Heute im Sonntagsgespräch Andreas Platthaus über ... … sein Buch „18/19“ und die „ansteckende Begeisterung“, die er der Buchbranche wünscht

Andres Platthaus: „Was ich mir wünsche, ist Enthusiasmus fürs Buch, denn nichts ist ansteckender als Begeisterung. Und natürlich ein kritisches Bewusstsein gegenüber Büchern, denn nichts ist auf Dauer abschreckender als simulierte Begeisterung.“

 

Andreas Platthaus, Feuilletonredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und in unseren Augen eher „Comic-Fan und Experte“ (1998 erschien sein Buch „Im Comic vereint“, 2016 „Das geht ins Auge – Geschichten der Karikatur“), überrascht in diesen  Tagen bei Rowohlt mit „18/19 Der Krieg nach dem Krieg“, einem Buch über die Monate zwischen dem Waffenstillstand vom 11. November 1918 bis zur Unterzeichnung des Versailler Vertrags im Juni 1919. Sein Genrewechsel war der Anlass für Fragen zum Buchstart am 20. Februar:
 
Ihr „Seitenwechsel“ hat uns doppelt überrascht – als Belletrist und als Comic-Experte schreiben Sie ein Sachbuch über eine der größten militärischen Katastrophen des 20. Jahrhunderts, den Ersten Weltkrieg – wie kam  es zu Ihrem Genrewechsel?

Durch Klick auf Cover zum Buch

Andreas Platthaus: Für mich war das kein Genrewechsel, ich habe Geschichte studiert. Und vor ein paar Jahren hatte ich auch schon eine Studie über die Völkerschlacht von Leipzig im Jahr 1813  geschrieben, die damals gut aufgenommen wurde. Jetzt noch einmal hundert Jahre weiter zu gehen, war reizvoll, um zu schauen, was am Ende des nächsten großen Krieges geschehen ist.

Und worum geht es in Ihrem Buch genau?

Um einen Krieg, den keiner so nennt, nämlich die Zeit nach dem Waffenstillstand vom 11. November 1918, mit dem nach landläufiger Meinung der Erste Weltkrieg beendet wurde, obwohl der Kriegszustand natürlich fortdauerte, auch wenn die Waffen schwiegen. Frieden gab es erst mit der Unterzeichnung des Versailler Vertrags am 28. Juni 1919, und das, was in den achteinhalb Monaten dazwischen passierte, war von nicht weniger Feindseligkeit zwischen den beiden Seiten geprägt als vorher. Aber dafür kam in Deutschland auch noch der innere Kampf um die Macht in der frisch ausgerufenen Republik dazu, der an den Rand eines Bürgerkriegs führte. Über diesen Krieg nach dem, was wir meist als Krieg ansehen, dreht sich das Buch.

Wen stellen Sie sich als Zielgruppe vor und mit welchem Argument wäre es am besten zu verkaufen?

Alle, die sich für Geschichte interessieren, und alle, die wissen wollen, warum das zwanzigsten Jahrhundert in eine deutsche Katastrophe geführt hat.

Das war doch nicht nur eine deutsche Katastrophe?

Das stimmt. Aus der Enttäuschung der hochtrabenden Friedenshoffnungen nach dem 11. November 1918 entwickelte sich die Stimmung, die knapp anderthalb Jahrzehnte später den Nationalsozialismus an die Macht brachte. Aber die Folgen der Streitigkeiten um den Versailler Vertrag trafen auch andere Staaten und bestimmten deren Verhalten in den Folgejahren und teilweise bis heute: die Vereinigten Staaten, Frankreich, Großbritannien, Italien, China, Japan.

Da wir uns gerade mit diesem Interview besonders an Buchhändler wenden, die derzeit auch von allen Seiten unter Druck stehen: Wenn Sie Buchhändler wären, was würden Sie tun?

Als Buchhändler hätte ich hoffentlich das Glück, in einem literarisch geprägten Laden zu arbeiten – so wie ich es ja derzeit auch in der F.A.Z. tue. Und Kunden zu haben, die sich für anspruchsvolle Lektüre begeistern – so wie es bei der F.A.Z. ja auch der Fall ist.

Und haben Sie einen Rat für sie?
Raten würde ich immer, sich nicht aufs Massengeschäft zu kaprizieren, sondern auf das, was nicht alle anbieten oder erklären können: Bücher von kleineren Verlagen, schöne Bücher, beratungsintensive Sparten wie Kinder- und Jugendbuch.

Das ist es, was, ich glaube, tatsächlich viele begriffen haben…

… aber dann würde ich gerne wissen, warum das abseits einiger größerer Städte immer weniger passiert, Denn mit Buchversanddiensten zu konkurrieren, wird beim Allerweltsgeschäft nicht gelingen. Die Buchhandlung muss ein Ort sein, der aus Vergnügen aufgesucht wird, weil es da neben Büchern auch gute Gespräche gibt. Aber mir ist klar, dass das leicht gesagt ist, denn genug Kunden, die daran interessiert sind, gibt es nicht für alle Buchhandlungen im Lande.

Vor diesem Hintergrund: Haben Wünsche an die Branche oder Ideen für sie?

Mein Betriebswirtschaftsstudium ist lange her, Geschäftsideen habe ich also nur als Autor. Ich hoffe, dass meine Bücher dazu beitragen, dass in den Verlagen und Buchhandlungen etwas umgesetzt wird. Was ich mir wünsche, ist Enthusiasmus fürs Buch, denn nichts ist ansteckender als Begeisterung. Und natürlich ein kritisches Bewusstsein gegenüber Büchern, denn nichts ist auf Dauer abschreckender als simulierte Begeisterung.

Simulierte Begeisterung?

Was ich meine: „Fake books“, die nicht dem entsprechen, was sie behaupten, schaffen ein Imageproblem, das nicht kleiner ist als das durch fake news ausgelöste bei der Presse.

Dann sind wir bei Ihnen – hören Sie übrigens selbst auch auf Empfehlungen Ihrer Buchhändler?

Ja, aber ich will auch durch Bücher selbst überrascht werden, die ich zufällig in einem Buchladen finde. Stöbern und Blättern gehört für mich unbedingt dazu. Wenn dann noch bei interessanten Titeln etwas Zusatzinformation von Seiten der Verkaufspersonals ergänzt wird, ist der Kauf nahezu gesichert.

Die Fragen stellte Christian von Zittwitz

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