"Sie war etwas sehr Besonderes und ein Glück für die, die sich mit ihr befreunden durften" Martina Gollhardt

Martina Gollhardt auf der Frankfurter Buchmesse 1992 (c) Werner W. Wille   

 

Martina Gollhardt, langjährige Pressesprecherin von Kiepenheuer & Witsch, Econ und dann der S. Fischer Verlage, ist nach langer Krankheit am 10. Mai im Alter von 85 Jahren  gestorben. Was unsere Freundin uns bedeutet hat, daran erinnern Denis Scheck, Gaby Callenberg, Ida Schöffling, Klaus Humann, Lucien Leitess, Brigitte Hofer, Martin Spieles und Ruth Geiger:

Martina Gollhardt, die Frau in Weiß, hat mich geprägt. Ihrer sensible Art, Interesse für Bücher und Autoren zu schaffen, eignete so gar nichts trivial Verkäuferhaftes; stets begegnete sie einem im Gewand heiterer Freiheit. Sie besaß intellektuelle Grandezza gepaart mit Humor – das reichte, um sie zu einer Ausnahmeerscheinung im deutschen Literaturbetrieb zu machen. Von ihr auf die Bedeutung eines Werks hingewiesen zu werden, vermittelte einem eher das Gefühl, einem Privatissimum zuteil zu werden, einer dringend nötigen geistigen Rüstzeit, ehe die eigene Unzulänglichkeit peinlich öffentlich werden konnte. Ich kann mich an kein Gespräch mit ihr erinnern, an dessen Ende kein persönlicher Gewinn gestanden hätte.

Denis Scheck

Zehn Jahre lang hatte Martina Gollhardt die Pressestelle von Kiepenheuer & Witsch geleitet. Als ich 1986 dort ihre Nach-Nachfolgerin wurde,  war sie seit mehr als zwei Jahren Pressechefin beim Econ Verlag und galt völlig zu Recht als die „Grande Dame“ der Verlagspressefrauen, hoch geschätzt von allen KollegInnen in den Verlagen und Redaktionen. Für mich wie für etliche Pressefrauen (und die wenigen -männer) in anderen Verlagen war sie ein großes Vorbild. Mit so viel Erfahrung, mit ihrem so einzigartigen Stil, mit ihrer klaren und unbestechlichen Meinung, mit ihrer Ehrlichkeit und Kompetenz – und mit  einem riesengroßen Herzen für junge KollegInnen. Ich weiß nicht, wie ich ohne ihre Hilfe den Berufseinstieg geschafft hätte. Sie hat mir – Konkurrenzdenken war ihr völlig fremd –  so viele Redaktionstüren geöffnet, wusste  immer  Rat, wenn ich sie in Düsseldorf oder wenig später in Frankfurt, nachdem sie zum S. Fischer Verlag gewechselt hatte, mit meinen „HILFE!“-Anrufen behelligt habe und sie hat mich vor manchem Fettnäpfchen oder Schlimmerem bewahrt. 34 Jahre  später hat sie mich mit ebenso großem Engagement, mit ihrem klaren Blick, mit Liebe und Fürsorge, bei meinem Ausstieg aus dem KiWi-Verlagsleben begleitet. Ich hatte nie das Gefühl, ein Coaching zu brauchen, ich hatte immer Martina.  In all diesen Jahren wurde sie immer mehr von der Kollegin zur Freundin. Wir haben so vieles miteinander geteilt und viel Schönes zusammen erlebt. Ich habe unendlich viel von ihr über das Leben (und in der letzten Zeit auch über das Abschiednehmen) gelernt. Liebe Martina, Du wirst mir so sehr fehlen…

Gaby Callenberg

Von Boppard nach Xanten – Ich weiß nicht mehr, wer von uns beiden, liebe Martina, es war, der zuerst darauf kam, dass wir zwar mit unseren Pressestellenjobs jedes Jahr zweimal quer durch die Republik fuhren, um in Hamburg, München, Berlin, Wien, Zürich  und Frankfurt die Journalisten aller Medien zu besuchen und unser neues Programm vorzustellen, aber nie mal unterwegs ausstiegen, um vielleicht einmal eine andere Stadt zu erkunden. Auf jeden Fall war damit die Idee geboren, gemeinsame Reisen an Orte zu unternehmen, zu denen man „normalerweise“ nicht hinfuhr. – In Xanten waren wir während eines Fußballereignisses, public viewing war noch nicht  erfunden und so saßen alle Leute drinnen vor der Glotze, während wir den ganzen Marktplatz und die Aufmerksamkeit der Kellner für uns hatten. – Auf dem Weg nach und von Maastricht haben wir um ein Haar alle Züge verpasst, weil wir uns immer so viel zu erzählen hatten. Ob es um Bücher ging oder um Kochrezepte, ein Thema hatten wir immer. – Manchmal reichte einfach nur eine Erinnerung: Weißt Du noch den Rauchersalon von Bad Salzschlirf? Und wir brachen in heilloses Gelächter aus. -Hab es gut, meine Liebe, dort, wo Du nun bist.

Ida Schöffling

Wie machte Martina das nur? Im Gegensatz zu anderen Ehemaligen in unserer selbstverliebten Branche verzichtete sie darauf, ihre Geschichten zu vergolden, je weiter sie zurück lagen. Sie erzählte von ihren Presse-Jahren, erst bei Kiepenheuer, dann bei Fischer,  mit einer sehr gesunden, leicht spöttelnden Distanz. Wichtigtuerei und Eitelkeit waren ihr fremd. Was zählte, waren echte Freundschaften, nicht die Bussi-Begegnungen auf Buchmessen. Sie war ein Profi, durch und durch. Sie verschenkte viel Liebe und echte Anteilnahme. Als ich es nötig hatte, da war ich schon bei Carlsen, schickte sie mich zu einer Ayurveda-Kur nach Sri Lanka. Aber auch zu dieser spirituellen und esoterischen Welt, der sie durchaus verbunden war, wahrte sie eine kluge Distanz. – Martina Gollhardt war eine Dame, eine Erscheinung, erst lebenserfahren, später altersweise. Ihre Kleider, vor allem ihre Mäntel von „Omen“, umwehten sie anfangs und schützten später ihren zarter werdenden Körper.  Sie war etwas sehr Besonderes und ein Glück für die, die sich mit ihr befreunden durften.

Klaus Humann

Lang, lang ist‘s her, da trat eines strahlenden Morgens Martina Gollhardt durch die Tür der anderthalb Büroräume des taufrischen Verlags. Die Grand Young Lady der Pressesprecherinnen, zu Hause in allen Redaktionsstuben, auf vertrautem Fuß mit den Größen des Feuilletons, beugte sich über unsere kümmerliche Presseliste, strich, korrigierte, ergänzte und streute lächelnd hilfreiche Anekdoten über Vorlieben und kleine Eigenheiten ein. – Unzähligen half sie so ohne Reserve auf die Sprünge. Als später zwei Friedenspreise über den Verlag hereinbrachen, hat sie, bereits in Pension, Yaşar Kemal und Assia Djebar während der Messetage betreut. So war sie: Mit zarter, eiserner Hand konnte sie am Tischchen im Messestand den abgelaufenen Terminslot so abbrechen, dass der überbordende Autor, der zeitvergessene Interviewpartner und die ungeduldige Schlange der wartenden Journalistinnen sich gleichermaßen innigst betreut fühlten. Und wenn die eigentliche Arbeit getan war, half sie am Abend beim Krawattenbinden und der Auswahl des richtigen Colliers für die große Zeremonie. – Sie lehrte uns, Pressearbeit neu zu sehen: Als Aufgabe, behutsam Menschen zu steuern, die richtigen Bücher mit den richtigen LeserInnen zusammenzuführen. Sie konnte Funken schlagen, auch unbeeindruckt von Marketingschwerpunkten und Reichweitenanalysen. Ist das „Alte Schule“? Oder eher unsere Zukunft? – Martina war eine Menschenkünstlerin. Zuerst im Dienst der Literatur, dann für vielerlei Mitmenschen, die sie durch Zuwendung unterstützt hat. Ihre glasklare Freundschaft fehlt so sehr.

Lucien Leitess

Martina Gollhardt lernte ich (als hektische Kulturredakteurin des ORF/Ö1) im Trubel der Frankfurter Buchmesse vor ca 25 Jahren kennen – besonnen, ruhig, aber voll wissender Leidenschaft für ihre Autoren organisierte sie die für den Fischer Verlag wichtigen Treffen und setzte die unwichtigen diplomatisch in die Warteschleife. Eine ideale Pressechefin – ein Beruf, learning by doing, den man nur als starke Persönlichkeit ausfüllen kann. Martinas interessierte Wienbesuche brachten viele Treffen im Cafe Sperl oder im Tirolerhof, im Museumsquartier , im Theater an der Wien … und damit Begegnungen mit „ihren“ Buchhändlern  mit  lebendigen, kritischen Diskussionen über aktuelle deutschsprachige Literatur. Martinas Klugheit, ihr Charme, ihre Elegance, ihre Melancholie, ihre menschliche Wärme prägen ihr Bild in meiner Erinnerung.

Brigitte Hofer

Vor ziemlich genau neunzehn Jahren kam Martina Gollhardt schmunzelnd in mein Büro, mit einer Blume und zwei Stück Kuchen. Sie wollte sich ansehen, wer sich da als Nach-Nachfolger in ihrem ehemaligen Zimmer im Fischer-Verlagshaus eingenistet hatte. Sympathie auf den ersten Blick. Ich holte Kaffee. Staunen. Gemeinsames Lachen. Ich war bezaubert von ihrer Intelligenz, ihrer Direktheit, ihrer Wärme, ihrer Herzlichkeit, von ihrem Humor. Und so blieb es. Über die Jahre wurde die kluge, erfahrene Ratgeberin zu einer wunderbaren Freundin. Ihre Leidenschaft für Bücher, noch mehr ihre Liebe zu den Menschen war mitreißend. Das ging nicht nur mir so: Ich weiß aus vielen Gesprächen, wie beliebt und geliebt sie in der Branche war, auch noch lange nach ihrer Pensionierung. Das ist selten. Aber es verwundert die nicht, die das Glück hatten, ihr zu begegnen. Martina wird bei den Büchermenschen unvergessen bleiben.

Martin Spieles

Klagenfurt, Ingeborg-Bachmann-Preis, Ende der 1980er Jahre. Maria Loretto, der lauschige Ort am Wörthersee, dort lernte ich als junge Pressefrau des Diogenes Verlags die erfahrene und elegante Pressechefin des Fischer Verlags kennen, Martina Gollhardt. Sie nahm uns junge Berufseinsteigerinnen selbstlos unter ihre Fittiche. Nie hatte ich einen besseren Coach. Zugewandt, klug, humorvoll, diplomatisch. Keine kannte die Branche so gut wie sie. Noch lange nach ihrer Pensionierung vor über 20 Jahren beehrte sie jeweils am Dienstagabend vor der Frankfurter Buchmesse unseren legendären «Pressestammtisch». Aus der Kollegialität entwickelte sich eine wunderbare Freundschaft, die über 30 Jahre währte. Unvergessen ihre Besuche bei mir in Zürich, zusammen mit unserer gemeinsamen Freundin Gaby Callenberg. Martina hatte ein grosses Herz für die Literatur, die Autoren und ganz besonders für die Menschen der Buchbranche. Intelligenz und Kompetenz, gepaart mit Weitsicht und Humor, machte sie so einzigartig.  Ihr Lachen fehlt mir am meisten.

Ruth Geiger

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