Ein Büchermensch im Garten Eden: Jakob Kremer (85)

Jakob Kremer vor seinem Haus in Paltzi. Das Bild auf der Hauswand im Hintergrund zeigt Harry Rowohlt

Heute wird Joachim Johannes Jakob Kremer 85 Jahre alt. Und Buchhändler ist er, seit er 1967 Freiburg verließ, nicht mehr, obwohl die Regale seiner Häuser im Südwesten des Pilion manches Antiquariat mit Leichtigkeit in den Schatten stellen. Auch seinen Beruf als Verlagsvertreter für Suhrkamp – viele Jahre davon unter Siegfried Unseld – übt Jakob Kremer (seit er in Griechenland lebt, nutzt er nur noch seinen drittn Vornamen) schon länger nicht mehr aus:
Um die Zeit, als er zu Suhrkamp ging, war Kremer stark von Alfons Hochhauser fasziniert. Der als „Barfußprophet vom Pilion“ bezeichnete österreichische Aussteiger hatte auf der griechischen Insel Trikeri im Golf von Volos ein verlassenes Kloster bezogen. Seine radikal antimodernistischen, gesellschaftspolitisch allerdings äußerst schrägen Ansichten fanden in Kremer zu Anfang einen treuen Anhänger. Auch Kremer liebt die Natur und hält nicht nur Plastik für ein Fortschrittsübel. Seinen VW-Bus (nicht sehr klimafreundlich, aber alt!) stoppt er bei Fahrten ins nächstgelegene Dorf, sobald ihm eine Plastikflasche am Wegesrand oder eine ausgediente Automatte im Fluss ins Auge sticht.
Der Müll war es auch, der Jakob Kremers politisches Denken zumindest indirekt  beeinflusste. Die  Stimme Rudi Dutschkes hatte ihn bei einer Rede, zu der ihn einst seine Schwägerin mitnahm, gar nicht begeistert. Doch als Dutschke am Ende der Kundgebung sein Publikum aufforderte, doch bitte den übrig gebliebenen Müll wegzuräumen, war er schwer beeindruckt.
Nachdem Kremer sich nach deutlichen Meinungsverschiedenheiten mit Hochhauser auf die Suche nach einem eigenem Garten Eden machte, fand er eine brachliegende Mühle in einer fast unbesiedelten Pilionbucht. Anfängliche Pläne zur Gründung einer Genossenschaft, die zur kompletten Übernahme des Küstengebiets geführt hätten, verwarf er zwar bald. Dennoch hatte er die Lust am „pharaonischem Tempelbauen“ für sich entdeckt. Nach und nach erwarb er mehrere Grundstücke und restaurierte die darauf stehenden Ruinen zu schlichten Landvillen.
Am Motto vom einfachen Leben hielt er fest. Erst auf Wunsch seiner Familie und seiner zahlenden Gäste schloss er die Häuser ans Stromnetz an, sonst würde er auch heute noch mit Petroleumlampen arbeiten. Und Warmduschen geht nur, wenn der Boiler zuvor  mit Feuerholz gespeist wurde.
Es waren nicht selten Kollegen aus der Buchbranche, die ihre Feriendomizile in Kremers Nachbarschaft bezogen. Harry Rowohlt zum Beispiel war ihm in Griechenland zum guten Freund geworden. Im Winter, wenn es sehr einsam wird in seiner Bucht, stiften Medien den Kontakt zur alten Heimat: „Der Spiegel„, der mit einer Woche Verspätung eintrifft, und die Nachrichten von ZDF, NDR und anderen Sendern der ARD. Dafür muss dann doch ein Fernseher eingeschaltet werden. Aber nur ein ganz kleiner!

Wolfgang Stephan (gerade Gast im Haus, das früher Harry Rowohlt gehörte)

Kontakt: erika.buesel@gmx.de

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