Ein Leben wie im Roman Siggi Hirsch

Siggi Hirsch (durch Klick auf Foto zu seiner Webseite)

Der Bamberger Autor, Maler und Verleger Sigi Hirsch ist am Montag, 3. Juni, im Alter von 74 Jahren nach längerer Krankheit im oberfränkischen Eppenreuth gestorben. Hier ein Nachruf von Frank Gundermann

Siegfried-Hermann Hirsch, der gebürtig aus Bad Salzuflen stammte, absolvierte Mitte der 60er Jahre eine Lehre zum Verlagskaufmann bei den „Bremer Nachrichten“. Noch während seiner Lehrzeit gründete er im Alter von 18 Jahren die literarische Illustrierte total, für die unter anderem Autoren wie Raoul Hausmann, Peter-Paul Zahl, Erich Fried, Peter O. Chotjewitz, Allen Ginsberg und Paul Wunderlich Texte und Illustrationen beisteuerten. 1967 geriet die Zeitschrift bundesweit in die Schlagzeilen, nachdem sich die Bremer Oberpostdirektion weigerte „total“ als preisgünstige Drucksache zu verschicken und das Porto erhöhen wollte.

Grund hierfür waren Fotos nackter Frauenhintern, die in der Zeitschrift abgedruckt worden waren sowie ein der Zeitschrift beigelegter Buch-Prospekt eines englischen Verlags, der zwei sich küssende Nonnen zeigte. Im Zuge der damaligen Medienberichterstattung wurde Sigi Hirsch als Deutschlands jüngster Verleger bezeichnet. Trotz zahlreicher Solidaritätsbekundungen von Literaten und Künstlern aus ganz Deutschland blieb die Bremer Oberpostdirektion bei ihrer Porto-Erhöhung. Im Jahr 1969 wurde die Zeitschrift „total“ schließlich eingestellt.

Sigi Hirsch, der mittlerweile in Berlin lebte, gründete mit Freunden eine Werbeagentur und managte unter anderem Heinz Werner Höber, der über Jahre Hauptautor der Jerry Cotton-Serie gewesen war und den Erfolg der erfolgreichste Krimiserie der Welt geprägt hatte.

1975 zog Sigi Hirsch nach Coburg und arbeitete als Verlagsleiter beim Coburger Tageblatt. Anschließend übernahm er die Albrecht’sche Hofbuchhandlung und betätigte sich als Antiquar mit der Spezialisierung auf das Königshaus Sachsen-Coburg und Gotha. Zudem war er als Verleger tätig.

Nach der Schließung der Buchhandlung arbeitete Sigi Hirsch als Antiquar, 1996 zog er nach Bamberg. Im Jahr 1999 gelang Hirsch ein außergewöhnlicher Fund. Er entdeckte und erwarb ein Album, welches die englische Königin Queen Victoria für ihre Erzieherin Baronin Lehzen zusammengestellt und dieser zum Abschied geschenkt hatte. Darin waren unter anderem Zeichnungen und abgeschnittene Haarlocken sowie Hochzeitsandenken der Queen enthalten.

Nach einem Schlaganfall wagte Sigi Hirsch 2002 einen Berufswechsel. Er betätigte sich fortan als Kabarettist, trat mit Solo-Programmen sowie bei Lesungen auf und nahm an Poetry Slams teil. Zudem war er Moderator und Mit-Organisator des Poetry Slams Coburg. 2004 gewann Sigi Hirsch den Krimi-Slam beim Krimifestival München, 2006 nahm er als Finalist im Team-Wettbewerb der deutschsprachigen Poetry Slam-Meisterschaften in München teil.

Ab 2004 betätigte er sich zudem als Maler und nahm an zahlreichen Ausstellungen teil. Er verfasste mehrere absurde Kriminalromane und veranstaltete in seiner Poetry Art-Galerie in Bamberg die Lesebühne Wort:Laut!.

Sigi Hirsch war ein kreativer Künstler, der Zeit seines Lebens zahlreiche und herzliche Freundschaften pflegte, darunter zu Musikern und Schriftstellern wie Uwe Timm, Konstantin Wecker und Gunter Gabriel, dessen ersten öffentlichen Auftritt er organisiert hatte. Sigi Hirsch wird neben seinem künstlerischen Schaffen vor allem durch seine Lebensfreude und seinen Humor in Erinnerung bleiben, den er sich auch in den letzten drei Jahren bewahrte, als er unter einer unheilbaren, chronischen Lungenerkrankung litt. Oder wie es der Bamberger Schriftsteller Thomas Kastura in einem Beitrag auf Facebook treffend formuliert hat: „Sigi war einer der heitersten, liebenswürdigsten und versöhnlichsten Menschen, die ich je kennenlernen durfte. Er hat mein Leben in einer Weise bereichert, die schwer in Worte zu fassen ist.“

Frank Gundermann

Ja, „Sigi war einer der heitersten, liebenswürdigsten und versöhnlichsten Menschen, die ich je kennenlernen durfte. Er hat mein Leben in einer Weise bereichert, die schwer in Worte zu fassen ist“ … das unterschreibe ich: Wir haben uns auf der Frankfurter Buchmesse 1966 kennen gelernt, als er mit seiner Zeitscrift total auf dem Messegelände unterwegs war  – auf der Messe, auf der unsere erste Ausgabe von BuchMarkt vorgestelt wurde. CVZ

Kommentare (0)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert