Das Sonntagsgespräch Norbert Schaepe: Warum Vertreter unersetzbar sind und wie sich ihre Arbeit auf neue Weise finanzierbar gestalten lässt

Norbert Schaepe

Norbert Schaepe ist gelernter Buchhändler und war auch schon als Verlagsvertreter unterwegs. Nach Stationen als Verkaufs- und Vertriebsleiter bei Ullstein, Ravensburger sowie Hoffmann und Campe war er fast zehn Jahre lang als Leiter Marketing und Vertrieb für die Aufbau Verlagsgruppe tätig, danach als Geschäftsführer im Bund-Verlag. Seit 2006 ist er als Verlagsberater selbständig.

BECKMANN: Wann ist eigentlich erstmals die Rede davon gewesen, dass Verlagsvertreter ein Beruf ohne Zukunft sei? Inzwischen scheint es für viele festzustehen, dass der Verlagsvertreter ein Auslaufmodell ist. Was sagen Sie dazu?

SCHAEPE: Diesen Schnack gibt es schon sehr lange. Wahrscheinlich hat er richtig Fahrt aufgenommen, als Hugendubel seinen Einkauf auf Barsortiment und Zentrallager umstellte. Ich halte diese These allerdings für grundfalsch, und die Praxis gibt mir recht.

Oder kennen Sie – wir reden jetzt vorrangig über Publikumsverlage, nicht über Fachinformationen – einen einzigen relevanten Verlag, der seitdem seinen Außendienst abgeschafft hätte? Andererseits gibt es für die freien Handelsvertreter und die zugehörigen Verlage durchaus eine Krise, die von der Diskussionsrunde im „BuchMarkt“-Juliheft recht treffend dargestellt wurde.

BECKMANN: Die Buchhandelslandschaft hat einen Strukturwandel durchgemacht, so gravierend und zuletzt mit solchem Tempo, dass manchmal der Eindruck vorherrscht, die Diskussion stehe heute ganz im Zeichen der Beziehungen von Verlagen zu Großfilialisten und Ketten. Entspricht das der Realität? Spielt der unabhängige mittlere und kleine Buchhandel wirklich eine fast zu vernachlässigende Rolle?

SCHAEPE: Nein. Denn jeder Verlag wünscht sich doch nicht nur möglichst viele, sondern auch eine möglichst große Vielfalt von Händlern, die ihm hilft, seine Zielgruppen zu erreichen. Die Fakten sind bekannt und, soweit ich das sehe, auch unstrittig: Die Großen haben ihren Marktanteil dramatisch erhöht und werden noch weiter wachsen. Die Kleinen bleiben klein, aber überlebensfähig, wenn sie an ihrem Standort und/oder in ihrer thematischen Nische ein tragfähiges Konzept entwickeln.

Das Mittelfeld steht am stärksten unter Druck und muss entweder selber wachsen oder weichen. Das alles ändert zwar das Arbeitsumfeld und die Struktur der Vertreterarbeit, aber doch nicht ihre wesentliche Aufgabe: eine Kommunikation zwischen dem Verlag und seinen Handelspartnern herzustellen. Kein Mensch in den Verlagen schickt Leute über Land, um Bestellzahlen einzusammeln, die elektronisch übermittelt werden können. Und kein Buchhändler setzt sich für eine oder mehrere Stunden mit diesen Leuten hin, wenn es dabei nichts zu erfahren gäbe. Da findet doch eine gegenseitige Information und Überzeugungsarbeit statt, von der letztlich beide profitieren.

BECKMANN: Was Filialisten, Ketten und zum Teil auch Großbuchhandlungen betrifft, so tätigen sie ihren Einkauf aber weitgehend zentral, also in Direktverhandlungen mit Vertriebsleitern und Key-Accountern. Wozu braucht es da noch Vertreter?

SCHAEPE: Auf diese Situation haben sich die Verlage, namentlich die größeren, längst eingestellt, indem sie die Betreuung dieser Kunden hausintern wesentlich ausgebaut und spezifiziert haben. Teilweise sind die Vertreterteams verkleinert und dafür neue Verkaufsleiterstellen geschaffen worden. Trotzdem: Dadurch wird ja die Kommunikation vor Ort keineswegs überflüssig. Die Vereinbarungen mit der Zentrale sind eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für den Vertriebserfolg des Verlages. Zusätzlich bedarf es der Umsetzung durch den Kontakt mit den Menschen auf allen Ebenen in diesem Buchhandelhandelsbereich: Filialleiter, Etagenleiter, Warengruppenleiter, Abteilungsleiter, Werbeleute, Veranstaltungsmanager etc.

Wenn niemand im Verlag mit diesen Menschen spricht – weil man sie gar nicht kennt – , bleibt Vieles auf der Strecke und das ist doch ein klarer Wettbewerbsnachteil. Was nützt es mir denn als Verlag, wenn ich eine noch so tolle – und dann meistens auch teure – Werbeaktion mit der händlerischen Zentrale vereinbare aber nicht erfahre, wie sie in den Filialen umgesetzt wird.

BECKMANN: Das gängige Bild des Reisenden ist freilich noch durch das traditionelle Profil des freien Handelsvertreters als Verkäufer geprägt, der die Titelangebote von ein bis zwei „Türöffner“-Verlagen in der Tasche hat und drei bis vier, manchmal auch ein Dutzend oder mehr Klein- und Kleinstverlage mitnimmt. Entspricht dieses Bild überhaupt noch der Wirklichkeit?

SCHAEPE: Sicher gibt es auch diesen Typ noch. Er ist aber durch den Strukturwandel in eine praktische und finanzielle Klemme geraten und wird deshalb zum Auslaufmodell. Aus diesem Grund haben doch fast alle größeren Verlage längst angestellte Außendienstmitarbeiter, oder sie haben dem ähnliche Exklusivmodelle entwickelt.

BECKMANN: Ich sehe trotzdem nicht, wie der freie Handelsvertreter zum Auslaufmodell werden könnte. Angestellte Reisende können sich kleinere Verlage doch überhaupt nicht leisten.

SCHAEPE: Richtig, darum müssen wir über Alternativen neu nachdenken. Das Problem besteht doch für viele Verlage darin, dass sie keinen oder keinen kontinuierlichen Zugang zu den Zentralen der Handelsketten haben – und das ist meist keine Frage des Programms, sondern vorrangig einfach eine Frage der Größenordnung. Als Folge stehen ihre Vertreter beim Besuch der Filialen von vornherein auf verlorenem Posten.

Der Plan des Independent Day der Mayerschen zeigt zwar, dass es auch bei den Filialisten mittlerweile ein Nachdenken über die Notwendigkeit von mehr Vielfalt im Angebot und über kaufkräftige Zielgruppen jenseits des Massenmarktes gibt. Aber die kleineren Verlage können eigentlich nicht warten, bis sie von Filialisten vielleicht mal eine Einladung zur Vorstellung ihres Programms erhalten, schließlich schrumpft die Zahl der unabhängigen Sortimente weiter deutlich. Also müssen die Verlage von sich aus an dieser Front aktiv werden.

BECKMANN: Einverstanden. Aber damit ist ja das Problem nicht gelöst. Die kleineren Verlage werden stark auf den unabhängigen Buchhandel und damit auf freie Handelsvertreter angewiesen bleiben.

SCHAEPE: Richtig. Deshalb ist es umso dringlicher, ein neues Provisionsmodell zu finden. Darauf hat ja mit Recht die Diskussionsrunde freier Handelsvertreter aufmerksam gemacht, über die „BuchMarkt“ im Juliheft berichtete. Denn wenn künftig ein – hoffentlich beträchtlicher – Teil der Verkäufe solcher Verlage an Filialisten etc. durch die Vertriebsleiter, also direkt, getätigt werden, entfallen Provisionen für die Vertreter – bei hohen Barsortimentsumsätzen erleiden sie ja auch schon Einkommensverluste.

BECKMANN: Die Aufgaben und Pflichten der Vertreter werden dadurch aber nicht weniger …

SCHAEPE: … Weshalb sie ein neues Provisionsmodell fordern, damit sie diese notwendigen – aber nicht eigens honorierten – Aufgaben weiter ausüben können. Zumal auch ihre Kosten steigen, und auch sie müssen schließlich ihren Lebensunterhalt verdienen. Das heißt nun aber: Die freien Vertreter fordern für sich im Grunde eine gleich hohe Provisionierung für alle V. Wenn man „Bündeln“ nicht n=“show“

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