Das Sonntagsgespräch Markus Hatzer über die Digitalisierung als Chance für die Branche

Letztes Jahr stellte Markus Hatzer in einem Interview mit Ivona Jelcic von der Tiroler Tageszeitung fest, „dass die Branche in einem Umbruch ist, wie es ihn seit der Erfindung des Buchdrucks nicht mehr gegeben hat. Es wird voraussichtlich kein Stein auf dem anderen bleiben, die Digitalisierung der ganzen Branche ist im Gange.“

BuchMarkt hat diese Aussage zum Anlass genommen, Hatzer über seine Vorstellung über die Zukunft der Branche zu befragen:

Marcus Hatzer (c)Bernhard Aichner

Sie sprachen davon, dass sich die Branche in einem Umbruch befindet, wie es ihn seit der Erfindung des Buchdrucks nicht mehr gegeben hat. Würden Sie angesichts dieser Umstände heute noch einmal einen Verlag gründen – trotz solcher Bedrohung? Oder empfinden Sie diese Entwicklung gar nicht als Bedrohung?

Markus Hatzer: Ich würde auf jeden Fall wieder einen Verlag gründen und ermutige stets alle, die mit diesem Gedanken spielen. Es braucht auch in Zukunft qualitätsvolle Inhalte ebenso wie Menschen, die diese Inhalte veredeln und verkaufen können. Die Chancen auf Erfolg sind nach wie vor vorhanden – die Digitalisierung stellt in meinen Augen mehr eine Erweiterung dieser Chancen und der verlegerischen Möglichkeiten dar als eine Bedrohung.

Vor drei Jahren sind Sie ins E-Book-Geschäft eingestiegen. Nun ist Haymon ja alles andere als ein Kleinverlag, und, wenn ich nicht irre, gibt es da eine recht umfangreiche Backlist. Haben Sie vor, die gesamte Backlist digitalisieren?

Im Haymon Verlag haben wir bereits nahezu die gesamte Backlist digitalisiert.

Und wie entwickelt sich der Anteil des E-Books am Umsatz?

Der Anteil unserer E-Books am Gesamtumsatz ist im Steigen begriffen. Bei manchen Titeln beträgt er 25-30 Prozent, im Durchschnitt beträgt er etwa zehn Prozent.

Trotzdem haben Sie bei Haymon erst kürzlich die Struktur für den Vertrieb in Deutschland neu aufgestellt. Das zeigt doch, dass Sie dem Buchhandel unseres Sprachraums eine Zukunft geben.

Der Buchhandel hat eine gute Zukunft, wenn er sich auf seine wahren Stärken besinnt – also auf all das, was ihn von den Onlineriesen unterscheidet – und nicht zu viel Zeit und Geld in den Versuch investiert, erfolgreiche Internethändler nachzuahmen. Sicher müssen den Kundinnen und Kunden der Buchhandlungen heute grundsätzlich alle denkbaren Bestell- und Lieferwege offenstehen. Auch brauchen alle Händler vollständige Titel-Datenbanken und Zugang zu allen relevanten Informationen, wie z.B. zum aktuellen Lieferstatus. Allerdings wird man im Marketing und von den technischen Möglichkeiten her nicht mit den internationalen Internet-Handelskonzernen Schritt halten können. Ich glaube, unsere Kunden können zwischen gut geführten Buchhandlungen, die sie gerne besuchen, und den großen Internethändlern sehr gut unterscheiden und nutzen die jeweiligen Vorteile beider Möglichkeiten je nach Laune, Bedarf und Gelegenheit.

Ich habe den Eindruck, dass Buchhandlungen insbesondere für große Verlage eine Art von Black Box darstellen. Und dass, weil zwischen ihnen nur selten noch real kommuniziert wird, solche Verlage auch nicht mehr wirklich eine Vorstellung von Leserinnen und Lesern und deren Interessen haben. In den Debatten und Diskussionen, die zurzeit in unserer Branche geführt werden, scheinen die Leser überhaupt so gut wie nie vorzukommen. Dass Haymon seine Autorinnen und Autoren und deren Werke hervorragend betreut, habe ich immer wieder gehört. Wie sehr sind Sie und Ihre Verlagsmitarbeiter sich im Tagesgeschäft aber auch der fundamentalen Rolle bewusst, die den Leserinnen und Lesern zukommt?

Verlage sollten jede Möglichkeit nutzen, die sich ihnen bietet, um Informationen über die Vorlieben und Interessen ihrer Leserinnen und Leser zu gewinnen. Die Lese- und Kaufgewohnheiten der potentiellen Zielgruppe zu kennen, ist erfolgsentscheidend, wenn es darum geht, Inhalte zu vermitteln. Insofern ist die Bedeutung der Leserinteressen allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Haymon Verlag bewusst, wir nehmen unsere Kundinnen und Kunden sehr ernst. Da Buchhändler nahe am Leser sind und häufig das unmittelbarste Feedback zu Büchern bekommen, sind auch der Austausch mit ihnen und wo möglich auch das persönliche Gespräch uns ein Anliegen. Daneben bieten etwa soziale Netzwerke neue Wege des direkten Kontakts zwischen dem Verlag und den Leserinnen und Lesern.

Wie sehr hilft Ihnen als Verleger dabei die Vertrautheit mit den Realitäten und die enge Verflechtung mit der Buchhandlung Haymon?

Die hauseigene Verlagsbuchhandlung ist für uns ausgesprochen wichtig, weil sich hier wechselseitig viele Möglichkeiten eröffnen. Über die Buchhandlung gelangen Informationen über Meinungen und Präferenzen der Leserinnen und Leser zeitnah in den Verlag, sie erleichtert außerdem Marktbeobachtung und Marktüberblick. Im Gegenzug profitiert die Buchhandlung vom Knowhow des Verlags.

Die Fragen stellte Gerhard Beckmann

Zur Person:
Markus Hatzer, geboren 1966, absolvierte seine Lehre zum Buchhändler bei der Buchhandlung Tyrolia in Lienz und gründete 1989 einen Wissenschaftsverlag. Seit 2005 ist er Verleger des Haymon Verlags in Innsbruck und ist in seiner Buchhandlung Haymon nach wie vor als Buchhändler tätig. Die erfolgreichen Programmschwerpunkte des Haymon Verlags bilden erzählende Literatur und Kriminalliteratur. 2008 rief Hatzer mit HAYMONtb die erste österreichische Taschenbuchreihe ins Leben.

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