Bianca Kölbl und Volker Stuhldreher über den Stellenwert, den die AWS in einer Zeit hat, in der sich der Fachinformationsmarkt erheblich konzentriert „Wir bleiben ein wichtiger Gesprächspartner für alle Marktteilnehmer“

Bianca Kölbl
Volker Stuhldreher

Bei der ersten Anfrage für diesen Artikel sind Bianca Kölbl und Volker Stuhldreher vom AWS-Vorstand gerade dabei, am Programm für die AWS-Jahrestagung im Mai in Mainz zu basteln und auch die Frage nach Einreichungen zum AWS-Nachwuchspreis können sie nur zurück-haltend beantworten, denn wie immer in solchen Fällen trudeln die meisten Einsendungen erst kurz vor Schluss ein. Als wir ein paar Wochen später erneut sprechen, sieht die Sache schon ganz anders aus. Es gibt eine nennenswerte Zahl an Einsendungen für den Preis, das Programm für die Jahrestagung steht und wir unterhalten uns über den Stellenwert,
den die AWS in einer Zeit hat, in der sich der Fachinformationsmarkt erheblich konzentriert und die Digitalisierung mit unverminderter Geschwindigkeit voranschreitet. Im Gespräch mit BuchMarkt geht es auch darum, wie sich die Arbeit der AWS geändert hat und ständig weiter ändert.

BuchMarkt: Lassen Sie uns zunächst über die Jahrestagung sprechen. Das Programm wird in diesem Monat an die Mitglieder verschickt, aber vielleicht mögen Sie schon ein wenig erzählen, was geplant ist

Bianca Kölbl: Ja, gerne. Zunächst werden wir in guter alter Tradition natürlich aus verschiedenen Fach- und Arbeitsgruppen Berichte hören und uns einen Überblick darüber verschaffen, wie die Diskussionen etwa in der IG Fachbuch und der IG Bibliotheken laufen und welche Schlüsse aus diesen Diskussionen zu ziehen sind.

Auf fast jeder AWS-Tagung gibt es auch Irritationen auf Seiten des Sortiments über verschiedene Aktivitäten von Verlagen. Dabei ist es doch im Grunde immer schon so gewesen, dass nur das gemeinsame Ziehen an einem Strang alle voranbringt …

… ja, das ist so, und genau deshalb werden wir im Rahmen der Tagung auch einen Schwerpunkt darauf legen, über Kooperationen mit Verlagen zu sprechen. Wir wollen hören, was die Verlage planen und dann gemeinsam überlegen, wie Sortiment und Verlag am meisten profitieren können.

Ein Thema, bei dem Verlage und Handel weit auseinander sind, ist open access. Sie haben sich vorgenommen, auf der Tagung noch einmal dieses heiße Eisen anzufassen.

Nun ja, es muss ja sein… Wir werden das auf dem Podium diskutieren, mit Buchhändlern, Verlegern und Bibliotheksvertretern, um zu schauen, wie der Stand der Diskussion bei diesem Thema ist und inwiefern der Buchhandel hier überhaupt noch eine Rolle spielen wird.

Wie ist Ihre Prognose zu dieser Frage?

Nun, ich bin zumindest sehr skeptisch, was die Beteiligung der Sortimenter angeht. Die Tendenz geht ganz klar in eine andere Richtung, doch bisweilen wird man ja auch mal positiv überrascht. Und wenn wir darauf nicht mehr hoffen würden, könnten wir die Diskussionen auch einstellen. Also hoffe ich trotz Skepsis auf positive Signale für den Handel.

Gibt es weitere Themen der Tagung, die Sie hier schon verraten mögen?

Volker Stuhldreher: Ein Schwerpunkt wird sicherlich, wie stets dieser Tage, auf der Weiterentwicklung des digitalen Geschäftes liegen, aber wir wollen uns auch klassischen Themen widmen, wie etwa der Mitarbeiterführung. Das ist kein neues Thema, aber eines, das immer wichtig war und immer wichtig bleiben wird, gerade auch für die Buchhändler, die am besten dann gut existieren können, wenn im eigenen Haus alles stimmt und alle an einem Strang ziehen. Dafür ist diese Thema essentiell.

Einer der Höhepunkte der Tagung soll die Preisverleihung an den Gewinner des AWS-Nachwuchs-Awards sein. Lässt sich da schon ein kleiner Ausblick geben? Was erhoffen Sie sich?

Wir erhoffen uns natürlich Impulse von außen. Perspektiven, an die man vielleicht manchmal gar nicht denkt, wenn man zu lange im Geschäft ist, Perspektiven außerhalb einer gewissen Betriebsblindheit. Zu diesem Zeitpunkt kann ich auf jeden Fall schon sagen, dass wir mehrere hochinteressante Einreichungen bekommen haben und uns intensiv damit beschäftigen, wie diese zu bewerten sind. Die Qualität der Beiträge ist bemerkenswert und ich freue mich schon darauf, im Mai mit dem Gewinner oder der Gewinnerin ein echtes Highlight der Tagung präsentieren zu können.

Kommen wir auf die Arbeit der AWS allgemein zu sprechen. Vereinigungen wie diese leben immer auch von ihrer Relevanz für die Branche. Wie viele Mitglieder hat die AWS derzeit?

Wir stehen im Moment bei 41 Mitgliedern, wobei diese Zahl durch die Konzentrationsprozesse der letzten Jahre, Betriebsaufgaben und den Verkauf kleinerer Fachbuchdienstleister leicht rückläufig war. Deshalb ist auch die Rekrutierung neuer Mitglieder ein wichtiger Punkt unserer aktuellen Arbeit. Wer mitarbeiten will, um den Fachbuchhandel weiter nach vorn zu bringen, ist herzlich eingeladen, sich beispielsweise auch mal die Sonderkonditionen für junge Nachwuchskräfte anzuschauen. Die AWS bietet eine gute Möglichkeit zum Netzwerken und zum Kontaktaufbau.

Leidet unter den geringeren Mitgliederzahlen nicht die Schlagkraft, etwa gegenüber den großen Anbietern auf Verlagsseite?

Bianca Kölbl: Diese Prozesse machen es sicher nicht einfacher für eine Vereinigung wie die AWS, aber der Zusammenhalt untereinander ist sehr gut und solidarisch, so dass wir uns eine gewisse Schlagkraft trotz allem erhalten können. Wichtig ist, mit den Verlagen dauerhaft im Gespräch zu bleiben. Das ist gleichzeitig auch ein kritischer Punkt unserer Arbeit, da unsere Einflussnahme naturgemäß immer da sinkt, wo Vertriebsstrukturen generell in Frage gestellt werden.

Heißt was?

Das Thema Direktgeschäft ist über die Jahre nicht gerade kleiner geworden. Es gibt immer wieder spürbare Bestrebungen auf Verlagsseite, den Buchhandel außen vor zu lassen, um sich vermeintlich ein größeres Stück vom Kuchen selbst zu sichern. Und immer wieder müssen wir großen Wert darauf legen, zu verdeutlichen, warum es sich hier in den meisten Fällen um einen Trugschluss handelt. Eine bessere Bündelung der Vertriebsbemühungen als der Buchhandel sie nach wie vor zu leisten imstande ist, kann ein Verlag sich kaum wünschen. Das wird immer wieder gerne mal vergessen.

Das klingt durchaus kämpferisch …

Ja, natürlich, wir sind auch gewillt, zu kämpfen, und wir merken nach wie vor, dass wir als Gesprächspartner wahrgenommen und vor allem auch ernst genommen werden. Das lässt sich etwa an diversen Einladungen zu Workshops und Konferenzen ablesen, an unserer Mitarbeit bei Themen wie Lizensierungsplattformen oder Aufhebung des 19%-Mehrwertsteuersatzes bei elektronischen Publikationen.

Welche Themen sehen Sie, die in naher Zukunft angegangen werden müssen?

Volker Stuhldreher: Zu sprechen sein wird auf jeden Fall über den sogenannten „Deal“, also die Bestrebungen, dreier großer Verlagsgruppen, das Bibliotheksgeschäft im Grunde direkt unter sich aufzuteilen.

Welche Probleme sehen Sie hier vor allem?

Diese Bestrebungen erzeugen zum einen natürlich enorme Kapitalbindung auf Bibliotheksseite, haben daneben aber auch eine erhebliche politische Dimension, indem der freie Fluss an Informationen, den Bibliotheken eigentlich gewährleisten, durch die Anbieterbeschränkung nicht mehr in ausreichendem Maße gegeben ist.

Ganz schön dicke Bretter, die da zu bohren sind …

Ja, sicher, aber solche Vorhaben gefährden das Geschäft unserer Mitglieder auf verschiedenen Ebenen, gleichzeitig müssen wir uns auch weiter Gedanken über die Frage einer Lizensierungsplattform und vor allem darüber, wer diese betreiben soll, machen.

Wofür plädieren Sie?

Auf jeden Fall für eine Lösung in Zusammenarbeit mit dem Börsenverein, der VG Wort und den wissenschaftlichen Verlagen. Nachdenken könnte man auch über eine Anschubfinanzierung durch die Bundesregierung.

Über die Digitalisierung der Branche sprechen wir nicht erst seit gestern. Rückt das nicht ein wenig in den Hintergrund, weil alles läuft?

Bianca Kölbl: Nein, keineswegs, das bleibt ein großes Thema, sowohl auf unserer Seite, aber auch bei den Kunden. Da „läuft“ keineswegs immer alles, es gibt viele Baustellen. Und letztlich sprechen wir in diesem Bereich auch immer noch über teilweise fehlende Monetarisierung.

In Bezug auf was?

In Bezug auf unsere Dienstleistungen wie das Zurverfügungstellen von Zugängen zu BtoB-Portalen, über die Behörden, aber auch Firmen notwendige Literatur recherchieren und bestellen können. Es kann nicht sein, dass von uns erwartet wird, solche aufwendigen Dinge als Goodwill kostenlos zur Verfügung zu stellen. Das ist für uns erheblicher Aufwand und der hat seinen Preis.

Sind Ladengeschäfte im Zeitalter der alles durchdringenden Digitalisierung im Fachbuchhandel eigentlich noch zeitgemäß?

Volker Stuhldreher: Uneingeschränktes Ja! Abgesehen von sehr spezialisierten Anbietern auf Sortimentsseite, für die sich ein Ladengeschäft nicht lohnt, ist diese Präsenz und Sichtbarkeit für die meisten unserer Mitglieder weiterhin ein wichtiger Bestandteil ihres Geschäftes. Und wenn man sich mal die Zahlen der vergangen Jahre anschaut, spricht auch in den meisten Fällen überhaupt nichts dagegen, diese Präsenz beizubehalten. Läden gehören zu unserem Geschäftsmodell dazu und sind nicht der unwichtigste Teil.

Einen Punkt dürfen Sie abschließend noch nennen, den Sie für eine zentrale Aufgabe der AWS halten …

Bianca Kölbl: Die sehe ich beispielsweise darin, mit den Verlagen , Stakeholdern und vielen anderen, die mit Fachinformationen, egal ob in print oder online, unterwegs sind, eine Plattform zu bieten, Austausch herzustellen und Themen zu besetzen. Aktiv zu sein und Trends zu beobachten und diese  auf den Arbeitstagungen zu präsentieren.

Carsten Tergast

Das  Interview“ finden Sie im Januar-BuchMarkt 2019 auf Seite 22

 

Kommentare (0)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert