Warum die Aktion #verlagegegenrechts ? Zoë Beck: „Es war toll zu merken, dass wir jeden Tag mehr wurden“

Mehr als 45 Verlage und 100 Einzelpersonen haben das Statement der Initiative #verlagegegenrechts gegen rechte Hetze auf der Leipziger Buchmesse unterzeichnet. Seit Mitte Dezember läuft eine Crowdfunding-Kampagne auf Startnext, über die die Initiative #verlagegegenrechts mindestens 7.500 einnehmen will. Über die Hintergründe der Kampagne und ihre Pläne auf der Leipziger Buchmesse sprachen wir mit Zoë Beck, René Arnsburg und Lisa Mangold.

BuchMarkt: Wie entstand „Verlage gegen rechts“?

Zoë Beck (c) Anette Göttlicher.

Zoë Beck: Auf der Buchmesse 2916 haben sich einige Verlagskolleg*innen erstmals zusammengetan, auf Initiative des Verlags w_orten & meer. Grund war die unausweichliche Präsenz des Compact Magazins, das mit seinem wuchtigen Stand mitten zwischen den unabhängigen Verlagen platziert war. Besucher*innen, oft unwissend über Hintergründe und Ziele der Zeitschrift, wurden mit Giveaways angelockt. Compact selbst predigt in jeder Ausgabe seine Theorie der, u.a. durch die USA, gleichgeschalteten Medien. In der Zeitschrift wird aggressiv gegen Migrant*innen, Frauen und Linke gehetzt. Wenn ein Verlag, bez. ein Publikumsorgan zu keiner Diskussion bereit ist und Verschwörungstheorien und Hassbotschaften verbreitet, bedarf es einer Intervention. Und war es wichtig, auf den politischen Hintergrund des Verlages hinzuweisen. Dafür haben wir jeden Tag einen Flashmob veranstaltet, Besucher*innen und Kolleg*innen waren eingeladen, ausgestattet mit ihren Lieblingsbüchern, vor dem Compact Stand zu protestieren. Es war toll zu merken, dass wir jeden Tag mehr wurden.

Wieso „Verlage gegen rechts“?

Lisa Mangold

Lisa Mangold: Die ersten Aktionen fanden auf der Leipziger Buchmesse 2016 unter dem Hashtag #verlagegegenrechts statt. Es war ein leicht zu merkender Slogan, der auf der einen Seite eine klare Aussage beinhaltete, aber trotzdem breit genug war, dass sich Menschen und Verlage aus verschiedenen Richtungen damit identifizieren konnten.

Nach der vergangenen Buchmesse in Leipzig griffen wir das auf und fügten eine Definition hinzu, die deutlich macht, dass es uns darum geht aktiv zu werden und Besucher*innen und Kolleg*innen zu ermutigen sich zu engagieren: „Aktionsbündnis von Verlagen gegen rassistisches, antifeministisches und homofeindliches Gedankengut“.

Zwar setzen wir uns in erster Linie mit der Präsenz rechter Verlage auseinander, aber uns ist auch klar, dass sich diskriminierende Einstellungen nicht aus sie beschränken. In unserer Stellungnahme, für die wir von über einhundert Personen und 45 Verlagen Unterschriften sammelten, finden sich positive Ansätze, um eine Ahnung davon zu geben, über welche Alternativen wir diskutieren wollen. Der Ansatzpunkt bleibt aber das gemeinsame Engagement gegen Rechts. Deshalb bleiben wir bei #verlagegegenrechts.

Nach der Frankfurter Buchmesse wurde die Kritik laut, dass der Protest kostenlose Werbung für rechte Verlage gewesen sei. Was ist Ihre Position dazu?

René Arnsburg

René Arnsburg: Wenn Aufklärung über rechte Ideologie und Struktur als Werbung verstanden wird, sollten diejenigen, die das sagen, über ihre politische Haltung nachdenken. Die Erfahrung zeigt, dass ein Hinwegsehen über rechte Strukturen eben diese Strukturen viel mehr  schützt.

Schauen wir uns die steigende Zahl von Angriffen auf Geflüchtete oder deren  Unterkünfte an – trotz gezielter Anschläge wurde nicht von rechter Gewalt, sondern von Einzeltaten gesprochen. Über 400 behördlich bekannte Neonazis sind untergetaucht, und niemand weiß, wo sie sind. Wenn hier weggeschaut wird, statt Probleme offen zu benennen, entsteht ein Schutzraum für Rechte. In einem solchen Umfeld konnte sich der NSU beispielsweise jahrelang problemlos bewegen. Zwar wurden der Öffentlichkeit bewusst Informationen vorenthalten, aber der NSU selbst und dessen Umfeld agierte offen in der rechten Szene.

 

Es könnte gesagt werden, dass es eine gute Werbung für das rechte Original ist, wenn etwa rassistische Positionen in die Mitte der Gesellschaft gerückt werden und von etablierten  Politiker*innen aufgegriffen werden. So wird die ganze Diskussion nach rechts gerückt. Ein Gegengewicht dazu ist nur auf gesellschaftlicher Ebene zu erreichen, aber dafür müssen wir offen darüber reden – und aktiv werden.

Was haben Sie für die Leipziger Buchmesse 2018 geplant?

Zoë Beck: Auf der Messe wollen wir mit Kolleg*innen und Besucher*innen diskutieren . Dafür organisieren wir zehn Veranstaltungen unter dem Titel „Die Gedanken sind bunt“,  um ein anderes Menschenbild und Meinungsspektrum zu transportieren, „nämlich das einer offenen, freien Gesellschaft“, wie Messedirektor Zille im Interview mit dem MDR kürzlich selbst sagte. Wir wollen mit Autor*innen mit und ohne Fluchterfahrung über das Schreiben sprechen, über das politische Potenzial von Literatur, über Antifeminismus, soziale Probleme in Ostdeutschland und und und.

Wie schon auf der Frankfurter Buchmesse wollen wir Lesezeichen und Buttons verteilen, eine Broschüre mit Büchern für Solidarität drucken und über rechte Verlage aufklären. Noch bis zum 21.1 läuft eine Crowdfunding-Kampagne auf Startnext, die uns helfen soll, unsere Pläne zu verwirklichen. Zwar arbeiten wir alle unentgeltlich an der Kampagne, aber die Produktion des Materials, Reisekosten für Menschen mit geringen eigenen Mitteln usw. kosten Geld.

Kommentare (1)
  1. So ein absolut diffamierender Nonsens!

    Viele Lese- & Diskussionsveranstaltungen wurden von COMPACT auf und im Rahmen der Leipziger Buchmesse abgehalten, bei der das hier alles widerlegt werden kann.

    https://www.youtube.com/watch?v=uwgYWUNvbNI

    Wer über Jahre den größten Teil des Spektrums der gesellschaftspolitischen Presse verfolgt und die jeweiligen Ausgaben zumeist vollständig liest, kann so eine krude Meinung von Frau Beck & Co gar nicht zum schlechten geben. Mal abgesehen davon, wenn man sich mit den Machern und den angestellten Mitarbeitern des COMPACT Verlags mal beschäftigt und auseinandergesetzt hat. Oder wollen Sie etwa behaupten, daß z.B. der Verleger Kai Homilius oder der Chef vom Dienst Martin Müller-Mertens ‚Rechte‘ oder ‚extreme Nazis‘ seien? Ganz im Gegenteil! Und das sind so gut wie alle bei dem Verlag! Selbst der Chefredakteur ist es im Kern überhaupt nicht! Und im Übrigen macht ein Chefredakteur noch keinen Verlag oder gänzlich die persönliche Haltung seiner Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus. Also Vorsicht mit Verallgemeinerungen und Verunglimpfungen! Fragen Sie doch mal dort im Sekretariat nach…

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