Das Sonntagsgespräch Nikolaus Hansen über den Übersetzerpreis der Heinrich Maria Ledig-Rowohlt Stiftung

Die Heinrich Maria Ledig-Rowohlt Stiftung hat vorgestern zum 19. mal drei hochdotierte Übersetzerpreise verliehen.

Das war Anlass für Fragen an Nikolaus Hansen, den Jury Vorsitzenden und Verleger von Arche und Atrium:

Warum?

Zunächst einmal gibt es einen Stiftungszweck, der in der Satzung festgeschrieben ist: „Ausschließlicher und unmittelbarer Zweck der Stiftung ist die Förderung

Nikolaus Hansen:
Der Preis ist eine Chance
auf Rückkehr zum Dialog

deutschsprachiger Literaturübersetzer, insbesondere die Ausschreibung eines jährlich zu vergebenden ‚Heinrich Maria Ledig-Rowohlt Preises‘ „.

Wie finanziert sich die Stiftung?

Jane Ledig-Rowohlt, die Frau Ledigs, hatte diesem zwar zu Lebzeiten häufiger vorgeschlagen, einen Übersetzerpreis zu stiften; sie selbst, aus wohlhabendem Hause und entsprechend sparsam erzogen, hatte aber keinen finanziellen Beitrag leisten wollen zu einem solchen Preis. Nach Ledigs Tod im Jahre 1992 allerdings wurde in ihrem Auftrag das grosse Gemälde von Wolf Vostell, das im Foyer des Rowohlt-Verlagsgebäudes in Reinbek hing, ans Folkwang Museum verkauft – der Erlös bildete den finanziellen Grundstock der Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Stiftung, den Jane durch eine zusätzliche Dotation ergänzte.

Die Arbeit von Übersetzern wurde damals eher selten gewürdigt, erst jetzt gibt es ja langsam ein Umdenken…

Ledig selbst hatte ein ’nahes‘ professionelles Verhältnis zum Übersetzen, aber auch ein ‚übergeordnetes‘, gesellschaftspolitisches Verhältnis: Um ersteres zu illustrieren, mag ein Zitat aus einem Brief Ledigs an den Pynchon-Übersetzer Thomas Piltz dienen: „Im Rahmen meiner verlegerischen Arbeit bin ich von jeher an Übersetzungen und ihren Problemen ganz besonders interessiert, und da ich auch selber einiges übertragen habe, weiß ich Ihre Leistung voll und ganz zu würdigen.“ Die andere, die gesellschaftspolitische Bedeutung von Übersetzungen spiegelt sich nicht nur auf eindrucksvolle Weise im Programm des Rowohlt Verlages unter Ledigs Leitung wieder, sondern auch in seinen persönlichen engen Freundschaften zu englischen und amerikanischen Schriftstellern von Lawrence Durrell über Vladimir Nabokov bis hin zu John Updike.

Würde heute solch ein Preis von Verlegern noch einmal ausgesetzt werden? Zwischen Übersetzern und Verlegern schwelt es doch.

Zumindest ist meines Wissens ein vergleichbarer Preis seit 1992 nicht mehr neu ausgesetzt worden. Das mag mit der fortschreitenden Verlagerung der Unternehmensführung im Verlagswesen von Eigentümer-Geschäftsführern auf angestellte Manager zusammenhängen, das mag aber auch auf die Spannungen zwischen Verlagen und Übersetzern zurückzuführen sein. Wie dem auch sei, nach meinem Dafürhalten muss man solche Preise als Chance sehen.

Wozu?

Gerade in Zeiten, in denen Auseinandersetzungen und Meinungsverschiedenheiten das Verhältnis zwischen Verlagen und Übersetzern prägen, bietet ein Preis, von einem Verleger für die Übersetzer gestiftet, immer wieder von Neuem die Chance auf Rückkehr zum Dialog. So habe ich es auch stets als eine besonders kluge und weitsichtige und großherzige Geste der Übersetzer empfunden, dass sie im Jahre 2001, als die später aufgebrochenen Konflikte bereits zu erahnen waren, mit der Übersetzerbarke einen Preis von den Übersetzern an „übersetzerfreundliche“ Verleger ausgesetzt haben. Übersetzer und Verleger müssen auch in Zukunft miteinander auskommen – wenn sich die Fronten verhärten und der Dialog nicht mehr führbar ist, der letztendlich in der Anerkennung der gegenseitigen Leistungen und Sorgen mündet, ist damit niemandem gedient.

Vorgestern, bei der Preisverleihung selbst, war wenig von mangelnder Dialogbereitschaft zu spüren…

… darauf sind wir auch ein wenig stolz. Ja, unsere Gästeliste bei der Preisverleihung des HMLR-Preises alljährlich auf der Frankfurter Buchmesse zeigt, wie integrativ ein

„Ein liebender Übersetzer“
Dieser Band über die Arbeit
der Stiftung erschien 2001

solcher Preis wirken kann. Da finden sich neben den Preisträgern und ihren Laudatoren Verleger und Agenten aus aller Welt neben Journalisten und den Vorsitzenden des Übersetzerverbandes. Mit anderen Worten: Bei diesem Anlass zu Ehren von drei preisgekrönten Übersetzern können sich alle Seiten auf nationaler und internationaler Ebene über Sorgen und Probleme im Verhälltnis zwischen Übersetzern und Verlegern austauschen, aber auch über intelligente und originelle Lösungsmöglichkeiten.

Das hört sich sehr akademisch an…

… ist es aber nicht. Das geht nämlich so weit, dass am Rande unserer Preisverleihungen schon verschiedentlich Gespräche zwischen internationalen Agenten einerseits und deutschen Verlegern und Übersetzern andererseits über eine Beteiligung des zu übersetzenden Autors an den Übersetzungskosten auf dem Wege eines teilweisen Honorarverzichts stattgefunden haben.

Grundsätzlich scheinen die Fronten zumindest aus Verlagsicht ziemlich verhärtet…

Sie sind an den Stellen verhärtet, wo an die Stelle eines Austausches im oben skizzierten Sinne die Konfrontation getreten ist, ausgelöst vom Gesetzgeber und dann praktiziert von Anwälten und Gerichten. In den letzten Jahren ist es in der Tat so, dass bei den Preisverleihungen oft mehr Pozellan gekittet wird, als dass kühne Visionen formuliert werden. Aber damit gebe ich mich nicht zufrieden – die Chance, diese Preisverleihungen und diese Preise für den Dialog und für die Entwicklung neuer Ideen zur Gestaltung des Verhältnisses zwischern Verlegern und Übersetzern zu nutzen, wird nicht leichtfertig verspielt. Dafür werde ich sorgen.

Ein großes Wort, sehen Sie denn Lösungsansätze?

Natürlich sehe ich Lösungsansätze, und die werden auch versuchsweise uns ansatzweise von verschiedenen Verlagen und Übersetzern bereits praktiziert oder ausprobiert – aber es würde sowohl den hiesigen Rahmen sprengen als auch die laufenden Projekte stören, würde ich das hier jetzt im Detail ausbreiten. Eines lässt sich aber generell sagen: Indem der Übersetzer stärker am Erfolg eines von ihm übersetzten Buches beteiligt ist, ist er auch – ähnlich dem Autor – stärker in der Pflicht, den Verkaufserfolg des Buches zu befördern – das kann auf vielfältige Weise geschehen – wir sind darüber mit vielen Übersetzern im Gespräch.

Auch die oben bereits angesprochene Beteiligung des Autors über Honorarverzicht an den Übersetzungskosten ist ein ernst zu nehmendes Modell?

Ja, bei dem allerdings viele Parteien an einen Tisch müssen. Aber die Sache ist in Bewegung, nicht zuletzt dank der wieder wachsenden Dialogbereitschaft aller Parteien. Ich bin optimistisch, dass wir die Konflikte aus der Welt schaffen werden.
Die Fragen stellte Christian von Zittwitz

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