Das Sonntagsgespräch Rachel Salamander über zehn Jahre „Literarische Welt“ und die Zukunft des Mediums

Gestern wurde in Berlin zum zehnten Mal der WELT-Literaturpreis verliehen. Und vor zehn Jahren, am 7. November 1998, erschien erstmals eine Beilage der WELT, die sich

Rachel Salamander:
„Wir müssen die digitalen
Herausforderungen
früh annehmen“

ausschließlich der Literatur widmete. Das ist Anlass für Fragen von Margit Lesemann an Rachel Salamander, die Herausgeberin der „Literarischen WELT“.

Seit zehn Jahren hält die „Literarische Welt“ jeden Samstag die Literatur im Gespräch. Andererseits feierte die „Literarische Welt“ vor drei Jahren bereits ihren 80. Geburtstag. Wie das?

Rachel Salamander: Wir sehen uns in der Tradition der von Willy Haas, der 1925 die „Literarische Welt“ gründete und sie zum Inbegriff eines gelungenen Kulturfeuilletons machte. 1933 setzten die Nationalsozialisten auch diesem in der deutschen und europäischen Literaturgeschichte einzigartigen Kapitel ein Ende. Willy Haas überlebte im Exil, kam 1948 zurück nach Deutschland und wurde langjähriger Literaturredakteur der WELT.

Vor 10 Jahren wurde seine Wochenzeitung „Die Literarische Welt“ wiederbelebt und sie besteht nun schon zwei Jahre länger, als es dem Feuilleton von Willy Haas vergönnt war.
Gestern Abend erhielt Hans Keilson den WELT-Literaturpreis. Er ist der zehnte Preisträger.

Rachel Salamander: Zum zehnjährigen Jubiläum auch des Literaturpreises ehren wir Hans Keilson, wollen aber auch uns mit ihm schmücken. Hans Keilson gehört einer Spezies an, der man in der Literaturgeschichte häufiger begegnet: Er ist Heiler und Schriftsteller in einer Person. Er ist Arzt, aber vor allem Psychoanalytiker – er praktiziert übrigens immer noch, allerdings nimmt er keine neuen Patienten an – Psychoanalytiker das heißt, er befindet sich von Berufs wegen ständig im Dialog mit anderen Menschen.

Als Laudator konnten Sie den Publizisten Thomas Karlauf gewinnen. Wieso fiel Ihre Wahl gerade auf ihn?

Rachel Salamander:Auf den ersten Blick mag das befremdlich wirken, auf den zweiten Blick erscheint diese Wahl geradezu zwingend. Thomas Karlauf hat im vergangenen Jahr eine mit Recht gerühmte Biografie Stefan Georges vorgelegt, eine Biografie von 800 Seiten stupender Kenntnis, die sich trotzdem kurzweilig liest.

Was hat denn Stefan George mit Hans Keilson zu tun?
Rachel Salamander: Eigentlich nichts. Nur eben doch mehr, als dass seine Frau, die Literaturwissenschaftlerin Marita Keilson-Lauritz, George-Spezialistin ist.
Es gibt auch einen anderen Zusammenhang, auf den gehe ich in meiner Rede ein…

Thomas Schmid, Chefredakteur der WELT, warnte gestern in seiner Begrüßung, die Zeitung als Printmedium gehe möglicherweise ihrem Ende entgegen. Wie sieht „Die Literarische Welt“ der Zukunft aus?

Rachel Salamander: Es ist absehbar, dass das Printmedium Konkurrenz erhält. An der Entwicklung der elektronischen Zeitung wird intensiv gearbeitet. Dieser Prozess lässt sich nicht aufhalten, bestenfalls auf vernünftige und dienliche Weise kontrollieren. Guter Journalismus wird dennoch überleben, das Medium braucht schließlich „Content“.

Es wird in den letzten Wochen viel vom E-Book geredet. Machen Sie sich Sorgen um das Papierbuch?

Rachel Salamander: Seit Gutenberg hat sich das Medium Buch nicht wirklich verändert. Jetzt stehen wir kurz vor der flächendeckenden Einführung seiner elektronischen Variante. Damit geht der Buchmarkt in seiner herkömmlichen Form seinem Ende entgegen. Aber auch diese neue Kulturtechnik braucht Inhalte, d. h. Schriftsteller, die das E-Book füttern, eine Art Verlage, die Qualität von Trash unterscheiden, und Buchhandlungen, die die weniger gewordenen Papierbücher verkaufen, aber vor allem die Downloads bewerkstelligen.

Wie können sich Verlage und Buchhandlungen für die Zukunft rüsten?

Rachel Salamander: Alle Betroffenen sind aufgerufen, die digitale Herausforderung frühzeitig anzunehmen, um sie in ihrem Sinne beeinflussen zu können. Die Herstellung von Büchern wird sich elektronisch erheblich verbilligen. Damit vergrößert sich die Anzahl der Bücher und der potenzielle Leserkreis wächst. Ich bin mir sicher, in der weiter steigenden Unübersichtlichkeit des Internets und der damit verbundenen Frage, was wichtig ist oder nicht, kommt dem Literaturteil einer Zeitung dann eine noch eminentere Bedeutung zu.

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