlungen des BKA beruhten – einer deutschen Behörde also. Wenn man weiß, welches Verhältnis die Mafia von Anfang an zu Justizbehörden hat, drängt sich da ein ganz bestimmter Verdacht auf…

Petra Reski: Ich will gar keinen Verdacht schüren, mich erschreckt nur eine gewisse Ahnunglosigkeit.

Ulrich Faure: Machen sich deutsche Richter letztlich zu Handlangern der Mafia, indem sie kriminelle Vereinigungen gegenüber denen, die ihre Machenschaften enthüllen, schützen?

Petra Reski: Ob sich das so generell sagen lässt, weiß ich nicht. Tatsache ist jedenfalls, dass die Mafia einen Siegeszug durch die Welt und gerade auch durch Deutschland angetreten hat. Und Journalisten wird es nicht leicht gemacht, darüber zu schreiben. In Italien herrscht darüber jedenfalls enorm große Verwunderung. Ich wurde von Journalisten dazu interviewt, von juristischen Fakultäten eingeladen und von Antimafia-Organisationen mit Preisen ausgezeichnet. Antimafia-Ermittler, Richter, Staatsanwälte: Alle äußerten Bestürzung darüber, dass in Deutschland, auf dessen Rechtsstaatlichkeit die Italiener immer große Stücke gehalten hatten, der Öffentlichkeit keine Gelegenheit gegeben wird, sich durch eine geeignete Berichterstattung ein Urteil über die Mafia in Deutschland zu machen.

Ulrich Faure: Ermittlungsdokumente von Staatsschutzorganen waren deutschen Richtern zu wenig beweiskräftig. Haben sich die Herrschaften dazu geäußert, was sie denn als Beweis akzeptieren würden?

Petra Reski: Als Beweis würde wohl nur ein bereits erfolgtes Urteil akzeptiert. Aber dann handelte es sich ja nicht mehr um „Verdachtsberichterstattung“. Und es ist wohl etwas viel von einem Journalisten verlangt, wenn er gleich die Arbeit der Polizei übernehmen soll. Ich sehe die Rolle des Journalisten eher darin, dass er auf Schwachstellen in der Gesellschaft aufmerksam macht.

Ulrich Faure: Sie haben in Ihrem Buch jede Menge Fakten offengelegt, die zeigen, wie mafiös Deutschland bereits unterwandert ist. Wenn nicht Gesetze in Deutschland geändert werden, wird das munter so weitergehen. Die Bundesregierung ändert aber nicht. Ist das eine Frage der Intelligenz, oder stecken ganz andere Interessen dahinter?

Petra Reski: Hinter der Mafia stehen immer enorme wirtschaftliche Interessen. Sie können sich vorstellen, was es in Zeiten der Krise bedeutet, wenn die Mafia über schier unerschöpfliche Quellen von Cash verfügt. Die Mafia investiert mit Vorliebe in strukturschwachen Gebieten – nach dem Fall der Mauer hat sie ihre Geschäfte nach Thüringen und Sachsen ausgedehnt. Sie hat eine sehr lange Erfahrung darin, öffentliche Aufträge zu beeinflussen und von Subventionen zu profitieren. Das geht natürlich nicht ohne die Unterstützung von kommunalen Beamten und Politikern.

Ulrich Faure: So, wie Sie die Mafia beschreiben, reagieren diese Damen und Herren höchst gewalttätig auf unangenehme und die Geschäfte störende Enthüllungen. Wie gefährdet sind Sie eigentlich selbst?

Petra Reski: Es gibt natürlich unendlich viele Möglichkeiten, mich zu bedrohen. Ich hoffe, mich zu täuschen. Die italienische Geschichte der letzten 60 Jahre hat unendlich viele Beispiele dafür, wie sich die Mafia an Menschen gerächt hat, die ihre Geschäfte gestört haben.

Ulrich Faure: Wäre deutsche Politik daran interessiert, die Ausbreitung der Mafia in Deutschland zu verhindern, welche Maßnahmen müssten nach Ihrem Kenntnisstand jetzt sofort ergriffen werden?

Petra Reski: Mafiazugehörigkeit müsste zum Strafbestand werden, ebenso fehlt ein Gesetz zur Beschlagnahme von Mafiagütern, die Möglichkeiten zu Geldwäsche müssen eingeschränkt werden. Und das ist vermutlich das Schwierigste. Außerdem sollte die Abhörpraxis gelockert werden. Ohne das, was in Deutschland als „Lauschangriff“ verteufelt wird, wäre die Polizei in Italien gegen die Mafia machtlos.

Ulrich Faure: Wie geht es jetzt mit dem Buch weiter: Sind alle Rechtsmittel in Sachen Schwärzung ausgeschöpft?

Petra Reski: Was das einstweilige Verfügungsverfahren betrifft, schon.

Ulrich Faure: Tröstlich ist, dass von Richtern verordnete Schwärzungen in Zeiten des Internets ein bisschen albern sind. Ohne dass man es als Autor verhindern kann, tauchen – ohne dass man wirklich recherchieren müsste – die geschwärzten Stellen irgendwo im Internet auf. Oder denken Richter so subversiv: „Wir verbieten demonstrativ, weil es das Gesetz vorschreibt, aber allein der Akt des Verbots ist die Aufforderung zum „Googeln“?

Petra Reski: Ich glaube nicht, dass sich dieser Gedanke dahinter verbirgt. Subversion habe ich in den deutschen Gerichten bislang noch nicht feststellen können.

Ulrich Faure: Fiat kauft Opel. Die Presse kalauerte, der neue Konzern könne dann ja „Opiat“ heißen. Wie wirkt auf Sie eine solche Übernahmemeldung?

Petra Reski: Was mich häufig stört, ist ein gewisser Blick von oben herab, der sich von der hohen moralischen deutschen Warte gegen Italien richtet. Ich wäre mit gewissen Vorbehalten vorsichtig. Denn so lupenrein ist weder die deutsche Wirtschaft noch die deutsche Demokratie.

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