Das Autorengespräch Peter Gerdes über seine Rollen – ist er Autor, Buchhändler oder Gastronom?

Peter Gerdes (Foto) ist als Mitinhaber der Krimi-Buchhandlung Tatort Taraxacum mit angeschlossenem Krimi-Restaurant in der historischen Altstadt von Leer (Ostfriesland), Gründer und Leiter des Festivals Ostfriesische Krimitage und Autor von 14 regionalen Kriminalromanen sowie Herausgeber zahlreicher Anthologien.

Zuletzt erschien von ihm der Krimi Langeooger Serientester im Leda Verlag. Das war Anlass für unser Gespräch:

BuchMarkt: Herr Gerdes – sind Sie Autor? Oder Buchhändler? Oder Gastronom?

Peter Gerdes:
Es gibt kein Ligen-System
für Krimis

Peter Gerdes: Zu allererst bin ich Autor, dann Kulturveranstalter – aber es macht schon Spaß, auch auf anderen Ebenen dafür zu sorgen, dass Bücher an die Leser kommen. Denn das ist das Ziel aller meiner Aktivitäten. Den Buchladen und das Restaurant betreibt übrigens vor allem meine Frau Heike. Ich mische dort nur mit, wenn es um Krimi-Events oder Konzerte geht.

Also fühlen Sie sich am wohlsten in der Rolle des Autors. In Ihren neuesten Band „Langeooger Serientester“ sind Ihre Erfahrungen als „Fernseh-Star“ eingeflossen. Worum geht es dabei? Und wen stellen Sie sich als Leser vor?

Eine TV-Produktionsgesellschaft fragte bei uns an, ob wir uns nicht mit unserem Krimi-Konzept an einer Ostfriesland-Folge der Serie „Mein Lokal, dein Lokal“ auf Kabel 1 beteiligen wollten. Da unser Restaurant „Tatort Taraxacum“ noch relativ jung war und Werbung gut gebrauchen konnte, sagten wir zu – und als es darum ging, wer von uns denn vor die Kamera geht, fiel die Wahl auf mich. Na ja, ich gebe zu, dass ich mich nicht lange gesträubt habe … Es waren dann sechs Drehtage, die meisten davon sehr lang und anstrengend. Aber es gab eben auch viel Neues zu beobachten, viele Eindrücke zu sammeln, viele Blicke hinter die TV-Kulissen und natürlich spannende Gruppenprozesse. Mir war bald klar, dass ich daraus unbedingt einen Krimi machen musste, um all das auch zu nutzen. Weil ich jedoch das wahre Geschehen deutlich überspitzen musste, um eine Krimi-Handlung zu bekommen, habe ich alles auf die Insel Langeoog verlegt. So kann ich guten Gewissens sagen, dass alles frei erfunden ist – und das Wahre dahinter zumindest verfremdet.
Es ist ein lustiges und turbulentes Buch geworden, das sicher nicht nur für kulinarisch Interessierte oder Fans von Restauranttester-Sendungen ein schöner Lesestoff ist. Natürlich auch für Langeoog-Freunde und Ostfriesland-Fans allgemein.

Eine ganz praktische Frage: Mir welchem Argument lassen sich Ihre Krimis – und auch der – am besten verkaufen?

Meine Krimis sind sehr unterschiedlich. Thema, Tiefgang und Stimmung hängen (trotz meist identischer Ermittler) davon ab, was mich gerade bewegt, emotional, aber auch vom Kopf her. Manchmal verwirrt das die Leser, aber es ist ein Luxus, den ich mir leiste, um authentisch zu bleiben. Ich hänge nun mal dem „Sozio-Krimi“ an. Meine Bücher sind also immer auch Spiegel unserer Zeit. Individuell gebrochen – aber eben auch regional. Was überhaupt nicht mit platt zu verwechseln ist. Natürlich gibt es eine Inflation von platten Küstenkrimis. Der wahre Regionalkrimi aber arbeitet „pars pro toto“, er zeigt also an einem kleinen Ausschnitt, den er besonders intensiv be- und durchleuchtet, aktuelle Tendenzen und Strömungen auf, die uns alle betreffen.
Okay – manchmal reicht als Verkaufsargument auch, dass meine Krimis ziemlich humorvoll sind. Mancher weniger, der letzte aber wieder mehr.

Und an wen? Ihre Themen sind ja nicht immer unpolitische, wenn ich an Band 13 denke.

Wer jeden aktuellen Bezug vermeidet, ist als Autor dennoch nicht unpoltisch, weil er die Leute zum Eskapismus anhält und sie von der Teilhabe an politischen Prozessen ablenkt. Man kann aber auch sehr gut unterhalten, ohne das zu tun! Nichts ist spannender als das, was sich in der Welt um uns herum abspielt. Je näher, desto intensiver kann Spannung aufgebaut werden. Entscheidend ist die Wahl des richtigen Ausschnitts. Und natürlich die richtige Mischung aus Spannung und Humor. Leute, die das schätzen, sind als Leser bei mit richtig.

Wann kommen Sie überhaupt zum Schreiben, wenn ich lese, was Sie so alles (noch) machen?

Tja, das fragen mich manche … Trotzdem habe ich gar nicht das Gefühl, so ein fleißiger Schreiber zu sein. Ich brauche immer einige Zeit, um meine Gedanken und Ideen zu sammeln, ehe ich sie dann zu Papier bringe. Wirklich schreiben kann ich also nur wenige Stunden am Tag. Da bietet es sich an, die restliche Zeit mit Dingen zu verbringen, die irgendwie mit meinem Kerngeschäft zu tun haben. Dabei entstehen ja auch immer wieder neue Eindrücke, die mich weiter bringen.

Gibt es überhaupt noch Krimis, die n i c h t regional sind?

Na ja, jeder Krimi spielt ja irgendwo, also in irgendeiner Region … Aber es gibt natürlich eine Menge Autoren, die ihre Krimis thematisch ganz anders anlegen. Wobei man eben auch ein weltpolitisches Thema wie den islamistischen Terrorismus durchaus regional behandeln kann, wie ich es in „Ostfriesische Verhältnisse“ getan habe. Auf jeden Fall ist es Unsinn, aus regional und nicht regional so etwas wie ein Ligen-System ableiten zu wollen. In allen Sub-Genres des Krimis gibt es gute und schlechte Bücher. Regional wie überregional.

Aber es ist ja nicht nur die Konkurrenz von Verlagsseite, die den Markt überschwemmt, sondern auch die Self-Publisher?

Tja, da habe ich sehr gemischte Gefühle. Früher, als ich noch politische Gedichte

Durch Klick auf Cover
zum Leda-Verlag

geschrieben habe, die kein Verlag wollte, habe ich mich darüber geärgert, dass es da eine Instanz gibt, die unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten entscheiden kann, was auf den Markt kommt und was nicht. Dass es dabei natürlich auch um inhaltliche und formale Qualität geht, wollte ich nicht wahr haben. Ich habe seinerzeit das Problem für mich gelöst, indem ich den Gedichtband im Selbstverlag herausgab. Später lernte ich dann, Verlage höher zu schätzen. Ein vernünftiges Lektorat macht jeden Text besser! Testleser sind gut und schön, können das aber nicht leisten.

Heute haben abgelehnte Autoren durch BoD und E-Book ganz andere Möglichkeiten…

…ja, und damit viel geringere Kosten, an Leser zu kommen. Aber weil die Kosten so gering sind, werden oft auch nur Dumpingpreise verlangt, die das, was Verlage anbieten können, weit unterbieten. So kommt eine Menge zweitklassiges, quasi ungewaschenes Zeug unter die Leute, das auf Dauer auch dem Ruf des Regionalkrimis insgesamt schaden kann.

Ihr nächstes Projekt?

Ganz was anderes – wieder einmal. Ostfriesland in der Zukunft, 50 Jahre nach der Apokalypse, deren Ursachen teilweise im Dunkeln liegen. Die Region ist stark entvölkert, die Überlebenden organisieren sich auf die verschiedensten Weisen – basisdemokratisch, feudal, religiös, nach Geschlecht und auch völlig anders. Zum ersten Mal seit Ausbruch des Chaos gibt es wieder so etwas wie einen Ordnungshüter (da kommt der Krimi ins Spiel), der versucht, unter diesen Bedigungen einen Verbrecher unschädlich zu machen. Ich muss gestehen, dass ich momentan davon selber ganz fasziniert bin. Das Schreiben ist wieder ein großes Abenteuer!

Die Fragen stellte Christian von Zittwitz.

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