Das Sonntagsgespräch Mit welchen Argumenten Harriet Eichhorn zum Einkauf in der Buchhandlung vor Ort überzeugt

Das Internet – Auf der einen Seite erleichtert es uns das Leben ungemein, auf der anderen Seite stellt es aber insbesondere die Buchhändler seit ein paar Jahren vor viele Herausforderungen. Denn durch die vielen technischen Möglichkeiten braucht das Buch den klassischen Buchhandel nicht mehr zwangsläufig, um seine Leser zu erreichen, und Bücher und Inhalte müssen nicht mehr unbedingt in der Buchhandlung erworben werden. Dass die klassische Buchhandlung vor Ort aber dennoch unersetzbar ist, davon ist Buchhändlerin Harriet Eichhorn von der Kaiserswerther Buchhandlung der Diakonie überzeugt. Mit welchen Argumenten sie auch ihre Kunden überzeugt, verrät sie im Interview mit BuchMarkt.

BuchMarkt: Frau Eichhorn, der größte Konkurrent Ihrer Buchhandlung ist im Moment Amazon. Wie stehen Sie zu dem großen Online-Händler?

Harriet Eichhorn

Harriet Eichhorn: Amazon stand in den letzten Wochen nicht nur wegen seiner Arbeitsbedingungen in der Kritik. Amazon ist ausschließlich auf Wachstum und Monopolisierung fixiert. Die schnelle Ausbreitung des Online-Händlers hat freilich noch einen weiteren, weniger ehrenhaften Grund: Amazon zahlt seine Steuern in Luxemburg – und dies zu einem äußerst niedrigen Steuersatz. Damit trägt das Unternehmen in Deutschland nicht viel zum öffentlichen Wohlstand bei, im Gegenteil, es beschleunigt die Infrastrukturkrise der Innenstädte, weil es den klassischen Einzelhandel in die Knie zwingt.

Ist auch dem Kunden diese Problematik bewusst?

Die Amazon-Doku der ARD im Februar hat spürbar viele Konsumenten zum Nachdenken gebracht. Wir wurden nicht nur von unseren Stammkunden auf diese Sendung angesprochen, auch Kunden, die wir länger nicht mehr gesehen hatten, betonten, dass sie ganz bewusst den Buchhandel unterstützen wollen. Dem Buchhandel muss es nun gelingen, dieses kritische Bewusstsein ehemaliger Amazon-Kunden „am Köcheln“ zu halten.

Und mit welchen Argumenten gelingt Ihnen das?

Wir müssen dem Verbraucher bewusst machen, dass er selbst es in der Hand hat, wie er seine Umgebung, aber auch Arbeitsbedingungen von Menschen mit seinen Kaufentscheidungen gestaltet. Wem daran liegt, dass der sogenannte inhabergeführte Sortimentsbuchhandel weiterlebt, dem ist zu empfehlen, darauf zu achten, wo er Bücher kauft. Zahlreiche Initiativen wie z.B. „Buy local“ oder „Lass den Klick in Deiner Stadt“ haben das Bewusstsein für diese Problematik beim Verbraucher geweckt. Außerdem ist inzwischen bekannt, welche Daten der Online-Handel von seinen Kunden speichert. Viele, auch junge Menschen, wollen nicht gläsern sein und das Gefühl haben, manipuliert zu werden. Amazon wird uncool.

Also glauben Sie an den Erfolg von solchen Initiativen?

Ich bin davon überzeugt, dass die Zielgruppe für Kampagnen und Aktionen des Buchhandels „buchaffine“ Verbraucher sind, die darauf ansprechbar sind, in ihrem Einkaufsverhalten „umgelenkt“ zu werden. Die „Buy local“ – Initiative bietet hier, wie ich finde, einen guten Ansatz. Denn es reicht natürlich nicht, allein die Qualitäten der Sortimenter zu kommunizieren.

Was muss der Buchhändler denn noch tun?

Den Buchhändlern müsste es gelingen, den Einzelhandel vor Ort (am besten inkl. den Vermietern der Ladengeschäfte) bei Initiativen mit ins Boot zu ziehen, denn andere Branchen leiden ebenfalls unter dem Internethandel. Gemeinsam könnte erreicht werden, dass „shoppen und surfen vor Ort“ cool wird.

Was bietet der Buchhandel vor Ort den Kunden denn an Mehrwert?

Viele Kunden kennen anscheinend die vielfältigen Leistungen des stationären Buchhandels nicht. Jede Buchhandlung kann innerhalb kürzester Zeit jedes lieferbare Buch besorgen, einen Großteil aus der breiten Buchvielfalt sogar binnen 24 Stunden. Auf der Homepage der Kaiserswerther Buchhandlung kann zum Beispiel täglich rund um die Uhr gestöbert und bestellt werden. Auf Wunsch benachrichtigen wir unsere Kunden, sobald die Bestellung eingetroffen ist, telefonisch oder per E-Mail. Wir geben durch professionelle, persönliche Beratung Orientierung und helfen, das passende Buch für jede Gelegenheit zu finden und verpacken das Buch auch als Geschenk. Innerhalb Deutschlands versenden wir Bücher ab einem Warenwert von 20 Euro auch versandkostenfrei.

Das heißt, Sie passen sich mit Ihrer Buchhandlung auch den neuen Bedingungen an?

Ja klar, auf Veränderungen im Einzelhandel in Kaiserswerth haben wir reagiert und z.B. in Ergänzung zu Schulbüchern unser Schreibwarenangebot im Bereich Schulbedarf erweitert.
Außerdem bieten wir Schülern die Möglichkeit, in unserer Buchhandlung ihr Schülerpraktikum zu machen, oder sie bekommen bei uns ihren ersten Job als Inventuraushilfe. Oft sind es Kinder von unseren Kunden, die anfragen. Den Eltern ist es angenehm, dass ihre Kinder diese Erfahrungen bei uns machen können, weil sie uns vertrauen.

Service, Beratung, Lebensqualität – Genau diese Werte machen eine Buchhandlung vor Ort aus. Diese Vorteile müssen den Menschen nur noch vermittelt werden. Denn wie oft lädt Amazon schon zu einer Lesung ein…

Genau! Die Kaiserswerther Buchhandlung bietet den Bürgern vor Ort so viel mehr! Wir haben uns inzwischen einen Namen mit einem vielfältigen Veranstaltungsprogramm gemacht. Kultstatus haben mittlerweile die Buchvorstellungen der NDR-Moderatorin Margarete von Schwarzkopf. Vor ein paar Tagen hat sie bei uns wieder, in ihrer unnachahmlichen Art, Frühjahrsnovitäten vorgestellt. Im Rahmen der Literaturtage, die den Bücherbummel begleiten, wird Rainer Moritz (Leiter des Literaturhauses in Hamburg) die Herzen der Schlagerfans höher schlagen lassen. Und im Oktober haben wir Harald Martenstein zu Gast. Das bietet kein Online-Handel…

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