Das Sonntagsgespräch Karla Paul über ihr neues Label edel & electric

Das neues Digitalprojekt von Edel ebooks heißt edel & electric und soll die „Heimat von kontroversen, spannenden, unterhaltsamen Büchern sowie Onlineideen“ werden.

Seit der Buchmesse ist die neue Seite online. BuchMarkt hat Karla Paul zu dem neuen Label befragt.

Karla Paul

Hat der Namensfindungsprozess lange gedauert?

Das ging eigentlich relativ schnell. Ich kam im Mai zu Edel und es war gleich klar, dass neben dem Ursprungslabel „Edel ebooks“ mit seinem bunten Unterhaltungsprogramm noch eine zusätzliche Marke für alternative Projekte ins Leben gerufen werden sollte. Wir diskutierten über verschiedene Werte, die der neue Verlag mitbringt und warfen im Brainstorming Ideen und Adjektive durcheinander – „edel & electric“ passt perfekt für alles, was wir in der Gegenwart und in Zukunft vorhaben. Es trifft auf die Autoren ebenso zu wie auf ihre Inhalte. Wir sind edel und electric, d.h. edel sowohl innerhalb der Unternehmensfamilie als auch bei den Qualitätsstandards und elektrisch, das steht auf der einen Seite natürlich für das Digitale, aber auch für elektrifizierende Projekte und Ideen.

Das Logo von edel & electric

Und wie kam es zum Logo, dem elektrifizierten Hirsch unter der Herzspannungskurve?

Die Logofindung war weniger einfach und hier wollten wir eigentlich erst in die maritime Richtung gehen. Allerdings gibt es ja schon den von mir sehr geschätzten Ankerherz Verlag und diesem wollten wir keine Konkurrenz sein, auch wenn die Edel AG hier direkt an der Elbe sitzt und auch mein Herz eigentlich am Nordmeer Zuhause ist. Aber wir überlegten weiter und wollten gern ein Wappentier haben. Hier war dann der Hirsch als „Edelwild“ (und vielleicht auch als baldiger Platzhirsch) gefunden. Seine Origami-Prägung zeigt den Ursprung des Buches – sie ist ein Verweis auf das Papier und die elektrifizierte Herzspannungskurve gibt unsere Einstellung zu den Inhalten und der Marke wieder.

Hanser Box, Sobooks und so klingen auch griffig. Wie wichtig sind Labels im E-Publishing?

Wir wollen mit „edel &electric“ eine Marke aufbauen und den Lesern sowie Autoren ein digitales Zuhause bieten. Man verbindet mit einem Label stets ein bestimmtes Gefühl, eine Idee, das sollte sich sowohl im Namen als auch im Logo wiederfinden. Wir planen ja nicht nur einen Digitalverlag, im Dezember startet unsere dazugehörige Veranstaltungsreihe „ElectricNights“ und weitere Ideen bzw. deren Umsetzungen folgen in 2016 – all dies benötigt eine starke und klare Hauptmarke als Dach. Das mag für manchen Käufer nicht so wichtig sein, für das komplette Team an Mitarbeitern (und da schließe ich die Schriftsteller und Agenturen mit ein) und Kollegen ist es das aber, ebenso wie für die Presse und Kooperationspartner.

Literarische Texte mit den Eigenschaften wild, innovativ, experimentell und polarisierend und unabhängig von Genre und Format sind Ihr Programm. Wo gelingt das bei den ersten vier Büchern besonders gut?

Bei uns sollen alternative Texte erscheinen, herausfordernde Inhalte, wilde und gute Literatur – also eher upmarket. Im ersten Programm sind die Erzählungen von Candy Bukowski erschienen, sie trifft mit ihren Worten bis ins Herz – völlig abseits jeglichem Kitsch findet sie für die Liebe und die dazugehörigen Emotionen neue Worte, die viel eher in einer Bar als in einer Konditorei Platz finden. Ebenso die politischen Geschichten von Markus Heitz, der (entgegen seinen sonstigen Fantasyromanen) aufzeigt, was aktuell in unserer Demokratie schief läuft und das sowohl auf spannende als auch satirische Art und Weise.

Sie legen ein hohes Tempo vor. Nur ein halbes Jahr vom Amtsantritt bis zum ersten Programm. In welchem Rhythmus werden wie viele E-Books bei Ihnen erscheinen?

Es waren sogar nur fünf Monate. Aber natürlich braucht gute Literatur immer ihre Zeit und wir wollen uns da auch nicht hetzen lassen, nur weil sie digital erscheint – gute Qualität ist unser Mindeststandard. Die nächsten Titel werden im Dezember erscheinen und wir wollen nach der ersten Einspielphase auf drei Titel im Monat kommen. Da können dann auch einmal kürzere Texte dabei sein oder aber Reihen. Auf der einen Seite gibt es Titel, die uns bereits fertig angeboten werden – aber wir bauen manche Texte auch erst gemeinsam mit den Autoren auf, je nachdem beträgt natürlich auch der Entwicklungszeitraum unterschiedlich lang. Im Notfall können wir dank sehr guter und effizienter Partner ein Projekt in vier Wochen online stellen.

Wie wichtig sind Ihnen Original- bzw. Erstausgaben?

Bei „edel &electric wollen wir vorrangig Erstausgaben veröffentlichen, allerdings sind diese durchaus teilweise schon im Print erschienen. Es gibt dafür keine feste Regel, ich würde aber gern mehr neuen, jungen, deutschen Autoren eine Chance geben – deswegen sowie aus Kostengründen haben wir uns gegen Übersetzungen entschieden.

Wie filtern Sie eingehende Manuskripte?

Wir unterhalten sehr gute Verbindungen zu vielen Agenturen, es melden sich aber auch regelmäßig Autoren direkt bei mir. Ich filtere vor, d.h. werte das Exposé aus und entscheide, ob es überhaupt etwas für uns ist und falls ja, für „edel eBooks“ oder „edel &electric“. Dann übernehme ich nach dem Einkauf meist ein erstes Vorlektorat und gebe es dann an externe Lektoren und Korrektoren weiter.

Was machen Sie, wenn Printverlage Ihre Bücher veröffentlichen wollen, die es bislang nur digital gibt?

Darüber werden wir sprechen, wenn es soweit ist. Aktuell schließen wir nicht aus, diese Printrechte selbst zu nutzen. Wir wollen das Beste für Inhalt und Autor und manch ein Titel ist am besten digital aufgehoben, mancher in weiteren Medien – das entscheiden wir in jedem Fall einzeln. Die Edel AG hat neben einer eigenen Druckerei (optimal Media) alle Möglichkeiten um eine Geschichte vielfältig auszuwerten – deswegen gibt es keinen Grund Rechte an Mitbewerber abzugeben, wenn wir selbst eine Nutzungsmöglichkeit sehen.

Planen Sie enhanced E-Books? Wie groß darf hier der Aufwand sein?

Ich sehe aktuell keinen großen Markt für enhanced E-Books und meist übersteigen die dazugehörigen Kosten die Interessen der Leser. Wir werden sicherlich auch alternative Formate anbieten, wenn Technik und Markt soweit sind.

Wie gehen Sie mit dem Pricing um?

Das kommt immer auf den Titel an. Wenn wir bei „edel eBooks“ einen Roman aus der Backlist aufgekauft haben, der bereits mehrere Jahrzehnte alt ist, dann setzen wir den Preis natürlich weit niedriger an als die exklusive Erstausgabe eines Nachwuchsautors. Grundsätzlich wollen wir das Preisdumping im Digitalbereich nicht mitmachen. Hier arbeiten sehr viele tolle und begabte Menschen mit und für einen Titel (vieles davon zeigen wir auch auf unserem Verlagsblog) und es steckt viel Zeit, Arbeit und Herz drin – dies muss sich auch im Verkaufspreis wiederfinden. Die Umsonst- bzw. Billigheimer gehören daher nicht zu unserer Zielgruppe.

Wie wichtig sind Kooperationen mit etablierten Partnern?

Im Idealfall geben sich erfolgreiche Marken sehr viel und ergänzen sich evtl. dort, wo der Andere noch Schwächen hat oder verdoppeln ihre Stärke. Wir werden dies so oft wie möglich tun, angefangen mit unserer Veranstaltungsreihe „ElectricNights“ mit ebook.de. Aber wir freuen uns auch über verlagsübergreifende Zusammenarbeit, wir sehen hier mehr Synergien als die Angst, dass wir dadurch Herrschaftswissen oder Kontakte verlieren.

Wie hat sich Lovelybooks.de seit Ihrem Weggang entwickelt?

Ich verfolge natürlich alle Ideen und Pläne der ehemaligen Kollegen und freue mich, dass sie sich weiterhin so gut entwickeln! Meines Wissens nach haben sie mittlerweile mehr als zwei Millionen monatliche Leser und ihr Team noch einmal verstärkt. Sie sind und bleiben deutschsprachig führend und das freut mich sehr. Aktuell sind die Titel meines Verlags beim LovelyBooks Leserpreis nominiert und ich habe auch bereits Werbeaktionen dafür dort eingebucht – das macht mich sehr stolz und zeigt vielleicht, wie viel Vertrauen ich weiterhin in das Münchner Team habe.

Wie kommt die Verschmelzung von Web und Buch voran?

Literatur ist der Text an sich und was dadurch bei uns im Kopf geschieht – das hat eigentlich mit dem Medium nichts zu tun. Das Internet muss nicht mit dem Buch verschmelzen und umgekehrt, sie haben beide für sich ihre Vorteile. Es gibt Literatur in den sozialen Netzwerken, die Tiny Tales auf Twitter, eigene Charaktere mit FB-Accounts, die Geschichten entwickeln sich grundsätzlich über unsere Worte und können damit überall neu und anders erzählt werden. Der Ansatz, dass man ein Buch als so perfektes Medium ins Digitale übersetzen möchte, ist aus meiner Sicht falsch gewählt – die Literatur findet immer ihre Wege und im Internet neue und dafür passende, die dort auch dem jeweiligen Nutzungsverhalten der Leser gerecht werden.

Wo sehen Sie neues Entwicklungspotential im Netz für Synergien mit guter digitaler Literatur?

Das Geschichten erzählen bzw. Buzzword „Storytelling“ gab es doch schon immer. Es entsteht von ganz allein und wir nutzen automatisch all die Kanäle, die uns geboten werden. Diese sollten wir auch weiterhin fördern – die Herausforderung besteht darin, ob wir hier auch Erlösmodelle finden werden und dies ist einer der vielen Punkte, mit denen sich „edel &electric“ beschäftigt.

Wie innovativ finden Sie den neuen FAZ Lesesaal?

Sobooks hebt damit das Social Reading noch einmal auf eine andere Stufe bzw. integriert eine andere Zielgruppe. Bisher geschah dies eher mit Mainstream-Literatur z.B. auf LovelyBooks und durchaus auch auf dem Amazon Kindle. Bei der FAZ werden natürlich noch einmal ganz andere Titel besprochen und nun dank Sobooks auch innerhalb des Textes – sie schaffen damit eine neue Diskussionsebene. Es wird sich zeigen, ob diese Leser auch genug Lust und Leidenschaft für gegenseitigen Austausch über die aktuelle Lektüre haben – das Angebot an sich ist aber prinzipiell ein Gutes und für mein Empfinden auch technisch und optisch sehr gut gelöst. Ich wünsche den Kollegen viel Erfolg mit weiteren Kooperationspartnern, wie z.B. der Lufthansa.

Welchen Einfluss wird Social Reading auf E-Books haben?

Die Nutzung der Leserdaten wird einen großen Einfluss haben – Jellybooks zeigt hier Ansätze, ebenso Amazon. LovelyBooks und andere Communities werten hier meines Wissens nach noch nicht so gezielt aus. Aber natürlich sind gerade die Marketing- und Vertriebsabteilungen sehr daran interessiert, welches Genre, welcher Autor, welche Handlung besonders gut beim Leser ankommt und mit was sich am Ende am meisten Geld verdienen lässt. Es gibt ja längst Autoren, die auf Auftrag relativ exakt Bestseller nachschreiben, die Cover werden kopiert und alles und jeder in bestimmte Schubladen gepresst – das Social Reading hilft nur noch besser bei der Auswertung.
Es ist aber auch die Frage, inwieweit wir tatsächlich im Text selbst diskutieren wollen. Ich lese sehr viel und gern, will dabei aber meine Ruhe und eigentlich erst in einer Pause oder im Nachhinein darüber sprechen, meist muss sich das Gelesene erst setzen. Im eigentlichen Buch empfinde ich es persönlich als störend, aber das ist vielleicht auch reine Gewohnheit und für die nachkommende Generation überhaupt nicht mehr weiter ungewöhnlich.

Offenbar stagnieren zurzeit die E-Books-Verkaufszahlen in den USA. Beunruhigt Sie das?

Nein, nicht im Geringsten. Wir haben seit Monaten deutlich steigende Zahlen und genug gute Titel und Ideen in Planung, mit denen wir sehr motiviert ins nächste Jahr gehen. Generell wird der Buchmarkt ja bereits seit seiner Entstehung mit Pessimismus überschüttet, dem werde ich mich entgegen aller Schlagzeilen in diesem Leben nicht mehr anschließen. Zudem habe ich in Statistik damals zu gut aufgepasst, um auch nur irgendeiner Studie Glauben zu schenken – da viel lieber unseren internen Abrechnungen und die gehen einen steigenden Weg nach vorne.

Wagen Sie einen Blick in die Zukunft: Wie viele E-Books werden 2020 hierzulande verkauft im Verhältnis zu gedruckten Büchern?

Ich verweigere mich jeglichen Zukunftsprognosen, ansonsten wäre ich Wahrsagerin und nicht Verlegerin geworden. Aber diese Seite hilft Ihnen vielleicht weiter: page(http://www.ask8ball.net/)

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