Das Sonntagsgespräch Manuel Herder über den neuen Unternehmensbereich Herder App Publishing

Mit dem neuen Unternehmensbereich Herder App Publishing reagiert der Herder – Verlag auf die Veränderungen der Rahmenbedingungen im Buchmarkt.

Die Rahmenbedingungen des Büchermachens ändern sich seit der Erfindung des Buchdrucks und in neuerer Zeit über die Erfindung von eBooks bis hin zu den vielen technischen Möglichkeiten von Smartphones und Co. BuchMarkt hat Manuel Herder zum neuen Unternehmensbereich befragt.

Manuel Herder

Seit Oktober gibt es den neuen Unternehmensbereich Herder App Publishing. Warum macht sich der Verlag Herder genau in diesem Bereich stark?

Manuel Herder: Wir haben gelernt, dass Verlage neben Büchern auch E-Books und im Fachbuch-Bereich Online-Dienste anbieten müssen, um für Leser und Autoren gleichermaßen interessant zu sein und zu bleiben. Deshalb möchten wir zusammen mit Smart Mobile Factory in Berlin Apps entwickeln.

Warum?

In der letzten Zeit stellt sich zudem heraus, dass viele Leser – gerade im Zeitschriften-Bereich – Freude an der Lektüre auf mobilen Endgeräten haben. Da wir im Verlag Herder viele Zeitschriften und Periodika verlegen, möchten wir dieses Bedürfnis der Leser bedienen – und zwar mit qualitativ hochwertigen Angeboten.

Man kann doch auch e-Books auf mobilen Endgeräten lesen – warum eine extra App?

Die App ist ein technologisch gesehen neues Medium. Sie ist autark und kann auf den konkreten Bedarf hin gestaltet werden. Ich denke für Verlage können sich da Chancen ergeben.

Wie könnte das aussehen? Und sehen Sie da keine Gefahr der „Verwässerung“ der Inhalte zugunsten günstiger bis kostenloser Angebote?

Die uns bislang bekannte Gratiskultur im Internet war zunächst eine Bedrohung für die Verlagswelt. Zwar ist es für Leser erfreulich, vieles gratis zu lesen, für Verlage ist der Aufwand für die Produktion dieser Angebote aber trotzdem hoch.

Wie wollen Sie mit der App dagegen angehen? Werden nicht gerade bei Apps kostenlose Angebote erwartet?

Ja, aber die Bereitschaft für Erweiterungen der App zu bezahlen ist hier größer als im Netz. Wir wissen, was Leserinnen und Leser von uns erwarten. So wie unsere Lektorate exzellente Bücher und unsere Redakteure aktuelle Zeitschriften produzieren, wird es ihnen auch gelingen, qualitativ hochwertige Apps zu initiieren.

Wie soll das in der Praxis aussehen?

Um die Qualität zu garantieren, möchten wir unseren Kunden Apps mit verschiedenen Bezugsmodellen anbieten. Dabei werden auch solche sein, die man zunächst gratis herunterladen kann um dann auf dem Weg der InApp-Verkäufe, also der Nachbestellung, weitere Inhalte zu beziehen.

Wie sehen Sie den Markt für Apps und wie definieren Sie die Zielgruppe?

Der Markt begrenzt sich zunächst auf Smartphone- und Tablet-PC-Nutzer. Also liegt eine große Zielgruppe bei Jugendlichen, jungen Erwachsenen und Berufstätigen. Häufig sind das Menschen, die recht selten in den allgemeinen Buchhandel gehen.In der App sehen wir eine weitere digitale Produktform, die dem Leseverhalten dieser Leser entgegenkommt. Die mobilen Endgeräte haben das Leseverhalten allgemein stark verändert und werden es weiter verändern. Mit unserem Engagement bei der Entwicklung von Apps möchten wir auf die kommenden Veränderungen vorbereitet sein.

Gehen Sie bei den Apps eher vom Sachbuch oder vom Fachbuch auf Inhaltssuche?

Wir werden vom Markt her denken und sowohl mit Sachbuch- als auch mit Fachbuchthemen experimentieren. Pauschal kann man diese Frage nicht beantworten.
In diesem Jahr werden wir zunächst mit einer „Beten-App“ herauskommen. Sie wird einerseits aus einem Theorieteil bestehen, der zum Beispiel verschiedene Gebetsformen und -haltungen erklärt sowie andererseits aus einem Praxisteil, der klassische Grundgebete wie auch Gebete zu allen Lebensphasen anbietet. Das ist ein einfacher Einstieg für unsere Leser und für uns.

Können Sie schon verraten, welche Ideen Sie für weitere Apps haben?

Weiteres wird in den kommenden Wochen und Monaten entwickelt. Neu ist der Weg, den wir dabei gehen: In einem ersten Workshop haben Mitarbeiter bereits Themen identifiziert. Folgen wird ein sogenannter „Hackerthon“, ein Mix aus „Programmieren“ und „Marathon“. Dabei werden sich Herder-Mitarbeiter und Mitarbeiter der Smart Mobile Factory gemeinsam „einschließen“ und in kurzer Zeit erste Ideen so umsetzen, dass eine App erkennbar wird.

Wie sehen Sie den Bereich App-Produktion im Vergleich zum klassischen Buchgeschäft?

In der Branche zeigt sich, dass digitale Produkte das klassische Buch nicht verdrängen, sondern ergänzen. Ich glaube, die Wertschöpfungsprozesse werden sich aber grundlegend unterscheiden. Wir werden noch besser lernen müssen, wie Produkte in den unterschiedlichen App-Stores vermarktet werden. Auch hier muss man vom Suchverhalten der Nutzer ausgehen.

Welche sind die größten Schwierigkeiten, die bei der App-Produktion überwunden werden müssen? Ist die Struktur einer solchen nicht grundlegend anders als bei einem „normalen“ Buch?

Zunächst braucht ein einen professionellen Partner. Den haben wir mit der Smart Mobile Factory gefunden. Der Rest wird sich zeigen.

Wie schätzen Sie das Wachstum in diesem Bereich ein?

Direkt herausgesprochen: Ich weiß es nicht. Ich sehe, dass sich in diesem Markt etwas tut und möchte gerne, dass wir dabei sind.

Stichwort Paradigmenwechsel: Was ändert sich durch die Digitalisierung allgemein?

Manuel Herder: Es ändern sich die Spielregeln, also unsere Grundannahmen! Mein Lieblingsbeispiel für die Veränderung der Spielregeln, stammt aus einem Lucky Luke-Heft. Auf dem ersten Bild sieht man Fahrgäste in einer Eisenbahn, die lesen oder stricken. Der Schaffner kontrolliert die Fahrkarten. Im nächsten Bild landet man mitten in einem Überfall. Der lesende Fahrgast hat bereits seine Pistole gezogen, um sich zu wehren,die strickende Oma zieht eine Waffe, um sich zu verteidigen. Nur der Schaffner fragt weiter nach Fahrkarten…

Findet das Leben, Ihrer Meinung nach, bald nur noch digitalisiert statt?
Die neuen Autos sind bereits wandelnde Datenträger.Das Schöne daran ist:Je mehr Digitalisierung unser Leben diktiert, desto größer wird auf der anderen Seite auch die Sehnsucht nach den guten alten Dingen, wie dem Buch. Trotzdem müssen wir uns anpassen.

Wie lesen Sie persönlich? Auf dem Tablet oder mit einem Buch in der Hand?

Manuel Herder: Wie die meisten Menschen unserer Branche gehört das Lesen zu meinem Tagesablauf. Zeitungen und Zeitschriften lese ich am liebsten auf dem Tablet. Bücher lese ich seit einiger Zeit wieder „in echt“. Mein Honeymoon mit den Lesegeräten war von etwas kürzerer Dauer.

Manuel Herder, geboren am 4. März 1966 in Freiburg i. Brsg., verheiratet, vier Kinder, verbrachte seine Schulzeit in Deutschland und England und schloss sie mit dem englischen Abitur ab. Nach dem Wehrdienst studierte er Japanologie, Theologie, Erziehungswissenschaft und Betriebswirtschaft in Tübingen, Matsuyama und Bonn. 1992 Eintritt in das Familienunternehmen. Zum 1.Januar 2000 übernahm er von seinem Vater Dr. Hermann Herder die Gesamtgeschäftsführung des Verlagshauses Herder in Freiburg, Basel und Wien womit der Generationenwechsel von der fünften auf die sechste Generation in Freiburg erfolgt ist.

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