Dr. Reinhilde Ruprecht über den Evangelischen Medientag 2019, das Verhältnis von Kirche und Digitalisierung und "Roadshow Religion" — eine Schulung für Buchhändler „Wir wollen Mut und Lust machen, mit der Warengruppe Religion mehr Umsatz zu machen“

Dr.Reinhilde Ruprecht

Der Evangelische Medientag 2019 steht vor der Tür. In diesem Jahr spielt das Verhältnis von Kirche und Digitalisierung eine Rolle, weshalb das Motto lautet „Digital. Kirche. Sein“. Wir sprachen dazu mit Dr.Reinhilde Ruprecht, Verlegerin der Edition Ruprecht in Göttingen und in der Buchbranche seit Jahrzehnten vielfach ehrenamtlich engagiert, ob in der (lange aufgelösten) Arbeitsgruppe Piraterie des Börsenvereins, als IHK-Prüferin für ihren Landesverband, in der Interessengemeinschaft Wissenschaftliche Bibliotheken oder für unser heutiges Gespräch als stellvertretende Vorsitzende des Evangelischen Medienverbands in Deutschland (EMVD).

BuchMarkt: Frau Ruprecht, wie ist es denn, das Verhältnis?

Dr. Reinhilde Ruprecht: Am 26. September ist in Berlin Evangelischer Medientag mit Johanna Haberer, Journalistin und Professorin für Christliche Publizistik, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Dennis Horn, Digitalexperte der ARD, Journalist und Medienberater, Dormagen, Stephan Scherzer, Hauptgeschäftsführer Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ), Berlin; Christian Sterzik, Leiter Stabsstelle Digitalisierung, Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), Hannover; Carmen Udina, Leitung Business Development Kooperationen, Verlagsgruppe Oetinger, Hamburg

Sie sehen, die meisten ReferentInnen sind beruflich gar nicht im Raum der Kirche tätig, sodass wir Einblicke in ganz unterschiedliche Felder bekommen werden, ob das nun die öffentlich-rechtlichen Sender sind bei Dennis Horn, die Periodika bei Stefan Scherzer oder die eBooks bei Carmen Udina. Ich bin sehr gespannt, wie und worüber wir ins Gespräch kommen. Das Verhältnis von Kirche und Digitalisierung kommt da sicher nicht zu kurz.

Glauben Sie, dass die Kirche zu wenig Öffentlichkeitsarbeit im Internet und auf den sozialen Plattformen leistet?

Gilt das nicht für uns in der Buchbranche ebenfalls? Immer zu wenig? An vielen Stellen in der Kirche ist diese Arbeit ebenso großartig wie an vielen Stellen in der Buchbranche, denn sie geschieht mit großem Engagement, Begabung, und nach den Maßstäben des Internets (Follower, Klickzahlen, Medienpreise) ausgesprochen erfolgreich. Anderswo ist es bescheiden oder peinlich. Wir hatten mal eine Schülerpraktikantin, die für ein Buch, das in verschiedenen Gottesdiensten an unterschiedlichen Orten eingeführt wurde, am ersten Tag des Praktikums die Anfangszeiten der Gottesdienste recherchieren musste, damit wir das jeweils der Presse mitteilen konnten. Für sie war es eine tolle Aufgabe, von der sie drei Tage später ihrer Lehrerin beim Praktikumsbesuch begeistert erzählte, bei mir hat es immer gekribbelt, wenn sie wieder sagte „Steht da nur für vor zwei Monaten, ich schreibe also eine eMail“ …

Stichwort „Schüler-Praktikum“: Können die „Instagram-Kids“ heutzutage überhaupt noch mit religiösen Schwerpunkten/Büchern erreicht werden?

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Klar! Zur Jugend- und Konfi-Arbeit gehört Instagram an vielen Orten dazu, das Hashtag #Jugendkirche hatte am Donnerstag 3965 Beiträge bei Instagram, #Verlagsleben hat 3444. Also vergleichbar. Wir haben letzte Woche #Verlagsleben und #DigitaleKirche verbunden! In der Instagram-Challenge einer Berliner Pastorin, für jeden Tag im September ein Hashtag. Bei #leuchtet ist auch ein Buch von Edition Ruprecht vorgestellt, mit kurzem Auszug und natürlich dem schicken Cover  Für Beiträge von „Instagram-Kids“ einfach bei #TheresaLiebtSeptember stöbern. Und was die Bücher angeht: Als die Lutherbibel 2017 herauskam, gab es bei mir in Freundeskreis und Familie zufällig gerade fünf Jungs im Konfirmandenunterricht, sehr unterschiedlich im Hinblick aufs Lesen, auf die Religion, auf die Handynutzung. Ich habe eine „Großbestellung“ bei der Deutschen Bibelgesellschaft gestartet und allen eine gedruckte Bibel geschenkt, wir sind natürlich vorher ins Gespräch gekommen über die Farbe des Einbands, die Option, dass ein Bildteil dabei ist und Informationen aus der Kirchengeschichte und die Bibel an sich. Das waren tolle Gespräche!

Um welche Themen geht es darüber hinaus auf dem Evangelischen Medientag?

„Uns interessiert besonders, welche speziellen Anforderungen und Trends Sie sehen in der Digitalisierung und den Medien bzw. den Arbeitsbereichen, die Sie vertreten und wie Sie damit umgehen (best practice). Und idealerweise haben Sie vielleicht ein paar persönliche Stichworte, was Kirche und ihre Medien im digitalen Zeitalter beherzigen und umsetzen sollten.“ – das haben wir gerade allen ReferentInnen geschrieben.

Wir sprachen gerade darüber, dass es immer schwieriger wird, auch für Buchhändlerinnen und Buchhändler, religiöse Literatur zu verkaufen. Wieso?

Nicht nur religiöse Bücher sind schwierig zu verkaufen, das Buchangebot allgemein ist leider oft nicht mehr sehr vielfältig in Zeiten, wo es immer mehr Filialen von großen Ketten gibt in unseren Städten. Bei Themen wie Religion (aber z.B. auch bei manchen Ratgeber-Themen) kommt noch dazu, dass Beratung und Kundengespräche dazu schwerer fallen als zum neuen Roman einer Lieblingsautorin, bei dem die eigene Begeisterung schnell überspringt.

Sind die BuchhändlerInnen selbst also nicht richtig geschult?

Das würde ich nicht sagen, die Ausbildung ist in ganz vielen Betrieben, in den Berufsschulen und auf dem Mediacampus wirklich umfassend, ich habe mich als Prüferin auch schon mal damit bedankt, dass ich sagte „Das Prüfungsgespräch hat mir wirklich Spaß gemacht, vielen Dank für Ihre Vorbereitung. Wir beraten uns jetzt noch über die Zensur, bitte gehen Sie kurz raus.“ Aber natürlich müssen die Azubis Schwerpunkte bilden, auch im Hinblick auf das Angebot der eigenen Ausbildungsfirma, die vielleicht gerade mal einen Thementisch Erstkommunion/Konfirmation im Frühjahr schafft, aber sonst wenig mit religiösen Büchern macht.

Mit einer „Roadshow Religion“ soll diesem Problem der Zurückhaltung beim religiösen Buch entgegengewirkt werden. Was genau können wir uns darunter vorstellen?

Die Roadshow Religion hat verschiedene Stationen in den Landesverbänden des Börsenvereins. Mitveranstalter sind die konfessionellen Verbände, also wir vom EMVD, der Katholische Medienverband (KM.) und die Vereinigung evangelischer Buchhändler und Verleger (VEB). Die Schwerpunkte der Abendveranstaltungen sind unterschiedlich, wobei es natürlich überall um Basisinformationen geht, ob nun zu den Zielgruppen, den Anlässen oder den Ideen für Aktionen mit diesen Büchern.

Eine Schulung für BuchhändlerInnen also?

Ganz genau, ob sie nun in einer Buchhandlung mit ganz anderen Sortiment arbeiten oder schon Veranstaltungen mit Kirchen in ihrer Stadt anbieten, zum Schuljahresbeginn gerade einen Klassensatz Religionsbücher, Konfirmandenmaterial oder Bibeln verkauft haben, oder einfach nur nachdenken, was für Bücher die Generation 60+ im Laden auch noch gerne mitnimmt: vielleicht nicht nur den Wanderführer sondern auch den Pilgerführer, nicht nur den Enkelratgeber sondern auch den Trauerratgeber.

Wo startet dieses Projekt der „Roadshow Religion“?

Es geht los in der Buchhandlung an der Marktkirche in Hannover, und zwar am 30.09.2019 um 19:30 Uhr. Ganz herzliche Einladung, deshalb ein Foto, auf dem schon Stühle gestellt sind.

Die Stühle stehen bereits: Die Buchhandlung an der Marktkirche in Hannover ist bereit (c) Ulrike Landt

Aus unserem Landesverband Nord und darüber hinaus kommen einige Verlagsleute zu diesem „Regionaltreffen“ und freuen sich auf den Austausch mit den SortimenterInnen. Natürlich gibt es etwas zu essen, und natürlich auch ein paar Buchgeschenke zum Mitnehmen und Weiterlesen nach der Veranstaltung.

Was ist das zentrale Ziel?

Wir wollen Mut machen und Lust, mit der Warengruppe Religion mehr Umsatz zu erzielen. Auch in Zusammenarbeit mit kirchlichen Einrichtungen vor Ort lassen sich Menschen in die Buchhandlung locken. Gerade ist z.B. dieser Kopf im Schaufenster der Buchhandlung an der Marktkirche zu sehen, für ein Projekt des Diakonischen Werks der evangelischen Kirche mit Obdachlosen: „Kunst trotz(t) Ausgrenzung

Schaufenster-Aktion zum Projekt „Kunst trotz(t) Ausgrenzung“ (c) Ulrike Landt

Sehen Sie das religiöse Sortiment und christliche Buchhandlungen – sollten diese Maßnahmen nicht fruchten – vom Aussterben bedroht?

Nein, religiöse Bücher sind ja auch nur gedruckte Bücher …, und die halten sich allen Prophezeiungen zum Trotz recht stabil, haben in den letzten Monaten sogar LeserInnen (zurück-)gewonnen. Die Bibel war eins der ganz frühen gedruckten Bücher, aber seit Gutenbergs Zeit gibt es sehr viel mehr Ausgaben, auch die Auflagen sind höher. Wenn Sie da etwas hinter die Kulissen schauen wollen: Am 07.11.2019 ist die nächste Veranstaltung der Roadshow Religion sozusagen an der Quelle, nämlich bei der Deutschen Bibelgesellschaft in Stuttgart (Balinger Straße 21). Auch dort erwarten Sie Informationen, Austausch, Häppchen und Buchgeschenke.

Die Fragen stellte Franziska Altepost

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