Das Autorengespräch Volker Klüpfel und Michael Kobr über ihren neuen Roman und ihren Genrewechsel

Künftig immer zum Wochenende hier ein Autoren-Gespräch. Heute befragen wir Volker Klüpfel und Michael Kobr (Foto) über ihren neuen Roman In der ersten Reihe sieht man Meer, mit dem die beiden Erfolsgautoren das Genre gewechselt haben.

War das mutig? Das war Anlass für unsere Fragen.

BuchMarkt: Sechs Millionen verkaufte Exemplare, Verfilmungen in der ARD zur besten Sendezeit und ein Kommissar, der längst Kult-Status hat. Offensichtlich machen Sie alles richtig. Trotzdem wechseln Sie jetzt das Genre und veröffentlichen einen Roman ohne den bekannten Kommissar Kluftinger. Ist Ihnen langweilig geworden? Oder wie können das Buchhändle den Kunden erklären?

Volker Klüpfel und Michael Kobr:
„Es war trotzdem so schön“
(c) David Maupilé

Volker Klüpfel: Überhaupt nicht. Aber es gibt eben auch Geschichten, die man mit Kluftinger nicht erzählen kann, die wir aber trotzdem schreiben möchten. Und dieses Buch im Speziellen war eine wunderbare Erfahrung, wie ein Urlaub – in mehrerlei Hinsicht.

Michael Kobr: Da hat er mal Recht, der Klüpfel. Natürlich wird es mit Kluftinger auch weitergehen, und zwar schon sehr bald. Für uns war es aber diesmal eine schöne Erfahrung, sich auch mal auf anderem Terrain auszuprobieren und einen Roman zu schreiben ohne Krimihandlung, ohne Allgäu und ohne die bekannten Charaktere. Und zu sehen, dass unsere spezielle Arbeitsweise auch in diesem Bereich funktioniert.

Ihr Held Alexander und seine Familie freuen sich auf den Urlaub in Italien. Dort angekommen betrachten sie aber skeptisch Land und Leute – eine typisch deutsche Mentalität?

Volker Klüpfel: Wir Deutschen sind ja eines der reiselustigsten Völker, aber wir suchen eben immer auch ein Stückchen Heimat in der Fremde, früher natürlich noch mehr als heutzutage, wo es überall auf der Welt das gleiche Essen, die gleichen Läden gibt. Früher war das Reisen noch abenteuerlicher, und man hat eben versucht, sich Sicherheitsnetze zu spannen – und sei es nur in Form eines mitgebrachten Häkeldeckchens für den Plastiktisch auf der Terrasse. Allerdings sind wir damit nicht allein. Gerhard Polt hat mir mal von einer Familie erzählt, die aus dem Urlaub zurückgekehrt ist, weil ihnen die Konserven ausgegangen sind. Typisch deutsch, hat er gemeint – dann aber verraten, dass es sich um Schweden handelte.

Michael Kobr: Das ist sicher keine Frage, welche Nationalität man hat, wahrscheinlich nicht einmal, welchem Kulturkreis man angehört. Viele Japaner bestehen beim Lunchpaket für die Besichtigung von Schloss Neuschwanstein anscheinend ja sogar auf japanische Snacks und Wasser aus der Heimat, und sicher wird sich in den meisten italienischen Wohnmobilen neben italienischen Pastavorräten auch die Espressomaschine von zu Hause finden. Man sucht natürlich das kleine Abenteuer beim Reisen, das berechenbar Fremde – aber nicht ohne bestimmte Rituale aufzugeben, die einem Sicherheit und das Gefühl von zu Hause geben.

Im Innenteil Ihres neuen Romans finden sich zahlreiche Fotos aus Ihrer Kindheit. Man hat den Eindruck, dass es Ihnen in Italien besser gefallen hat, als Ihren Protagonisten aus dem Buch. Welches war denn Ihre schrecklichstes und Ihr schönstes Erlebnis?

Volker Klüpfel: Das glaube ich nicht, wir hatten mit den gleichen Problemen zu kämpfen, wie die Kleins im Buch. Genau genommen sind es unsere eigenen Traumata, die wir da verarbeitet haben. Aber das Entscheidende ist, und das gilt ja für alle, die diese Erfahrungen gemacht haben: Es war trotzdem so schön, dass man immer wieder hingefahren ist. Nur aus der heutigen Sicht wirkt manches, sagen wir mal, ein bisschen seltsam. Das schönste war sicherlich, dass damals die Oben-Ohne-Hochphase war. Es gab damals ja noch kein Internet, also war so ein Adriastrand für einen hormongesteuerten Pubertierenden das reinste Paradies. Das schlimmste war für mich dann immer die Abreise. Ich bin dann, weil das ja immer früh morgens passiert ist, im Dunkeln durch die Anlage gegangen und habe mich von allem verabschiedet, auch vom Pool. Also so richtig. Ich bin hin und hab gesagt: „Tschüss, Pool, es war wunderschön mit dir, hoffentlich sehen wir uns bald wieder.“ Das hab ich natürlich niemandem gesagt, denn ich wollte nicht nach der Rückkehr gleich zum Psychiater.

Michael Kobr: Um Himmels Willen, deshalb ist der Kollege also immer so gern in Urlaub gefahren! Tun sich ja Abgründe auf! Zurück zur Frage: Eigentlich ist es für unsere Protagonisten im Buch ja auch eine tolle Zeit, die sie verbringen, aber beim ersten Mal Italien sind sie eben wahnsinnig unsicher und vorsichtig. Ich habe die Zeit immer unglaublich genossen, habe jede Minute an der Sonne ausgenutzt, um braun zu werden und mich schon wahnsinnig drauf gefreut, dass alle füreinander Zeit haben und Schönes zusammen unternehmen können. Wir fuhren bestimmt fünf Jahre lang immer in denselben kleinen Ort an der unteren Adria, da wusste man schon, dass es in der „Pizzeria Laura“ am besten schmeckt, dass es in der Strandbude dieselben Waffeln gab wie zu Hause, wo man die „Lustigen Taschenbücher“ von Disney auf Deutsch bekam und bei welchem Coccobellomann die Ware am frischesten und die Verkaufsshow am besten war. Vielleicht waren das wirklich die beiden schönsten Wochen des Jahres. Schlimm war auch für mich die Abreise. Ich habe meinen Eltern, beide solide Lehrer, vorgeschlagen, wir könnten doch die Ferienwohnung dauerhaft mieten, unser Haus daheim verkaufen und ein Allgäuer Spezialitätenrestaurant aufmachen. Wer weiß, wenn sie auf mich gehört hätten, vielleicht wäre ich jetzt Juniorchef der internationalen Fastfoodkette „Kässpatzenhütte Enterprises“…

Heutzutage kann man sich eine 15-stündige Autofahrt ohne Klimaanlage, Navi und Smartphone, dafür mit langwierigen Grenzkontrollen und Lebensmitteln für die nächsten Wochen, kaum mehr vorstellen. Ist das Reisen heute besser als damals?

Volker Klüpfel: Eben nicht! Wenn man überhaupt noch lange Autofahrten unternimmt, zieht sich jeder in die innere Emigration zurück, daddelt ein Handygame oder schaut ein Video. Früher war man sich auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, die Eltern mussten schon nach fünf Minuten zum ersten Mal die Frage beantworten, wann man denn nun endlich da ist, und das Spiel „Ich sehe was, was du nicht siehst“ erlebte erst mit den Urlaubsreisen im Auto den Höhepunkt seiner Popularität. Auch wenn das jetzt alles ganz schrecklich klingt: Das war toll, das war kreativ, das war kommunikativ – aber vielleicht war es auch einfach nur meine Kindheit.

Michael Kobr: Meine Familie und ich haben uns da wohl unbewusst ein Stück Achtziger Jahre bewahrt. Wir machen Sommerurlaub immer in unserem Wohnmobil, das ist ein recht betagtes Gefährt, hat zwar Klimaanlage, die aber bleibt aus, sonst braucht das Ding sechzehn statt dreizehneinhalb Liter Diesel. Ab 120 Stundenkilometern schwankt es wie ein Fischerboot vor Bibione im Herbststurm, das mit 15 Stunden ist also durchaus realistisch. Wir haben auch kein Bordentertainment, außer Radio und CDs. Wir wollten den Kindern mal einen Film auf dem Tablet anschauen lassen, was übelkeitsmäßig in einem Fiasko endete. Navi gibt es, aber oft genug steht man dann im Süden vor Brücken mit einer Durchfahrtshöhe von zwei Metern und fährt anderthalb Kilometer rückwärts mit dem Sieben – Meter-Schiff. Bringt also nichts. Und weil man ja nicht weiß, wie das Angebot von biologisch erzeugten Lebensmitteln im Urlaubsland so ist, nimmt man sich lieber ein wenig Milch von glücklichen Kühen und ein paar Dinkelnudeln mit. Sicher ist sicher. Reisen bei uns ist also genauso gut wie damals…

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