Das Autorengespräch Dr. Eva Gesine Baur über ihr literarisches „Doppelleben“

Immer freitags hier ein Autorengespräch: Diesmal mit Dr. Eva Gesine Baur, die mit dem Pseudonym Lea Singer ein literarisches „Doppelleben“ führt.

Sie gehört heute zu den produktivsten Autoren der Buchbranche (s. a. [mehr…]. Unter ihrem Pseudonym schreibt sie Romane, als Eva Gesine Baur kulturhistorische Sachbücher, vor allem Biographien.

BuchMarkt: Wissen Sie eigentlich noch, wie viele Bücher Sie schon geschrieben haben?

Gesine Baur

Eva Gesine Baur: Es reicht ja, wenn es die Buchhändler wissen. Und die wissen es. Ich bin übersichtlicher als viele Kollegen, die ich gerne lese, zum Beispiel Klaus Modick. Und viel übersichtlicher als zahlreiche bekannte Tote. Vielleicht irritiert manche, dass ich ein bunter Hund bin, aber der lässt sich nicht monochrom einfärben.

Aber Sie sind ein fleißiger bunter Hund…

Gegen Schiller, der in meinem Alter schon zehn Jahre tot war, bin ich ein Faultier, gegen Balzac und andere Franzosen erst recht und auch gegen viele Österreicher wie Zweig.

Warum kam es denn zu Ihrem literarischen Doppelleben?

Vor dem Romanschreiben hatte ich gewaltig Respekt. Aus gutem Grund. Ich wollte mich als Person im Hintergrund halten und dort, falls Fortsetzung gewünscht würde, bleiben. Der Verlag erfand eine Biographie und hielt dicht und die Medien waren angeregt. In der SZ stellte der kluge Rezensent Mutmaßungen an, wie ich wohl aussähe. Beim Zweitling erklärte mein Verlag, es brauche ein Gesicht zum Buch. Das glaubte ich nicht und glaube es noch immer nicht, sonst würde niemand Elsa Morante kaufen. Aber ich stieg aus meinem Versteck.

Unter welchem Ihrer Namen fühlen Sie sich derzeit wohler?

Unter beiden gleich wohl oder gleich unwohl, je nachdem, wie die Arbeit gerade läuft. Ich bin Beidhänder, und wer Zwiebeln rechts und links gleich schnell schneidet oder Knöpfe gleich gut annäht, schreibt auch in zweierlei Metiers, ohne lange darüber zu brüten.

Aktuell sind von Ihnen mit dem Mozart-ABC bei C.H. Beck und Anatomie der Wolken (bei HoCa) zwei Bücher auf dem Markt, die unterschiedlicher nicht sein könnten…. Können und wollen Sie Buchhändler mit ein paar Argumenten helfen, wie er die am besten verkaufen könnte?

Zum Mozart-ABC: Nicht nur Schokolade kann praktisch & gut sein. Wenn irgendwo das Gespräch auf Mozart kommt, hört den Besserwissern keiner zu. Aber wer aus diesem ABC etwas kredenzt, hat sofort Abnehmer. Außerdem ist dieses bibliophile Taschenbuch ideal für alle, die sich vorgenommen haben, abends mindestens irgendein Kapitel zu Ende zu lesen; sie haben hier ein garantiertes Erfolgserlebnis (Kapitellänge: ½ bis 2 Seiten). Und wer Mozartliebhabern etwas mitbringen will, das weder den Bücherschrank anschwellen lässt, noch die schlanke Linie (Mozartkugeln müssten wegen der Kalorien Mozartbomben heißen), kann das ohne Bedenken schenken.

Und Lea Singers Anatomie der Wolken?

Helden auf dem Sockel schaut keiner an. Ich habe einem männlichen Münchner Bronzedenkmal drei Monate einen Schnurrbart angeklebt und keiner hat es gemerkt. Goethe und Friedrich auf Augenhöhe zu betrachten, als zwei Menschen in der Krise, die über ein heute brandaktuelles Thema aneinandergeraten, bringt Goethe näher, Friedrich näher und das Thema Wolken erst recht. In England las ich in einer Zeitung, dort sei Cloudspotting „a kind of new religion“. Goethe suchte in der Wolkenforschung Sinn, Friedrich im Dialog mit den Wolken, durch die für ihn Gott sprach. Beide Sorten Sucher gibt es heute auch auf der ganzen Welt. Und falls es jemandem geht wie mir … Ich hatte als Jungstudentin Lust, meditieren zu lernen, aber Muffensausen davor. Da las ich in der ZEIT, was der Physiker Friedrich von Weizsäcker dazu sagte: Meditieren heiße einfach, die Gedanken kommen zu lassen. Zwischen den Zeilen erzählt das Buch davon, warum die Wolken als Mediationsobjekte des Wandelbaren ideal geeignet sind.

Leser, die nach- und mitdenken, sind Ihnen am liebsten?

Bei Mozart haben wache Leser ein paar Dreckfuhler entdeckt, die ich auch schon entdeckt hatte, aber die Fehlermeldungen mit so viel Dank für die Erheiterung serviert, das ich sie mit Freuden schlucke. Was mich freut ist, wenn abgebrühte Mozart-Spezialisten sagen: Ach, das mit dem Pimpes wusste ich nicht und das mit dem Friseur und den Schweinskoteletts ist mir auch neu. Bei den Wolken fasziniert mich wie viele Leser mir gestehen, dass sie besessene Wolkengucker sind und sich schon deswegen für die berühmten Wolkengucker Goethe und Friedrich interessieren. Meistens heißt es dann: Und stimmt das überhaupt, was bei Ihnen über die Begegnung steht? Ja, das stimmt. Orte, Fakten, Personen, Umstände, Aussagen. Ich liebe die Poesie des Faktischen.

Buchhändler erzählen mir, wie gern und unterhaltsam Sie bei „Lesungen“ über Ihre Bücher erzählen …

Das sind meine Highlights. Schreiben ist ein einsamer Beruf und, so unsympathisch es klingt, er erfordert eine eiserne Disziplin. Wie das Komponieren. Mozart stand um fünf oder sechs Uhr auf, ich mache das im Schaffensprozess auch. Zum Glück trägt einen die Schaffensfreude über die Entbehrungen hinweg. Da ich aber nichts mehr liebe, als mit Menschen umzugehen, sind die Lesereisen für mich die Belohnung für den Frondienst am Schreibtisch. Übrigens lese ich immer nur ganz wenig vor, lesen kann jeder selbst, sondern erzähle etwas aus meiner Werkstatt. So komme ich besser in Kontakt mit meinen Zuhörern und erfahre durch Reaktionen, Lacher, Einwürfe und Fragen, auch etwas von ihnen. Irgendwie ist das wie ein Abend unter Freunden. Und dann kriege ich auch noch Geld dafür (das ich, wie jeder der in die Künstlersozialkasse einzahlt, dringend brauche).

Die Fragen stellte Christian von Zittwitz. In der vorigen Woche sprachen wir mit Heike Koschyk alias Sophie Bonnet [mehr…].

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