Das Sonntagsgespräch Dr. Eberhard Kossack über Tücken bei Kauf und Verkauf von Verlagen

Noch vor zehn Jahren galten Goldmann und Heyne als scharfe Konkurrenten, heute sitzen sie unter einem Dach. Verlage wechseln den Besitzer, kleine öfter als große. buchmarkt.de sprach mit Dr. Eberhard Kossack, der viele Transaktionen begleitet hat, über Motive von Käufern und Verkäufern und was man dabei beachten sollte.

buchmarkt.de: Ganz plötzlich gibt es eine Pressemeldung: Verlag X kauft Verlag Y – Herr Dr. Kossack was sind die Motive, was steckt hinter einer solchen Meldung?

Dr. Eberhard Kossack

Kossack: Jede Transaktion hat äußerst unterschiedliche Hintergründe, das ist bei Verlagen und Buchhandlungen nicht anders als in der Wirtschaft sonst. Aber besonders im Medienbereich muss man bezüglich der Motivation von Käufern und Verkäufern unterscheiden zwischen den „großen Transaktionen“ und Kauf und Verkauf im mittelständischen Bereich. Bei großen Transaktionen sind zumeist strategische Überlegungen und in jedem Fall schon wegen der Größenordnung ganz klare wirtschaftliche und finanzielle Interessen als Kriterien bestimmend – denken Sie an die Zeitungslandschaft; im mittelständischen Bereich dagegen haben wir es zumeist mit unterschiedlichen und auch irrationalen Bestimmungsgründen zu tun: Altersgründe, Krankheit des Inhabers, keine Nachfolge aus der Familie, wirtschaftliche Schwierigkeiten, Versorgungsfragen usw.

buchmarkt.de: Wo ist aber die Grenze zwischen „großer Transaktionen“ und Vorgängen im Mittelstand – ist das eine Frage der Größenordnung ?

Nein, das ist keine Frage der Umsatzgröße oder der Beschäftigtenzahl oder der Titelzahlen oder der Quadratmeter. Mittelstand beginnt da und hört dort auf, wo das Geschäft die Lebensgrundlage für die Inhaberschaft ist. Wenn ein mehrstufiger Medienkonzern mit Zeitungshintergrund einen wissenschaftlichen Verlag besitzt und dessen Ertrag als unzureichend empfindet, sind für die Veräußerung andere Überlegungen bestimmend, als wenn der gleiche wissenschaftliche Verlag mit seinen Autoren einmal das Renommee des Verlegers begründet und eine mehrköpfige Familie anständig ernährt hat. Diese emotionalen und irrationalen Faktoren potenzieren sich, wenn die Partner der Transaktion auf beiden Seiten Mittelständler sind. Da geht es dann beiderseits um nachvollziehbare und weniger nachvollziehbare Motive und Kriterien, persönliche Wertschätzung und Rücksichten, die die involvierten Berater und beiderseits engagierten Banken manchmal verzweifeln lassen, eben weil die Positionen nicht rational fassbar sind.

buchmarkt.de: Das heißt: Am Verhandlungstisch sitzen nicht nur zwei Unternehmer als Käufer und Verkäufer, sondern daneben die Familie und unterschiedlich motivierte Berater und Banken?

Kossack: Ja – genau so: Die Frage, ob oder ob nicht verkauft wird, ist natürlich eine ganz entscheidende Frage, die auf der Ebene der Unternehmer und der beteiligten Unternehmerfamilien gestellt wird, da spielen Beraterüberlegungen und Banken noch nicht die entscheidende Rolle. Erst wenn es um die Konstruktion und um die finanzielle Machbarkeit geht, dann tauchen häufig Fragen und Vorstellungen auf, die eine Transaktion in Frage stellen können. Das sind die so genannten „Dealbreaker“. Diese Unsicherheiten treten bei „großen Transaktionen“ nicht oder nur sehr abgeschwächt auf – meine ich.

buchmarkt.de: Und welche Rolle spielen dann die Berater der jeweiligen Parteien?

Kossack: Nicht immer eine glückliche – das ist ein typisches Mittelstandsproblem. Normalerweise haben die Verkäufer keine Erfahrungen und keine Vorstellungen, wie man einen Verkauf oder eine Abwicklung bewerkstelligen kann und wie man den Wert eines Medienunternehmens berechnen soll – man hat das ja normalerweise bisher noch nicht praktiziert, aber man hat von „Faustregeln“ gehört und von den sogenannten „Multiplikatoren“. Hier wäre an sich der sachkundige Rat von Steuerberatern und Anwälten gefragt, aber die sind zumeist nur auf ihre jeweiligen Mandanten fixiert, d. h. der Berater des Käufers macht pflichtgemäß seinen Mandanten auf die unglaublichen Risiken der Transaktion aufmerksam und demotiviert seinen Mandanten, der Berater des Verkäufers will pflichtschuldigst das Lebenswerk seines Mandanten schützen und möglichst hoch abgegolten wissen und schraubt dessen Erwartungshaltung an das Geschäft hoch. Das kann ein Teufelskreis werden. Die objektiven Faktoren der Wertfindung kommen dabei häufig zu kurz. Die Verhandlungen sind im Übrigen auch dadurch belastet, dass es trotz aller Bemühungen keine objektiv richtige Methode der Kaufpreisfindung gibt. Je besser die Partner und ihre Vorstellungen zueinander passen, desto höher der Transaktionswert.

buchmarkt.de: Was empfehlen denn Sie bei einer solchen verzwickten Gemengelage?

Kossack: Möglichst frühzeitig klären, was denn überhaupt Gegenstand von Kauf und Verkauf sein soll: das ganze Unternehmen oder nur Teile, mit Forderungen und Verbindlichkeiten oder ohne, mit Mitarbeitern oder ohne. Wenn diese Fragen nicht rechtzeitig geklärt sind, reden die Parteien stundenlang aneinander vorbei und können auch die jeweiligen Wertvorstellungen nicht abgleichen. Generell gilt: Je höher die Verbindlichkeiten sind, die der Käufer übernehmen muss, desto geringer ist die eigentliche Kaufpreiszahlung.

buchmarkt.de: Was steckt dann aber hinter dem „Multiplikator“?

Kossack: Das ist im Grunde ein Kapitalisierungsfaktor, der aber sehr genau hinterfragt werden muss. Der Multiplikator ergibt sich als Funktion der Amortisationsdauer und des langfristigen Zinsertrags für risikofreie Geldanlagen. Grob überschlägig bekommt man ein Gefühl dafür, wann sich bei gegebener Ertragskraft eine Investition amortisiert, wann man endlich Netto-Nutzen aus der Investition ziehen kann. So eine Art „return on investment-Überlegung“. Bei unkritischer Anwendung der Multiplikatoren kann man sich sehr vertun. Ein Multiplikator von fünf entspricht beispielsweise bei einem Zinssatz von sechs Prozent einer nachhaltigen Gewinnerzielung von etwa sechs Jahren und ein Faktor von sieben etwa neun Jahren. Das ist verdammt lange.

buchmarkt.de: Und welche Rolle spielt die Steuerfrage bei einer Transaktion?

Kossack: Eine gewaltige, denn der Kaufpreis ist ja zum Großteil auch Veräußerungsgewinn und deshalb beim Verkäufer steuerpflichtig. Das ist dann auch der Grund, weshalb die beiderseitigen Steuerberater jeweils in die Verhandlungen einbezogen werden. Beide Seiten haben die Vorstellung einer „steueroptimalen Konstruktion“, d. h. der Verkäufer möchte für den Verkaufserlös möglichst wenig Steuern bezahlen und der Käufer will etwaige Verlustvorträge zur eigenen Nutzung erhalten wissen und etwaige immaterielle Werte möglichst schnell und möglichst vollständig abschreiben können und nicht etwa wie einen Firmenwert auf 15 Jahre verteilen müssen. Der Fiskus hat da meistens andere Interessen.

buchmarkt.de: Ja, ist denn aber bei gegebenem Kaufpreis überhaupt Spielraum für steuerliche Gestaltung?

Kossack: Aber ja – zunächst haben wir beim Unternehmensverkauf eine altersbedingte Tariferleichterung, da muss man dann den Zeitpunkt der Transaktion entsprechend einrichten. Oder man kann Verträge zeitlich befristen, um den Abschreibungszeitraum zu regulieren. Oder man vereinbart Beratungsverträge anstelle eines komplexen Kaufpreises. Oder die Rechtsform des Verkaufsgegenstandes wird geändert und so weiter und so fort. Bei mittelständischen Transaktionen ist der Spielraum sogar größer als bei „großen“ Transaktionen. Nur, der Fiskus wacht mit Argusaugen, ob „Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts“ etwa vorliegt. Deshalb muss die Kirche im Dorf bleiben.

buchmarkt.de: Aber diese Unsicherheiten müssten doch spätestens dann ein Ende haben, wenn die Kaufpreisvereinbarung steht.

Kossack: Auch nicht wirklich – mit der Kaufpreisfrage fängt nämlich die Diskussion über Garantien und Zusicherungen an. Selbst wenn geklärt ist, ob sharedeal, assetdeal oder nur Rechte und Bestände – es gibt keinen objektiven Wert für ein Unternehmen und keine objektiven Werte für immaterielle Substanzen. Deshalb werden käuferseitig Garantien eingefordert: Bleiben die Autoren dem Verlag erhalten? Wird der lukrative Mietvertrag für die Buchhandlung verlängert? Bleiben die entscheidenden Mitarbeiter auch für die neue Inhaberschaft tätig? War in der Vergangenheit steuerlich und sozialversicherungsrechtlich alles in Ordnung? Gibt es Prozessrisiken – man denke an die unglückliche Auseinandersetzung mit der Treuhandanstalt über „Plusauflagen“? Je höher der Kaufpreis, desto umfänglicher die Liste der eingeforderten Garantien.

buchmarkt.de: Und wie soll man sich vor unliebsamen Überraschungen vor, während und nach dem Kauf bzw. Verkauf seines Unternehmens schützen?

Kossack: Nun, da gibt es schon einige bewährte Verhaltens- und Verfahrensgrundsätze, um sich und alle Beteiligten zu schützen: Absolute Vertraulichkeit vereinbaren und einhalten. Die Transaktionsabsicht insbesondere auf der Verkäuferseite nicht publik werden lassen – wenn vorzeitig etwas über die Verkaufsabsicht bekannt wird, kann das fatale Folgen bei Autoren, Mitarbeitern und Geschäftspartnern haben.
Verhandlungen möglichst mit Exklusivitätsvereinbarung führen, d. h. für eine genau bezeichnete Zeitspanne keine Parallelverhandlungen mit Dritten. Auch hier: Diskretion wahren.
Die Verhandlungsergebnisse grundsätzlich in einer Absichtserklärung, letter of intent genannt, möglichst detailliert und beiderseits unterschrieben festhalten. Das erleichtert den zugezogenen Anwälten und Steuerberatern die Vertragsformulierung.
Auf der Grundlage des letter of intent und bei Wahrung absoluter Vertraulichkeit eine sorgsame Überprüfung aller Unterlagen den Transaktionsgegenstand betreffend durchführen oder durchführen lassen, die so genannte due diligence-Prüfung – wie sind die Bestände bewertet? Können Autoren der Transaktion widersprechen? usw.
Entsprechend dem letter of intent und den Erkenntnissen der due diligence einen Vertragsentwurf ausarbeiten lassen und diesen beiderseits nochmals auf steuerliche und rechtliche Folgen überprüfen. Dabei sehr sorgfältig beschreiben, wer was zwischen Vertragsabschluss und Übergabe des Unternehmens darf, und was nicht ohne Zustimmung des Partners geschehen darf (Ramschaktionen, Ladenpreisaufhebungen, Einkaufsvorgänge usw.)

Und als Grundsatz beachten: absolute Offenheit und Ehrlichkeit in jeder Verhandlungsphase wahren; man trifft sich in der gleichen Branche immer wieder und sollte sich dann unbefangen begegnen können.

Im kommenden BuchMarkt stellen wir Ihnen drei Buchhandlungen vor, bei denen die Unternehmensnachfolge – mehr oder weniger reibungslos – funktioniert hat.

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