Ein Plädoyer für mehr politische Partizipation im Netz Hannes Ley: „Gleichzeitig geht es mir auch um einen gepflegteren Umgangston und Respekt“

Hannes Ley

Hannes Ley ist selbstständiger Kommunikationsberater in Hamburg. Ende 2016 hat er die Facebook-Gruppe #ich bin hier gegründet. Sie ist in nur einem halben Jahr auf rund 37.000 Mitglieder angewachsen und kämpft gemeinsam entschlossen gegen den Hass im Netz.

Wann immer gezielt Lügen verbreitet werden und mit Frauen-, Fremden-und anderer Meinungsfeindlichkeit niederste Instinkte gebrochen werden, stellt sich #ichbinhier gegen den Strom und positioniert sich gegen Hate Speech.  Denn wo sich Fake News und Hassreden zusammentun, entfaltet sich ein Potenzial, das die Gesellschaft spalten kann. Dem will Ley nun auch mit seinem neuen Buch #ichbinhier. Zusammen gegen Fake-News und Hass entgegensteuern, das am 19. Februar bei DuMont erscheint. Anlass für Fragen an den Autor:

BuchMarkt: Herr Ley, worum geht es in Ihrem Buch?

Durch Klick aufs Cover geht’s zum Buch

Hannes Ley: In meinem Buch geht es darum, das Phänomen der Hassrede (insbesondere in digitalen Medien) näher zu beleuchten und dazu ein paar zentrale Fragen zu beantworten: Was ist das eigentlich? Wie ist das Problem entstanden? Was hat das für Auswirkungen auf unsere Gesellschaft? Und wie kann man dem etwas entgegensetzen. Und hier wird es spannend. Im Dezember  2016 habe ich eine sehr effektive Facebook-Aktionsgruppe gegründet, die aktiv gegen Hass im Netz arbeitet und sich für eine bessere Diskussionskultur einsetzt. Die Gruppe hat mittlerweile 37.000 Mitglieder  und sie hat im Jahr 2017 einen enormen Beitrag dafür geleistet, dass die Öffentlichkeit ein Problembewusstsein für Hassrede entwickelt. Nicht nur, dass wir sehr viel Medienaufmerksamkeit bekommen haben, wir haben Hunderttausende von sachlichen und emphatischen Kommentaren auf Facebook geschrieben, die dort zu einem ausgewogeneren Meinungsbild geführt haben. Meine tiefe Überzeugung ist es also, dass man die Augen vor diesem Problem nicht verschließen sondern aktiv etwas dagegen tun sollte.

Das Logo der Facebook-Gemeinschaft #ichbinhier

Wie entstand die Idee dazu?

Mir ist wichtig, dass eine breite Öffentlichkeit die Bedeutung dieses Themas versteht. In den sozialen Medien wird ganz massiv und gezielt Meinungsbildung von politischen Gruppierungen betrieben.  Aber nicht nur das ist das Problem. Es werden Einzelpersonen und ganze Bevölkerungsgruppen beleidigt, diffamiert und bedroht. Das ist zum Teil strafrechtlich relevant, aber größtenteils mindestens abwertend bis sehr verletzend. Ich denke nicht, dass das die dominierende Diskussionskultur im Netz sein sollte und daher liegt es mir am Herzen, dass mehr Menschen sich für einen besseren Umgangston im Netz einsetzen. Das möchte ich mit diesem Buch erreichen. Dafür muss man aber erstmal verstehen, was da eigentlich insbesondere in den sozialen Medien auf Facebook abgeht.

Welche Leserschaft wollen Sie damit ansprechen?

Natürlich möchte ich mit dem Buch Menschen erreichen, die vielleicht nicht unbedingt auf Facebook aktiv sind und sich des Problems gar nicht so bewusst sind, die aber in vielerlei Hinsicht trotzdem zur Lösung des Problems beitragen könnten. Das sind für mich politische Entscheidungsträger, Juristen,  Polizisten, Pädagogen, etc. Andererseits möchte ich all diejenigen ansprechen, die durchaus soziale Medien nutzen, sich bisher aber noch nicht in die „Digitale Zivilgesellschaft“ einbringen.  Hier wünsche ich mir wirklich sehr, dass in den sozialen Medien ein stärkeres politisches Engagement von gemäßigteren Kräften stattfinden würde, denn die aktuelle Dominanz eines schlechten Umgangstons verzerrt die Realität und führt zu einer allgemeinen Verrohung der Sprache.

Mit welchem Argument kann der Buchhändler das Buch am besten verkaufen?

In meinem Buch habe ich großen Wert darauf gelegt, Lösungsansätze aufzuzeigen. Das Problem ist zwar vielen Menschen bewusst, aber die Mehrheit von uns steht ohnmächtig davor und weiß sich nicht anders zu helfen als zu sagen: „Housten, we have a Problem!“ Das ist zu wenig. Mein Buch präsentiert Wege und Ansätze aus dem Dilemma und das macht Hoffnung. Man muss sich dessen bewusst werden, dass digitale Medien aus der politischen Meinungsbildung nicht mehr wegzudenken sind. (Politische) Hassrede beeinflusst die Gesellschaft schon jetzt so dramatisch, dass sie Wahlen mitentscheiden kann. Und nicht nur das. Sie kann Menschenleben zerstören. Das Thema ist hochgradig zukunftsrelevant und aktuell sind auch die meisten Lösungsansätze (Stichwort Netzwerkdurchsetzungsgesetz) unausgereift oder es gibt schlichtweg keine. Deswegen… hier ist etwas, was funktioniert: #Ichbinhier

In welchem literarischen Umfeld sehen Sie das Buch im Laden?

Im Wesentlichen ist mein Buch ein Plädoyer für mehr politische Partizipation im Netz. Die Digitale Zivilgesellschaft wird eines der zentralen netzpolitischen Themen der Zukunft werden. Gleichzeitig geht es mir persönlich weniger um politische Inhalte, sondern um eine überparteiliche digitale Debatte mit einem gepflegten Umgangston. Wer etwas erreichen will, muss respektvoll mit seinem Gesprächspartner umgehen. Kritik kann hart sein, aber sie sollte im Rahmen von demokratischen rechtsstaatlichen Spielregeln geäußert werden. Insofern sehe ich das Buch in der Politik, der Gesellschaft und der Kommunikation verortet. Letzteres ist auch meine berufliche Expertise.

Haben Sie spezielle Schreibgewohnheiten/Ticks/Spezielles?

Man sagt mir einen sehr persönlichen Schreibstil nach. Ich bin sehr offen und es ist mir wichtig, etwas von mir preiszugeben, um eine Vertrauensbeziehung aufzubauen. Für dieses Buch musste ich da ein paar Einschränkungen machen, da ich mich auch vor persönlichen Angriffen schützen muss.

Ihre Lebensphilosophie?

Alles in meinem Leben dreht sich darum, pragmatische Lösungsvorschläge für Probleme zu erarbeiten. Das ist meine Leidenschaft und es schützt mich vor einem wachsenden Ohnmachtsgefühl. Ich möchte gestalten und weniger gestaltet werden. Deswegen bin ich wahrscheinlich auch selbstständig.

Was lesen Sie privat gerne/aktuell?

Leider lese ich seit Jahren nur wenige Bücher. Ich bin intensiver Zeitungsleser und da interessieren mich politische Themen am meisten. Auf dem wachsenden Bücherstapel neben meinem Lesesessel liegen zur Zeit zwei Bücher obenauf: Über den Anstand in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wir miteinander umgehen von Axel Hacke und Bergsteigen im Flachland von Urs Mannhart.

Welche Frage, die wir nicht gestellt haben, hätten Sie dennoch gerne beantwortet?

Macht es Sinn, sich gegen Hassrede und für eine bessere Diskussionskultur im Netz einzusetzen?

Hier können Sie dies nun tun:

Ja, macht es. Trotz aller Beleidigungen gegen meine Person, trotz der vielen Auseinandersetzungen mit abwertenden, kompromisslosen Kommentatoren in den Facebook-Kommentarspalten, trotz der sich immer wieder gebetsmühlenartig wiederholenden volksverhetzenden Inhalte, ist es für mich unglaublich sinnstiftend, etwas für die Gesellschaft zu tun und mich für mehr Menschlichkeit in den sozialen Medien einzusetzen. Ich habe mir damit mein eigenes Ehrenamt geschaffen.

 

 

 

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