Annette Beetz über die Zusammenarbeit mit dem Buchhandel angesichts der Entscheidung von Random House, ab Herbst 2019 auf gedruckte Vorschauen zu verzichten „Der Handel ist unser wichtigster Mittler zum Leser“

Wir haben es am 27.04 hier gemeldet: Die Verlagsgruppe Random House macht ernst mit dem Verzicht auf gedruckte Vorschauen, was nicht überall ohne Kritik wahrgenommen wurde. Anlass war für Fragen an Random House-Geschäftsführerin Annette Beetz:

Viele Sortimenter wundern sich über den Zeitpunkt Ihrer Pressemitteilung. Warum kommunizieren Sie schon jetzt den Verzicht auf die gedruckte Vorschau im Herbst 2019?
Annette Beetz: Wir haben diesen Zeitpunkt ganz bewusst gewählt:  Es war uns ein Anliegen, allen Beteiligten intern und extern ausreichend Zeit zu geben, sich auf diese Umstellung vorzubereiten

Random House-Geschäftführerin Annette Beetz: „Der Verzicht auf gedruckte Vorschauen bewirkt in Summe einen großen Gewinn an Effizienz, an Qualität, an Aktualität und an Orientierung.“

Wofür brauchen Sie denn in erster Linie Zeit?

Unsere Verkaufsmannschaft kann bereits jetzt sowie während der anstehenden Reise mit ihren Handelspartnern in Ruhe die zukünftigen Verkaufsprozesse besprechen. Stellt sich dann heraus, dass ein Händler überhaupt nicht mit der digitalen Vorschau arbeiten kann oder möchte, dann haben wir genug Zeit, die alternative Vorgehensweise zu besprechen.

Random House Bereitet sich schon lange auf diese Umstellung vor, waren sie nicht sogar der erste Verlag, der sich zu VLBtxt bekannt hat. 

Ja, bereits Anfang 2016 haben wir ein bereichsübergreifendes Projekt innerhalb der Verlagsgruppe Random House aufgesetzt. Schrittweise haben wir mit wirklich tatkräftiger Unterstützung vieler Kolleginnen und Kollegen alle Prozesse, Schnittstellen und die Datenübermittlung neu aufgesetzt und konnten gemeinsam Schwierigkeiten und Hindernisse frühzeitig erkennen und Arbeitsabläufe optimieren.

Und das das heißt in der Praxis?

Seit November 2017 sind alle unsere Verlage mit ihren Büchern und Programmen in VLB-TIX vertreten. Die Arbeit erfolgte zuerst in einer klassischen Projektstruktur  – mit einem Team, welches zu Spitzenzeiten mehr als 100 Teammitglieder aufwies.

Aber die Reaktionen aus dem Handel waren teilweise heftig. Haben Sie mit so viel Gegenwind gerechnet?
Uns ist bewusst, dass wir einen großen Change Prozess angestoßen haben. Von dem einen oder anderen erhalten wir das Feedback, dass wir diesen Wandel mit unserer Vorgehensweise gar erzwingen. Ja, wir haben mit viel Gegenwind gerechnet,  aber auch mit viel Zustimmung. Beides haben wir bekommen. Über die Zustimmung freuen wir uns, und für den Gegenwind haben wir großes Verständnis: Die gedruckte Vorschau ist immerhin ein über Jahrzehnte gewohntes und bewährtes Arbeitsmittel, welches im Kern auch die Prozesse in den Verlagen im Miteinander mit ihren Handelspartnern bestimmt.

Wie reagieren Sie auf die Kritik?

Aktuell erreicht uns viel Feedback, per Brief, per E-Mail, per Telefon. Wir sprechen persönlich mit jedem einzelnen Buchhändler, der sich an uns wendet. In diesen Gesprächen konnten wir bisher stets alle Sorgen zerstreuen, auch die häufig geäußerte, ob wir auf diese Weise womöglich zukünftig auf unseren Außendienst verzichten? Das werden wir natürlich nicht, – aber es ist durchaus vorstellbar und gewünscht, dass unser Außendienst seine Zusammenarbeit mit den Handelspartnern zukünftig anders als bisher gestalten kann und  wird. Dass er viel mehr Zeit haben wird, sich darauf zu konzentrieren, wie wir gemeinsam Nachfrage generieren und mehr Leser und Käufer erreichen können. Auf jeden Fall steht außer Frage, dass wir weiterhin intensiv und persönlich mit dem Handel zusammenarbeiten werden.

Viele sehen die Vorteile nur auf Seiten den Verlage – wo profitiert denn der Handel von einer Reise ohne gedruckte Vorschau?
Um die offensichtlichsten Vorteile zu nennen: Der Händler kann, wenn er möchte, jederzeit und überall mit der Vorschau arbeiten. Er trägt sie sozusagen immer bei sich. Die Vorschauen aller Verlage sind jederzeit griffbereit, auch in kurzen Pausen oder im Zug auf dem Weg zur Arbeit. Sie können z.B. nach Themen, Genres und vielem mehr durchsucht werden. Keiner muss mehr schwere Vorschaupakete schleppen, auspacken und irgendwann auch wieder entsorgen. Jeder Mitarbeiter in einer Buchhandlung kann Kommentare und Empfehlungen für seine Kollegen hinterlassen und selbst an verschiedenen Orten gleichzeitig mit Kollegen an der Vorschau arbeiten. Die Informationen zu jedem einzelnen Titel sind immer auf aktuellstem Stand. Das ist in Summe ein großer Gewinn an Effizienz, an Qualität, an Aktualität und an Orientierung.

Der Verzicht auf die gedruckte Vorschau ist aber nur ein, wenn auch sehr sichtbarer, Aspekt. Wie verändern sich die Prozesse bei Ihnen im Haus, speziell im Marketing, durch diesen Wegfall?
Wenn wir ehrlich sind und es auf den Punkt bringen, müssen wir sagen, dass die Prozesse zwischen den Verlagen und dem Handel von den Rhythmen der gedruckten Vorschau bestimmt sind. Wir können sogar so weit gehen, zu sagen, dass wir Verlage mit dem Handel in diesem Prozess gefangen sind. Dabei ist doch offensichtlich, dass wir uns gemeinsam verändern müssen. Unsere Energie sollten wir darauf ausrichten, wie wir wieder mehr Nachfrage bei unseren Zielgruppen generieren können. Der Handel ist unser wichtigster Mittler zum Leser, und der Leser informiert sich digital und braucht rasche, präzise Antworten und Angebote. Da ist es an der Zeit, dass auch wir miteinander schneller, wirksamer und deutlich wendiger und flexibler werden.

 dann noch mal konkret gefragt: Was verändert sich für Ihren Außendienst und wie haben Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen dort zu diesem Thema abgeholt?
Wir haben unseren Außendienst über zwei Jahre intensiv geschult und setzen dies in den kommenden Monaten fort. Mit der digitalen Vorschau verfügt unser Außendienst stets über die aktuellste Verkaufsunterlage.  Er braucht keine zusätzlichen Mappenblätter, Musterseiten, Aktualisierungen etc. mehr. Alle zu einem Titel verfügbaren Informationen hat unsere Verkaufsmannschaft einfach zur Hand (Trailer, Presse, Marketing, Innenseiten…) und kann genau nach Bedarf entscheiden, welche Unterlagen sie jeweils einsetzten möchte und auch welche Dramaturgie unsere Kollegen für ihr Gespräch mit dem Händler wählen möchten. Der individuelle Gestaltungsraum ist auf diese Weise um so viel größer! Auch bietet die digitale Vorschau neue Möglichkeiten der direkten Kommunikation zwischen dem Buchhändler und dem Vertreter. So kann der Buchhändler vorab seinen Bestellvorschlag schicken, damit der Vertreter sich auf den Besuch besser vorbereiten kann.

Wie wollen Sie gerade kleinen Sortimenter deren Bedenken nehmen?
Wir werden keinen Buchhändler alleine lassen. Mit jedem Händler werden wir besprechen, wie die Programmpräsentation aussehen muss, damit er sich wie gewünscht vorbereiten und gut mit unseren Verkäufern zusammenarbeiten kann.

Wir wissen von bekennenden Verweigerern. Kann es gelingen hartnäckigen Widerstand von Händlern, die sich dem System komplett verweigern zu begegnen?
Wir werden versuchen, die Händler von der Arbeit mit der digitalen Vorschau zu überzeugen. Wir werden und können aber natürlich niemanden dazu zwingen, – das ist uns bewusst und ist auch nicht gewollt. Sollte ein Händler tatsächlich nicht mit VLB-TIX arbeiten können oder wollen, werden wir einfache, gedruckte Arbeitsunterlagen als Alternative zur Verfügung stellen können

Dann nochmal auf den Punkt gebracht, gern nur  in drei Sätzen: Wo liegen denn jetzt wirklich die Vorteile von VLB-Tix?
Mit drei Vorteilen komme ich wirklich nicht aus (lacht)! Aber vier kriege ich hin: Stets aktuell, jederzeit zugänglich, interaktiv und auf Wunsch selektiv.

Sind Sie eigentlich verärgert, dass nun der Verlagsgruppe der Wind ins Gesicht bläst, wo auch andere größere Häuser kein Geheimnis aus Ihren Planungen bezüglich TIX machen, aber noch keinen konkreten Termin genannt haben?
Keineswegs. Wir selbst haben Respekt vor diesem Schritt. Nichtsdestotrotz freuen wir uns, wenn wir den Wandel mit möglichst vielen Kollegen der Branche gestalten können.

Die Fragen stellte Christian von Zittwitz

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