Heute ist der letzte Arbeitstag von Dr. Georg Reuchlein Ein Brief an den scheidenden Goldmann Verleger

Dr. Georg Reuchlein an seinem „legendären Schreibtisch“

Heute endet offiziell die großartige Verlegerkarriere von Dr. Georg Reuchlein. Zu seinem „letzten“ Arbeitstag hat ihm der Literaturagent Sebastian Ritscher (Mohrbooks Literary Agency, Zürich) einen Abschiedsbrief geschrieben:

Vor dreißig Jahren gehörte es zu meinen ersten Aufgaben in der Agentur, Packzettel für den Buchversand an Lektoren zu entziffern und die für jeden Empfänger vorgesehenen Prüftitel zu verpacken. Oft war da das Kürzel “Dr Reu Gldm”. In diese Pakete kamen nur die Kriminalromane. Als da später nur noch “Reu” stand und ich vom Packraum an einen Schreibtisch avanciert war, wuchs die Vielfalt der Bücher in Dr. Georg Reuchleins Paketen ebenso rasch wie die Zahl der Verlage, für die er jetzt Rechte erwarb.

Ich erinnere mich an einen der kuriosesten Verträge aus jener Zeit. Es ging ausnahmsweise nicht um einen Autor, den Georg selbst entdeckt hatte, denn Edgar Wallace gehörte seit der Gründerzeit zu Goldmann. Allerdings war er längst verblichen. Das ermöglichte es uns beiden, die vermeintlich frei gewordenen Rechte dank einer Eigenheit des britischen Urheberrechts neu zu verhandeln. Der Germanist Reuchlein mit dem Anglisten. Georgs Hochachtung fürs Werk dieses Monuments der Unterhaltungsliteratur beglückte den Anglisten und bestärkte mich, dem Beruf treu zu bleiben. Denn mir erschien die Eigenheit der Germanisten, zwischen E und U zu unterscheiden, stets rätselhaft. Bei Georg gibt es davon keine Spur. Seine Hochachtung für Bücher aller Gattungen und deren Verfasser beeindruckte mich schon damals.

Uns verbinden manche Meilensteine der Literatur und des Buchhandels: Michael Cunningham (erst für Goldmann, dann seit „The Hours“ für Luchterhand), Stefan Heym (für BTB), Lemony Snicket (für Manhattan), Rhonda Byrne mit “The Secret” (mit Gerhard Riemann für Arkana), Alyson Noel (für Page & Turner) und zahllose andere Bücher für jeden Geschmack (Mitch Albom, David Ebershoff, Arthur Phillips, David Gregory Roberts, George Saunders, Elizabeth Strout, um nur ein paar zu nennen).

Im sanften Vielleser steckt einer, der mit seinem Team an allen Fronten für Autoren und Bücher kämpft. Seine Begeisterung ist nicht für jeden gleich zu sehen, denn oft agiert er im Hintergrund und unterstützte seine Lektorate und Programmleiterinnen. Er selbst interveniert mit freundlicher Härte und Überzeugungskraft, wenn die Erwartungen internationaler Agenten und Autoren mit der Realität des Markts nicht zu vereinen sind oder ein Autor ins Programm gebracht werden soll, an dessen Bedeutung er unbedingt glaubt.

Unvergesslich bleibt allen Besuchern Georgs legendärer Schreibtisch. Unter Bergen von Neuerscheinungen muss sich irgendwo auch ein Telefon befinden, denn Georg telefoniert lieber als zu emailen. Mit der Hilfe seines Teams und seines langjährigen Assistenten und Wegbegleiters Werner Küchler vollbrachte er hier und unterwegs das Kunststück des Verlegens im Konzern: andere von der Qualität von Büchern zu begeistern, sie zu überzeugen, die Autoren zu unterstützen und dabei immer die Haushaltskasse und die Organisation im Blick zu haben.

Aber: die Goldmann Verlage ohne Georg, den Connaisseur und fairen Partner von Autoren, Agenten, Scouts, Verlagskollegen, Lektoren – wie soll das gehen? Doch Georg schafft auch das. Die Stabübergabe an seine Nachfolgerin Grusche Juncker war längst bestens vorbereitet.

Du gehst, mir bleibt, Dir, lieber Georg, für mehr als dreißig Jahre unermüdlicher Neugier und freundschaftlicher Zusammenarbeit zu danken. Mohrbooks wünscht Dir alles Gute. Komm uns bald besuchen!

Sebastian Ritscher (Mohrbooks Literary Agency, Zürich)

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