Das Sonntagsgespräch Stefan Rieß über die Notwendigkeit von Verlagsberatern

Sowohl Digitalisierung als auch die allgemeine Branchenentwicklung benötigt umfassende Veränderungen innerhalb der Verlage.

Wir haben Stefan Rieß gefragt, warum er es für notwendig hält, für diese Change-Prozesse einen professionellen Berater zu Rate zu ziehen.

Stefan Rieß

Wozu brauchen Verlage eigentlich heute Berater?

Durch den Abbau von vielen Stellen in den Verlagen, ist viel spezialisiertes Know-How verloren gegangen. Gerade im Redaktions- und Programmbereich, aber auch im Marketing- und Personalbereich können erfahrene Berater viel bewirken und sind – im Vergleich zu festangestellten Mitarbeiter – auch eine relativ kostengünstige Lösung.

Was können Berater im speziellen leisten?

Wie gesagt, gerade in größeren Verlagen verlaufen Change- und Innovationsprozesse nicht besonders schnell. Bis man wahrgenommen hat, dass sich Kunden verändert haben, bis dieses Bewusstsein in eine neue Strategie, und anschließend in neue Programme umgesetzt wird, vergeht sehr viel Zeit. Manchmal zu viel Zeit. Berater können das zum einen sehr beschleunigen, weil sie nicht so sehr auf Unternehmensregeln, Abstimmungsformalitäten und Unternehmenspolitik Rücksicht nehmen müssen. Zum anderen haben sie einfach mehr Erfahrungen mit anderen Verlagen und in anderen Branchen. Das befähigt sie neue Impulse zu geben, den Blickwinkel zu wechseln und können einen beträchtlichen Know-How-Transfer leisten.

Aber ist das nicht relativ teuer?

Berater sind nicht billig, aber im Vergleich zu entgangenen Umsätzen und verlorenen Marktanteilen sind sie die eindeutig attraktivere Lösung. Wenn sich ein Unternehmen mit Innovation und Strategie Prozessen, Produkteinführungen und Repositionierungen sehr viel Zeit lässt – oder noch schlimmer, Prozesse abbricht oder einfach die falschen Produkte auf den Markt bringt, ist das wesentlich teurer als die professionelle Begleitung durch einen Berater, die nach einem, drei oder sechs Monaten zu Ende ist. Und man sollte vor allem eines nicht unterschätzen: Ein guter Berater bringt nicht nur neue Ideen und Wissen, er hat auch eine soziale Katalysatorfunktion – er kann neu motivieren oder Einzelpersonen und Teams in schwierigen Prozessen coachen.

Viele ältere ehemalige Führungskräfte machen sich mit Beratung selbständig. Zerfleischen die sich nicht?

Entscheidend für jeden Berater ist natürlich sein ganz personeller USP – die Zeit der Generalisten ist auch hier vorüber. Eine eindeutige Spezialisierung heißt aber nicht, dass man immer nur in der gleichen Sparte oder Branche tätig sein muss. Gerade der Blick von außen kann in Bezug auf die Veränderung von verkrusteten Strukturen und Prozessen sehr hilfreich sein – egal, ob es um Inhalte, Sprache, Optik oder Layout geht. Oder um Marketing- und Vertriebsstrategien. Oder Mitarbeiterführung.

Welche Probleme gibt es bei Verlagen im Augenblick noch zu beobachten?

Eine prinzipielle Schwäche ist die Fokussierung auf den digitalen Wandel, und dabei die klassischen Erfolgsfaktoren zu vergessen – die Entwicklung origineller Inhalte , die Produktion neuer Ideen und Formate, die handwerkliche Qualität. Dazu kommt eine große Angst Fehler zu machen, mit innovativen Ideen zu scheitern. Und in vielen Häusern eine bemerkenswerte Selbstreferentialität – soll heißen, man beobachtet in erster Linie sich selbst, und bekommt nicht mit, was in der Welt draußen vor sich geht. Für den Blick über den Tellerrand fehlt oft die Zeit und auch die Energie. Und irgendwann hat man den Anschluss verloren – siehe Langenscheidt oder Jahreszeiten Verlag

Was zeichnet ältere Berater denn im Vergleich zu jungen aus?

Ein guter Berater geht von unten an die Sache heran und stülpt nichts von oben drüber, womit das Team nichts anfangen kann und nicht einverstanden ist. Es werden keine fertigen Powerpoint-Präsentationen für Problem X aus der Schublade gezaubert, sondern erst vor Ort individuelle Lösungen erarbeitet und vorgestellt. Entscheidend wichtig ist die Kunst, genau hinzuhören, sich einzufühlen und den anderen zu verstehen. Diese Empathie kommt erst mit der Erfahrung.

Woran mangelt es in Verlagen am häufigsten?

Das lässt sich pauschal nicht beantworten, die Situation ist – je nach Ausrichtung – sehr unterschiedlich. Viele Verlage tun sich schwer, die richtigen neuen Mitarbeiter zu finden – einmal, weil sie bestimmte Talente gar nicht mehr ansprechen, weil die Buchbranche in deren Augen wenig attraktiv wirkt. Zum anderen schaffen sie es oft nicht, neue Mitarbeiter mit neuen Methoden und oft unkonventionellen Ansätzen zu „verstehen“. Strategieentwicklung, Markensteuerung und die operative Umsetzung sind ebenfalls häufige Themen

Was muss ein Berater mitbringen?

Ideal sind Berater, die viel unterschiedliche Erfahrungen mitbringen, also nicht jahrzehntelang in einem Unternehmen gearbeitet haben. Wichtig sind Einfühlungsvermögen und die Fähigkeit komplexe Probleme zu analysieren, Kreativität und oft die Bereitschaft zwischen verschiedenen Abteilungen zu moderieren. Und natürlich viel Geduld.

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