Veit Heinichen über seine neue "knallneurotische" Protagonistin und seinen neuen Triest-Thriller „Borderless ist nichts für Märchentanten“

Veit Heinichen: „Wer Europa aus einer ganz neuen Sicht erfahren will, wer neben aller Action auch die psychologischen Beweggegründe der Protagonisten sucht, der wird ‚Borderless‘ nicht mehr aus der Hand legen, bevor er auf der letzten Seite angekommen ist“ (c) MassimoGoina.com

Vor wenigen Tagen ist bei Piper mit Borderless ein neuer Thriller von Veit Heinichen erschienen. Alles wie gehabt? Nein – Veit Heinichen gibt seinem Protagonisten Commissario Proteo Laurenti eine Auszeit. Warum? Das war Anlass für unsere Fragen: 

Kurze erste Frage, die Buchhändlern helfen soll  zu verkaufen: Worum geht es in Borderless?
Veit Heinichen: Borderless ist ein brisanter Politthriller von großer Aktualität. Sein Titel ist Programm,  seine Reichweite geht vom Kanzleramtsminister in Berlin über den BND in Pullach, Salzburg und Kärnten bis ins Innenminsterium in Rom, dazu Triest und sein Umland, Rijeka, Zagreb, von Europa bis hin zur türkisch-syrischen Grenz- und Hafenstadt Iskenderun. Die tragische Grundlage beleuchtet die deutsche Rolle bei der Neugestaltung des Balkans, der Jugoslawien-Kriege, Waffenexporte, Überbestände aus dem Bosnienkrieg werden heimlich unter Ägide des BND nach Syrien verschifft, Flüchtlingstransporte erreichen Westeuropa. Bei der markanten, knallneurotischen Protagonistin, Xenia Zannier, laufen die Fäden internationaler Gegenspieler zusammen.
Und wem kann man den Thriller mit welchem Argument am besten verkaufen?
Wer literarische Hochspannung auf der Basis jahrelanger Recherchen liebt, wer sich für eine kantige Protagonistin fesseln lässt, wer Europa aus einer ganz neuen Sicht erfahren will, wer neben aller Action auch die psychologischen Beweggegründe der Protagonisten sucht, der wird Borderless nicht mehr aus der Hand legen, bevor er auf der letzten Seite angekommen ist. Nichts für Märchentanten.
Und wie erklärt man dem Kunden, der „seinen“ vertrauten Heinichen kaufen will, dass diesmal Commissario Proteo Laurenti von einer „knallneurotischen Protagonistin“ abgelöst wird?
Am besten so: „Auch wenn der bewährte Commissario Proteo Laurenti eie Runde aussetzen muss, bleiben Heinichens akribische Recherchen und sein scharfer Blick auf Geschichte und Gegenwart Europas die Basis. Mit Xenia Zannier hat eine neue Protagonistin die Bühne betreten, die übrigens aus Laurentis Schule kommt“.
Durch Klick auf Cover zur Webseite von Veit Heinichen

Ich erinnere mich an Proteo Laurentis Affaire mit ihr. Aber Triest und die typischen Heinchen Themen bleiben?

Die geopolitsch strategische Position Triests in Zentraleruropa und im Mittelmeerraum kann nicht übergangen werden. Ob dumpfer, fremden- und europafeindlicher Populismus oder die Verstrickung von Politik, Wirtschaft und Organisiertem Verbrechen beleuchtet werden, die grenzüberschreitend (Borderless) an den Gesetzen vorbei die Demokratie auszuhebeln versuchen und zwar von Nord- bis Südeuropa. Es sind immer Menschen, die diese dreckigen Machenschaften zu unser aller Lasten betreiben. Ihre Motivation, ihre Abgründe stehen im Zentrum, samt der Konsequenzen.
Veit, Du warst ja schon vor Deiner Schriftstellerkariere sehr eng mit der Buchbranche vernetzt, zuletzt als Verlagsleiter des Berlin Verlages an der Seite von Dr. Arnulf Conradi. Hast Du von Triest aus noch Kontakt zur Branche?
Es sind nun weit mehr als zwanzig Jahre verstrichen, seit ich die Seite des Schreibtischs wechselte. Einige enge alte Freundschaften sind geblieben, ansonsten beschränkt sich mein Branchenkontakt auf die Zusammenarbeit mit meinem phantastischen jungen Lektor Hannes Ulbrich bei Piper und einige seiner Kolleginnen. Und dann natürlich der Buchhandel, wenn ich auf Tournee bin, um ein neues Buch vorzustellen. Es ist immer eine Freude, den ungebrochenen Idealismus im Handel wieder zu entdecken.
Wie sieht Du die Entwicklung derzeit in der Buchbranche?
Bin leider kein Hellseher, und gejammert wurde schon immer… Aber gelesen wird immer werden und hoffentlich lange noch auf Papier. Allein die dazu zur Verfügung stehende Zeit wird durch die Digitalisierung leider immer knapper. Trotz vieler Vorzüge bereitet das Sorgen.
Läuft Italien anders?
Ich werde in Italien von Anfang an von einem unabhängigen, sehr feinen und erfolgreichen Verlag, der Edizioni E/O in Rom, verlegt (Ferrante etc.), habe mit Monica Pesetti eine tolle Übersetzerin, somit stimmen die Grundlagen. Ansonsten kämpft der italienische Buchmarkt auch und leider auf einer mit 60 Millionen kleinerern Bevölkerung. Gute Veranstaltungen ziehen aber ein Riesenpubiikum an, was liest und kauft. Und dann gibt es noch hochkarätigen Literaturpreise, die große Beachtung finden. Insofern ist lediglich die Struktur etwas anders, die Löcher in sehr ländlichen Gebieten haben auch in Deutschland Parallelen.
Die Fragen stellte Cjristian von Zittwitz
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