Sebastian Stuertz über seinen Debütroman »Das eiserne Herz des Charlie Berg« „Hier bekommt man fünf Bücher zum Preis von einem“

Mitten hinein in die Corona Krise erschien im März bei btb »Das eiserne Herz des Charlie Berg« von Sebastian Stuertz.  Der Debütroman des Medienkünstlers wurde mit dem Literaturförderpreis der Stadt Hamburg ausgezeichnet und ist nominiert für den Michael-Kühne-Preis 2020, wurde  vom NDR zum Buch des Monats gewählt und im November 2020 wird Sebastian Stuertz zudem als Stipendiat der Roger Willemsen Stiftung ins mare Künstlerhaus ziehen – genügend Anlässe für unser heutiges Autorengespräch:
Sebastian Stuertz ist Medienkünstler, Musikproduzent und Podcaster, hauptberuflich animiert er Grafiken für Film und Fernsehen: „Ohne Lesungen und Kontakt zu den Leser:innen überwiegt das Gefühl, als Debütant in der Krise untergegangen zu sein“ (C) Tara Wolff (Durch Klick auf Foto zu seinem Podcast)

BuchMarkt: Wie wie immer fragen wir zuerst, worum geht es in ihrem Buch?

Sebastian Stuertz: Soll ich wirklich die Handlung erzählen?
Ich denke, das ist hilfreich für unsere Leser im Buchhandel, die Ihr Buch verkaufen sollen…
Beginn der 90er Jahre. Der Abiturient Charlie Berg hat ein schwaches Herz und die feine Nase eines Hundes. Seine große Liebe Mayra wohnt in Mexiko, seit der Kindheit schicken sie sich Videobriefe – doch damit muss nun Schluss sein, denn Mayra wird demnächst heiraten. Das passt zu Charlies Plan, alles hinter sich zu lassen, seiner chaotischen Künstlerfamilie zu entfliehen, um Zivi im Leuchtturm zu machen und endlich seinen Roman zu schreiben. Doch bei einem Jagdausflug mit seinem Opa geht einiges schief, es gibt Tote, und Charlie verwischt seine Spuren. Ab da läuft sein Leben völlig aus dem Ruder: Er soll beim wichtigsten Literaturwettbewerb des Landes lesen, obwohl er gar keinen Text eingereicht hat, sein schwaches Herz wird immer schwächer, sein sexbesessener Freund David erhält per Traumdiktat Aufträge von der Schicksalsgöttin persönlich, zusätzlich ist Kommissarin Carla Bentzin ihm auf den Fersen. Und die mexikanische Hochzeit scheint auch abgeblasen. Kurz: Es geht um Freundschaft, die ganz große Liebe, um Parfum, Schreiben, Mord, das Erwachen der Sexualität – und immer wieder um Hirschgulasch und Musik.
Gehts nicht etwas kürzer? Mir hätte Ihr letzter Satz gerade „Es geht um Freundschaft, die ganz große Liebe, um Parfum, Schreiben, Mord, das Erwachen der Sexualität – und immer wieder um Hirschgulasch und Musik“ gereicht … 
… Naja, ich finde ab 700 Seiten hat man Anspruch auf mehr als sechs Worte!
Ich bin durch die Empfehlung einer Freundin auf Das eiserne Herz des Charlie Berg aufmerksam geworden und habe dann erst mal einige   Rezensionen gelesen.
„Hier bekommt man fünf Bücher zum Preis von einem: Einen Coming-of-Age-Roman, einen Krimi, eine Liebesgeschichte, eine Familienchronik und einen Künstlerroman“ (Durch Klick auf Cover mehr zum Buch)

Diese Leserstimmen machen mich glücklich, offenbar empfinden viele Leser:innen mein Buch als rasant, durchgeknallt und herzerwärmend. Aber auch brutal, derb und tieftraurig.

Hört sich nach guter Unterhaltung an…
… genau, so sieht für mich perfekte Unterhaltung aus: Wenn man in hohem Tempo zwischen den Extremen hin und her gewirbelt wird, man also abwechselnd lachen und weinen kann. Es ist doch nichts ermüdender als eine Komödie ohne dunkle Zwischentöne – oder eine Gewaltorgie, der die Momente großer Menschlichkeit fehlen.
Also wie einigen wir uns, mit welchem Argument kann ein Buchhändler ihr Buch denn nun wem am besten verkaufen?
Hier bekommt man fünf Bücher zum Preis von einem: Einen Coming-of-Age-Roman, einen Krimi, eine Liebesgeschichte, eine Familienchronik und einen Künstlerroman, und das alles hübsch miteinander verwoben. Dazu ein Personal aus recht eigenen, skurrilen Figuren, die ich so lange mit mir herumgetragen habe, bis ich von ihnen erzählen konnte wie von alten Bekannten. Sämtliche Handlungsstränge laufen in einem großen Finale zusammen. Das alles spielt in einer Welt ohne Smartphones und Internet, in der eine transatlantische Videobotschaft noch als VHS-Kassette mit der Post verschickt wird. Besonders Leserinnen und Leser, welche die 90er Jahre erlebt haben, werden in diesem Buch viele analoge Anknüpfungspunkte finden.
Welche Rezensionen haben Ihnen denn am besten gefallen?
Die durchweg positiven Besprechungen von Presse, Buchhändlerinnen, anderen Autor:innen, Buchblogger:innen und Rückmeldungen von Leser:innen sind sicherlich das Schönste, was ich in meiner künstlerischen Laufbahn bisher erlebt habe. Hier sind ein paar meiner Lieblingszitate:
 
„Manche Bücher hauen einen um und sind so ungewöhnlich, dass sie einem erst mal nicht aus dem Kopf gehen. ‘Das eiserne Herz des Charlie Berg‘ ist so eins. Dem 46-jährigen Wahlhamburger ist so was wie ein Meisterwerk gelungen.
Annette Matz, NDR Kultur
 
„Sebastian Stuertz betritt die literarische Bühne mit einem Wahnsinnsbuch. Das wilde, aufregende, absurd-komische und ziemlich durchgeknallte Debüt eines großen Erzählers.“
Lucy Fricke 
„Ein sehr amüsanter Roman, sehr gekonnt geschrieben. Von Sebastian Stuertz wollen wir noch viel lesen.“
Maria-Christina Piwowarski (Buchhandlung ocelot) in der Sendung „Literaturagenten“, Radio Eins
„… ein rasanter, unglaublich fantasievoll geschriebener Roman mit vielen Volten und klugen Seitensträngen, die sich irgendwann alle verdichten und zu einem großen Ganzen fügen. Spannend, tief, toll.“
Julia Westlake, NDR Bücherjournal
Eine Geschichte, die so wild, fantasievoll, originell und crazy ist, dass sie sich mit nichts vergleichen lässt. Diese krasse Mischung aus geilem 90ies-Trash, Coming of Age, Liebesromanze, Familiengeschichte und Krimi ist wahrhaft einzigartig.“
Mareike Fallwickl, buecherwurmloch.at
„Ich habe eine solche Geschichte noch nie-niemals gelesen.“
Mareike Dietzel, nord-seiten.de
„Ich habe mein Lesehighlight 2020 gefunden. Es ist wie eine Sucht. Abhängigkeit erreicht hier ein vollkommen neues Level. Skurril, derb, pervers, kantig, laut und leise, herzerwärmend und erfrischend.“
Patricia Wolf @miss_atticos
Hat das in Corona Zeiten aber auch gewirkt..?
Mein Buch erschien genau zum Lockdown Mitte März. Und trotz der vielen begeisterten Besprechungen gab es in den ersten Monaten nach Erscheinen wichtigere Themen für uns alle. Zudem fanden weder Buchmesse noch Lesungen statt, auch keine Premierenfeier. Und vieles geschieht ja doch über Mund-zu-Mund-Propaganda – gerade in Maskenzeiten ein schwieriges Unterfangen. Mit den Lockerungen und der Nominierung für den Klaus-Michael-Kühne-Preis scheint jetzt wieder etwas Schwung in die Sache zu kommen, ich hatte ein paar kleine Open Air Lesungen und es gibt weitere schöne Veranstaltungen, zu denen ich eingeladen bin. Auch das Stipendium der Roger Willemsen Stiftung, das ich erhalten habe, mildert die Enttäuschung etwas ab. Aber ohne Lesungen und Kontakt zu den Leser:innen überwiegt das Gefühl, als Debütant in der Krise untergegangen zu sein.
Aber haben Sie das Gefühl, dass der Buchhandel jetzt Zeit für Ihr Buch hat?
Ja, inzwischen haben sich die meisten Leser:innen in der neuen Realität zurechtgefunden und Netflix und Co durchgespielt. Außerdem ist jetzt Sommer, wer will denn nach all den Zoom-Konferenzen noch vorm Screen hängen? Die Leute wollen sich von einer schrägen und spannenden Geschichte in eine Zeit entführen lassen, in der es noch keinen Social-Media-Wahnsinn gab. Nach anfänglicher Lesepause während der Krise merke ich nun an mir selbst, dass ich wieder unheimlich viel lese und es sehr genießen kann, mich in ein dickes Buch fallen zu lassen.
Was lesen Sie im Moment?
All meine „Mitbewerber“ um den Michael-Kühne-Preis. Gerade habe ich „Für immer die Alpen“ begonnen, von meinem geschätzten Kollegen Benjamin Quaderer. Großartig. Davor „Die Erfindung des Countdowns“ von Daniel Mellem, ebenfalls fantastisch. Janna Steenfatts „Die Überflüssigkeit der Dinge“ hat mir auch sehr gut gefallen. Als nächstes ist „Ein Mann seiner Klasse“ vom hochsympathischen Christian Baron dran, darüber habe ich bisher auch nur Gutes gehört. Die Jury tut mir leid, so viele fantastische Bücher – und nur eins darf gewinnen! Aber egal wer es am Ende wird – es ist eine Ehre, zu diesem Debütant:innen-Club dazuzugehören.
Was wünschen Sie sich (jetzt?)
In meinem Buch gibt es das Krautjazz-Duo von Charlie Bergs Vater, THE TOYTONIC SWING ENSEMBLE. Diese Band haben mein Freund Nikolaus Woernle und ich nachträglich gegründet und hatten für Lesungen eine Show mit Livemusik und Filmen vorbereitet – die Band aus dem Roman auf der Bühne. Ich bin kein riesiger Fan von reinen Wasserglaslesungen, ich mag Spektakel. Deshalb wäre es schön, diese Lesungen mit Musik und Filmen doch noch vor Publikum zeigen zu können. Ich wünsche mir sehr, dass nach der Krise noch Interesse an meinem Buch besteht und wir ein paar Shows vor Publikum spielen können. Hier kann man sehen und hören, wie das klang.  Und das Album der Band aus dem Buch gibt es bei Spotify
Die Fragen stellte Christian von Zittwitz
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