CEO Carel Halff und Vorstand Klaus Kluge im "Sonntagsgespräch" über das Lübbe-Effizienzprogramm „So viel Aufbruch war nie“

Im vergangenen Oktober überraschte Bastei Lübbe mit der Nachricht, dass Carel Halff ins Unternehmen zurückkehren und CEO werden würde. Gemeinsam mit seinem Vorstandskollegen Klaus Kluge spricht er im Sonntagsgespräch darüber, wie die ersten 100 Tage im Amt gelaufen sind, und wo er Wachstumsfelder in der Branche sieht.

Carel Halff und Klaus Kluge

Herr Halff, Sie sind nun etwas mehr als 100 Tage bei Bastei Lübbe – wie lautet Ihr Fazit?
Halff
: Ein tolles Haus, eine große Herausforderung und viel Potential. Großartige Autoren, sehr viel Sympathie und Wertschätzung bei den Kunden, enorm viel Expertise, Kreativität und Innovationskraft bei den Mitarbeitern.

Obwohl Sie in den vergangenen Jahren in einer anderen Branche tätig waren, hatten Sie sicher die Buchbranche nie aus dem Blick verloren. Was hat sich in den letzten Jahren auf dem Buchmarkt verändert im Vergleich zu Ihrer Zeit bei Weltbild?
Halff
: Weltbild liegt für mich gefühlt 10 Jahre zurück. Mit meiner Beratungsfirma habe ich in den letzten Jahren ganz unterschiedliche Verlage unterstützt. Das hat meinen Blick auf den Buchmarkt bereits erheblich erweitert. Natürlich hat sich das Kommunikations- und Einkaufverhalten der Konsumenten in den letzten Jahren stark verändert. Hier sind die Erfahrungen, die ich in der Mode- und Bekleidungsbranche, sammeln durfte, hilfreich. In der Buchbranche kommen verstärkend die sich verändernden Lese- und Kaufgewohnheiten bei einigen Altersklassen und Milieus dazu.

Bastei Lübbe ist Ihnen als Unternehmen auch seit Jahrzehnten bekannt, worauf haben Sie sich in Ihrem neuen Job am meisten gefreut?
Halff
: In den ersten Sekunden nach dem Anruf…., auf die Begegnung mit Jerry Cotton und seiner E-Type. In meiner Lesesozialisation lag Jerry Cotton genau in der Mitte zwischen Karl May und Karl Rahner.

Hatten Sie zu Beginn eine Ahnung, welche Schwierigkeiten da in Ihrem neuen Amt tatsächlich auf Sie zukommen?
Halff
: Natürlich kannte ich keine Details, aber im groben Umriss waren Arbeitsfelder und Dringlichkeit erkennbar. Deshalb bin ich meinem Vorsatz, keine operative Verantwortung mehr zu übernehmen, untreu geworden.

Herr Kluge, Sie kennen Herrn Halff seit vielen Jahren, haben bereits in Ihrer Zeit bei Droemer Knaur mit ihm zusammengearbeitet, was war Ihr erster Gedanke, als Sie erfuhren, wer der neue CEO sein würde?
Kluge
: Ich habe mich aufrichtig gefreut, einen so erfahrenen Handelsmanager künftig an unserer Seite zu wissen, der wie kaum ein anderer die Höhen und Tiefen unseres Geschäfts kennt. Es kam jemand, dem man die Welt nicht erklären musste – im Gegenteil, mehr Erfahrung war nie.

Nicht nur Herr Halff hat in 2017 seine Arbeit neu aufgenommen, auch Finanzvorstand Ulrich Zimmermann kam im Sommer neu an Bord – wie lange braucht es, als Führungsteam zusammenzuwachsen, gerade unter den Schwierigkeiten, die das Unternehmen zurzeit durchmacht?
Kluge
: Der Wille, zu gestalten, eint uns. Da wächst schnell zusammen, was zusammengehört.

Herr Halff, Abschreibungen, Bilanzierungsfehler, Neu-Bewertungen, schwächelnde Beteiligungen, Aufräumen im Kerngeschäft, Bastei Lübbe hat viele Baustellen, an denen gearbeitet werden muss – was ist nun der dringlichste Schritt?
Halff
: Vertrauen zu gewinnen oder zurück zu gewinnen. Wir haben in der Vergangenheit zu viel versprochen und enttäuscht. Jetzt machen wir unsere Hausaufgaben, schnellstmöglich, aber ohne Aktionismus.

Sind die vielen Beteiligungen schuld an der Misere?
Halff
: Von Misere kann keine Rede sein. Wir haben ein gesundes Kerngeschäft – Buchverlage für Print, Digital und Audio -, wir haben jetzt bilanziell aufgeräumt und bekennen uns zu unseren Hausaufgaben. Wir bleiben digitaler Vorreiter und das Haus der Innovation, aber mit Erdung und Augenmaß.

Viele negative Nachrichten in kurzer Zeit, die Aktie auf einem Tiefpunkt, wie wollen Sie die Gunst der Aktionäre zurückgewinnen?
Halff
: Die Gunst der Aktionäre kommt mit Leistung, Transparenz und Ergebnissen.

Obwohl Sie gerade ein Jahr mit großen Blockbustern hinter sich haben und im Kerngeschäft große Erfolge vorweisen, räumen Sie nun gerade dort auf? Warum?
Halff
: Der Erfolg muss sich auch in einem guten Jahresergebnis abbilden, hier verschenken wir aktuell noch zu viel Potential.

Viel war bereits von ihrem Effizienzprogramm zu lesen, wie muss man sich das genau vorstellen?
Halff
: In bereichsübergreifend und hierarchiefrei zusammengestellten Teams werden enge Fragestellungen bearbeitet und Handlungsempfehlungen ausgesprochen. Diese Empfehlungen werden einem Lenkungsausschuss präsentiert und dort entschieden. Alle Bereiche aus Programm, Vermarktung und Prozesse werden im Rahmen dieses Projekts angesprochen. Der Vorstand ist in allen Phasen und bei allen Entscheidungen sehr eng eingebunden.

Warum arbeiten Sie ohne Beraterfirma?
Halff
: Unsere Mitarbeiter sind die besten Experten. Jedes Team wird von einem Kollegen der Unternehmensentwicklung koordiniert. Die Mitarbeiter der Unternehmensentwicklung und auch ich selbst haben Beratungs- und Projekterfahrung.

Wie ist die Stimmung unter den Mitarbeitern? Sicherlich steht doch auch die Angst vor Entlassungen im Raum?
Halff
: Ein Effizienz-Programm bringt zwangsläufig auch eine gewisse Unruhe und Unsicherheit mit sich. Andererseits sehen die Mitarbeiter die Notwendigkeit und wollen sich und ihre Ideen einbringen.

Wie viel Zeit nehmen Sie sich für den Umbau?
Halff
: Für das eigentliche Effizienz-Programm etwa ein Jahr. Das Change-Management selbst wird aber zu einem festen Bestandteil der Kultur und Führung bei uns, in allen Medienhäusern und der Wirtschaft. Die Veränderungen und Chancen aus der Digitalisierung erfordern mit zunehmender Dynamik die Anpassung der Geschäftsmodelle, Produkte und Prozesse.

Herr Kluge, haben die schlechten Nachrichten aus der Bastei Lübbe AG Auswirkungen auf das Zusammenspiel mit den Geschäftspartnern? Trauen die Ihnen noch was zu?
Kluge
: Natürlich habe ich in meiner Funktion als Programmvorstand als erstes eine good will Tour zu Literaturagenten gemacht. Um zu sehen, vertraut man uns noch Autoren aus der ersten Reihe an. Und: man tut es.

Was antworten Sie auf die gern gestellte Frage, wie abhängig Sie von Ihrer Handvoll Topautoren sind? Gibt es ein Modell zur Gegensteuerung?
Kluge: Zum einen sind wir stolz, dass es uns über viele Jahre gelungen ist, solche Topautoren wie Ken Follett, Dan Brown, Rebecca Gablé und Jeff Kinney fest an unser Haus zu binden, die als Garanten für Topplatzierungen auf den Bestsellerlisten stehen. Zum anderen möchten wir die Zahl der Topautoren erhöhen. So, wie es das Ziel aller Verlage ist. Geld allein allerdings wäre die falsche Währung. Der langfristige Autorenaufbau, das intelligente Marketing, die passgenaue Zielgruppenansprache sind da schon deutlich relevanter.

Herr Kluge, vor einigen Jahren haben Sie im Kölner Belgischen Viertel eine Buchhandlung eröffnet. Was konnten Sie von diesem „Siebten Himmel“ lernen, was Sie nicht schon vorher wussten?
Kluge
: Als Verlagsmensch sitzt man an der anderen Seite des Geschehens. Es fehlt das Wissen ums Detail. Was wünscht der Kunde wirklich? Wie kann ich ihn begeistern? Wie an mich binden? Da bietet der Siebte Himmel den Praxistest. Und als ‚Testlabor‘ mannigfaltige Erkenntnisse und Anregungen, die zum Nutzen aller zumindest mal diskutiert werden können.

Warum überhaupt all diese Mühen, wenn wir doch gerade mittels einer Studie lernen mussten, dass die Buchkäufergemeinde stetig schrumpft und Millionen Käufer verloren hat? Ist da in Zeiten von Netflix&Co überhaupt noch was zu retten?
Kluge
: Seit über dreißig Jahren, die ich den Buchmarkt nun verfolgen und begleiten durfte, wird das Buch totgesagt. Er hat sich als erstaunlich stabil und resistent gegen all die Verlockungen der digitalen Unterhaltungsangebote erwiesen. Wo Millionen verloren gehen, wachsen an anderer Stelle Millionen nach. Nach Harry Potter, um nur ein Beispiel zu nennen, ist Greg angetreten, die Schulhöfe zu erobern und Pausengespräch zu sein. Wir müssen uns da wirklich keinen Untergangsszenarien hingeben, wir sind vielmehr gut beraten, die Geschichten, die wir zu erzählen haben – und um die uns andere Handelsformen beneiden – so zu erzählen, dass das Umfeld daran teilhaben möchte.

Sehen Sie in unserer Branche Wachstumsfelder?
Kluge: Ja. So viel Aufbruch war nie.

Bastei Lübbe war in der Vergangenheit auch immer gut für Überraschungen – ungewöhnliche Geschäftsmodelle, kühne Ideen, die nicht immer aufgingen, wie man jetzt sieht. Ist nun die Zeit der Überraschungen vorbei? Mit anderen Worten: Traut sich Bastei Lübbe noch außerhalb des Kerngeschäfts Wachstum zu?
Halff
: Wir trauen uns grundsätzlich alles. Aber das, was wir starten, ist vorher geprüft. Können wir das, finanziell und personell? Wie ist das Risiko-Chancen-Profil? Brauchen wir Partner?

Wenn man Ihnen einen Blick in die Glaskugel erlaubte: Wo würden Sie die Branche in fünf Jahren gerne sehen? Was hat sich verändert, was hat sich bewährt?
Halff
: Ich wünsche mir, dass es uns mit vereinten Kräften gelingt, die Attraktivität des Lesens und des Buches unabhängig von seiner Ausgabeform zu erhalten und dafür auch neue Modelle und Formen zu finden.

Und welche Rolle spielte Bastei Lübbe dann in diesem Gedankenmodell?
Halff
: Bastei Lübbe ist als innovativer Vorreiter führend in der spannenden Unterhaltung und best-of-class in der Wirtschaftlichkeit.

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