Das Sonntagsgespräch Tanea Heke über den diesjährigen Buchmesse-Ehrengast Neuseeland, das “ Land der langen weißen Wolke“

In diesem Jahr ist Aotearoa, das „Land der langen weißen Wolke“ (so heißt Neuseeland in der Sprache der Maori) Ehrengast der Frankfurter Buchmesse. Das war Anlass für unser heutiges Sonntagsgespräch mit Tanea Heke, der Leiterin des Organisationsteams des Ehrengastes Neuseeland der Frankfurter Buchmesse.

Tanea Heke wurde in Wellington, Neuseeland, geboren. Die dreifache Mutter ist Schauspielerin, Lehrerin, Theaterproduzentin, Ausstellungsorganisatorin und jetzt Leiterin des Organisationsteams des Ehrengastes Neuseeland der Frankfurter Buchmesse.

Was ist es für ein Gefühl, die Nachfolge eines so beliebten Ehrengastes wie Island anzutreten? Empfinden Sie einen großen Druck?

Tanea Heke: Wir bringen der Leistung Islands großen Respekt entgegen und haben uns den Auftritt des Landes zum

Tanea Heke:
Wir wollen gemeinsam
Träume und Hoffnungen
deutlich machen

Vorbild genommen und versucht, davon zu lernen. Das isländische Team war uns gegenüber sehr offen, wenn es darum ging, uns Tipps zu geben, wofür wir sehr dankbar sind. In unseren Gesprächen haben wir sofort festgestellt, dass wir sehr viel gemeinsam haben: Wir sind alle Inselbewohner, was eine besondere Wesensart und Denkweise mit sich bringt. Das Leben auf einer Insel unterscheidet sich einfach sehr vom Leben auf einem großen Kontinent. Diese besondere Denkweise findet sich auch in unserer Literatur, Kunst, Kultur und Lebensart wieder.

Welche Bedeutung hat der Ehrengast-Auftritt für Neuseeland?

Wir betrachten ihn als große Ehre und wunderbare Gelegenheit, die neuseeländische Literatur und Kultur nach Deutschland und in die ganze Welt zu tragen. Unser Motto lautet „While you were sleeping/Bevor es bei euch hell wird/He moemoeā, he ohorere“. Es war uns wichtig, alle drei Sprachen zu berücksichtigen – als Zeichen des Respekts gegenüber unseren Tangata Whenua (Māori), unserem Gastgeber (Deutsch) und der Welt (Englisch).

Wie kam es zu dem schönen Motto?

Das Motto soll unsere Möglichkeit widerspiegeln, auf der Frankfurter Buchmesse Licht (nämlich das Tageslicht der südlichen Hemisphäre) auf das kreative Leben der Neuseeländer zu werfen – und auf alles, was auf unserer Seite der Welt passiert, während es auf der nördlichen Hemisphäre Nacht ist. Die deutsche Übersetzung „Bevor es bei euch hell wird“ betont die Verbindung zwischen Neuseeland und Deutschland: Wir kreisen um dieselbe Sonne, teilen den Planeten Erde und – in den Worten des neuseeländischen Dichters Bill Manhire – „leben am Rande des Universums, wie alle Menschen“.

Worauf arbeiten Sie bei dem Gastauftritt hin?

Der Ehrengast-Auftritt gibt uns nicht nur die Möglichkeit, die Unterschiede zwischen Neuseeland und Deutschland zu beleuchten, sondern auch unsere gemeinsamen Träume und Hoffnungen sowie die Verbindungen zwischen uns zu feiern. Die Textzeile in Māori „He moemoeā he ohorere“ bezieht sich darauf, plötzlich aus einem Traumzustand aufzuwachen. Wir werden Sie überraschen!

Ihr Ziel dabei?

Als wir erfahren haben, dass wir 2012 Ehrengast sein werden, waren wir so aufgeregt, dass wir sofort eine große Gruppe interessanter Neuseeländer aus allen Bereichen für einen Tag zusammengebracht haben, um über die Vielzahl an Möglichkeiten nachzudenken, die sich uns dadurch eröffnen. Es kam eine Menge großartiger Ideen zusammen, aber es gab eine ganz bestimmte Idee, von der ich glaube, dass sie unseren Weg bestimmt hat: Wir sprachen darüber, was die Menschen über Neuseeland wissen. Sie wissen Bescheid über unsere herrliche Landschaft, über Bungee-Jumping und Rugby und all diese ‚physischen‘ Dinge. In anderen Worten: Sie kennen unseren wunderschönen Körper. Daher haben wir uns dafür entschieden, ihnen nun unseren wunderschönen Geist näherzubringen. Damit meine ich unsere Kreativität in allen Bereichen – sei es nun Literatur, Essen, Wissenschaft, Bildung usw.

Das macht wirklich neugierig…

Das Konzept, das unsere gesamte Kampagne in Deutschland bestimmt, lautet „Manaakitanga“, was für gegenseitigen Respekt und Gastfreundschaft steht. Manaakitanga auszuüben, bringt alles auf eine höhere Ebene, schafft Verbundenheit durch Demut und den Akt des Gebens und Teilens. Im Rahmen von Manaakitanga möchten wir mit Ihnen teilen:

• Unsere Autoren und Literatur
• Unsere Künstler
• Unsere Innovationen und Technologien
• Unser Essen und unseren Wein
• Unser Bildungssystem
• Das Angebot, uns als Gastgeber in unserer Heimat Neuseeland zu revanchieren

Was wäre denn die zentrale Botschaft, die Sie den Besuchern der Frankfurter Buchmesse zukommen lassen möchten?

Die Arbeit in Deutschland innerhalb der vergangenen Monate war für mich eine Offenbarung. Wir wachsen mit bestimmten Vorstellungen über ein Land und seine Bevölkerung auf, aber in Wirklichkeit wissen wir so gut wie nichts. Ich war völlig überwältigt von der Wärme, Freundlichkeit und Großzügigkeit, die uns von den Menschen, mit denen wir in Deutschland gearbeitet haben, entgegengebracht wurden. Daher meine Bitte und zentrale Botschaft: Kommen Sie und lernen Sie uns besser kennen! Nehmen Sie unsere Gastfreundschaft an und die Geschenke, die wir mitbringen – und ich verspreche Ihnen, Sie werden überrascht sein, Sie werden bewegt sein, und Sie werden es nicht bereuen.

Wie sollte das Publikum Ihren Auftritt in Deutschland nach Ihrem Wunsch in Erinnerung behalten?

Vor kurzem sprachen wir in einem Meeting über unser Autorenprogramm, über unsere Präsentation im Ehrengast-Pavillon und über all die anderen Events und Aktivitäten im Vorfeld und während der Frankfurter Buchmesse. Ich war begeistert von der enormen Bandbreite, nicht nur, was die vielen unterschiedlichen Genres unserer Autoren betrifft. Sondern auch in Bezug auf das Spektrum an Veranstaltungen, die wir nach Deutschland bringen werden: Künstler, Artisten, Köche, Pädagogen, Innovatoren, Filmemacher, Musiker etc.

Ich würde gern mehr wissen…

Ich wünschte, ich könnte Ihnen jetzt schon einige der ganz besonderen Menschen und Events nennen, die wir nach Deutschland bringen – aber das muss warten, bis wir im Juni bei unserer Pressekonferenz das Programm bekannt geben. Doch ich kann Ihnen versichern, es wird gut ankommen, es wird interessant sein und Ihre bisherige Wahrnehmung von Neuseeland auf die Probe stellen. Ich bin sicher, es wird Momente geben, in denen die Leute sagen: „Wow, ich wusste gar nicht, dass Neuseeland so was kann!“

Worauf freuen Sie sich denn am meisten?

Das erste ist das Frankfurter Museumsuferfest (24. bis 26. August). Dort wollen wir zeigen, was wir unter „Manaakitanga“ verstehen, und den Menschen die Gelegenheit geben, all die guten Dinge, die Aotearoa zu bieten hat, zu hören, zu sehen, zu schmecken und auszuprobieren. Zur Eröffnung am Freitagabend planen wir, dass das Waka (ein Māori-Kanu) aus dem Volkskundemuseum im niederländischen Leiden eine Flotte von Drachenbooten auf dem Main anführt. Das Putatara (Muschelhorn) wird erklingen, begleitet vom Karanga (Ruf) eines Mitglieds von Te Matarae I Orehu, einem traditionellen Māori-Ensemble. Diese Klänge werden das Waka, seine Crew und die Festbesucher begrüßen. Bei der Ankunft des Waka am Ehrengastbereich wird Te Matarae eine Darbietung mit Gesang und Tanz beginnen, darunter Haka und Poi. Mit dabei ist außerdem Te Puia, ein Māori-Kunstgewerbeinstitut, das Weber, Schnitzer und Moko (Tattookünstler) nach Frankfurt bringt und die mündlichen Erzähltraditionen Aotearoas präsentiert. Ein weiteres Programmpunkt ist Te Akirata, eine Māori-Gruppe von den Cookinseln, die ebenfalls auftreten wird.
Das nächste Highlight wird natürlich der Eröffnungsabend der Frankfurter Buchmesse, wenn wir zum ersten Mal die Türen unseres Pavillons öffnen. Erwarten Sie das Unerwartete!

Stellen Sie sich vor, die Buchmesse wäre schon vorüber und Sie wären wieder zu Hause in Neuseeland. Was werden Sie als Erstes tun?

Wenn ich wieder zu Hause bin, werde ich als Erstes die Geburtstage meiner Whanau, also meiner Freunde und Familie, feiern, die ich während meiner Zeit in Deutschland verpasst habe. Das sind mindestens drei! Und dann werde ich versuchen, etwas Schlaf nachzuholen. Und ich weiß jetzt schon, dass ich Deutschland sehr vermissen werde: die Menschen (vor allem das Buchmesse-Team), die Möglichkeiten (Frankfurter Buchmesse 2011 und 2012, die Buchmesse in Leipzig, das Museumsuferfest in Frankfurt etc.), die Erfahrungen (sich von Frankfurt nach Aotearoa durchzugraben)

Letzteres haben auch wir mit Freude [mehr…] vermeldet ….
Die Fragen stellte Christian von Zittwitz

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