Heute im Sonntagsgespräch Werner Köhler über ... … den Erfolg der Yann Sola Serie und „warum Bücher und BuchhändlerInnen die wahren Influencer sind“

Unter dem Pseudonym Yann Sola hat Werner Köhler vor drei Jahren eine Krimiserie um den liebenswerten Kleinganoven und Hobbymittler Perez gestartet. Vor ein paar Tagen ist nun mit Letze Fahrt schon der dritte Band dieser Serie erschienen, die am südwestlichsten Zipfel Frankreichs an der Grenze zu Spanien spielt – eine Gegend, die Köhler erfolgreich auf die Krimilandkarte gebracht hat. Das war Anlass für unser heutiges Sonntagsgespräch mit dem Mann mit vielen Interessen und Berufen – der gelernte Buchhändler ist nämlich auch Gründer und Geschäftsführer der Lit.COLOGNE, die im März bereits zum 18. Mal kultureller Anziehungspunkt im Rheinland ist: 

Worum geht es jetzt im dritten Band?

In Banyuls sur Mer geschehen zwei Dinge gleichzeitig: Ein Toter wir in einem leeren Swimmingpool gefunden und das Gerücht vom Fund einer vor der Küste gesunkenen spanischen Galeere, beladen mit millionenschweren Schätzen, entzündet Bewohner wie international tätige Bergungsfirmen gleichermaßen. Mitten drin im aufkommenden Chaos der Kleinganove und HobbyermittlerPerez, der eigentlich nur hofft, dass der verdammte und hier unten höchst ungewöhnliche Schnee schmilzt und sein als vermisst gemeldeter Schulfreund Mata wieder auftaucht.

Die Frage stellen wir ja immer als Hilfe für unsere Leser im Handel, sie ist aber wohl nach dem Erfolg der Serie müßig: Wen stellen Sie sich als Zielgruppe vor und mit welchem Argument wäre es am besten zu verkaufen?

LeserInnen die vor allem an spannenden, aber nicht blutrünstigen Krimis interessiert sind. (Irgendwie sind die Bücher auch eine Verbeugung vor Agatha Christies Miss Marple-Romanen) in denen es neben dem verzwickten Fall auch auf die miteinander agierenden Charaktere ankommt. Dazu natürlich, ganz klar, diejenigen, die diese wunderschöne, aber weithin noch zu entdeckende Region Frankreichs, unmittelbar an der Mittelmeerküste zu Spanien, lieben.

Werner Köhler: „Wenn Kunden mehr über Bücher wissen, als die BuchhändlerInnen, dann, ihr Lieben, gebt euren Job auf. Wenn ihr nicht für die Sache brennt, lasst es einfach sein. Bücher verkaufen ist eben nicht das gleiche wie Reifen verkaufen, nur weil für beides Geld bezahlt wird“

 

Wie haben Sie eigentlich diese Gegend für sich entdeckt, was macht ihren Reiz aus?

Ich bin als Schüler auf dem Weg nach Marokko an der Côte Vermeille – toller Namen, finden Sie nicht? – gestrandet. Das Trampen lief bescheiden. Ich beschloss, einige Tage dort auszuruhen und fand Gefallen an dieser atemberaubend schönen Küste. Auf wenigen Kilometern stürzen sich die Ausläufer der Pyrenäen ins Mittelmeer. An den Felsen kleben die Ortschaften, zwischen den Klippen verstecken sich wunderschöne Buchten – herrlich. Nirgendwo ist die Luft reiner und klarer, das wussten schon die Fauvisten um Picasso. Nirgendwo im Mittelmeer der Artenreichtum größer als in diesem Unterwasser-Naturschutzgebiet. Als Frankreich-Freund, der seit fast dreißig Jahren nach Wissant im Norden des Landes fuhr, wollte ich im Alter etwas mehr der Sonne zuwenden und habe mich an meine damaligen Erfahrungen erinnert. Meine Frau und ich fuhren hin und haben uns ein zweites Mal verliebt.

Und ganz offensichtlich haben Sie sich beim Konzept auch vom Erfolg eines Kollegen inspirieren lassen….

… Sie meinen meinen Freund Jean Luc Bannalec. Ich mag ihn sehr. Inspiriert zu Perez hat er mich allerdings nicht. Seine Eltern wohnen übrigens in unserer Gegend.

Hatten Sie Sorge, der Leser nimmt Ihnen ihre Sachkenntnis nicht ab, wenn Sie unter deutschem Klarnamen schreiben?

Nein, überhaupt nicht. Schon zu Beginn meiner Autorenschaft wollte ich unter eigentlich unter Pseudonym schreiben, denn ganz ehrlich: Werner Köhler klingt doch richtig mies. Reines Verkaufsgift.

Und?

Ich habe damals erwogen, jedes Buch unter einem neuen Namen zu veröffentlichen, ich hätte das sehr lustig gefunden. Der Verlag fand meine Ansicht kindisch, vermute ich mal, gesagt hat er: „Keine gute Idee“. Dann habe ich ja mit der Crinelli-Reihe schon eine Serie vorgelegt.

Der Unterschied zu dieser hier?

Ich sehe hier meine weibliche Seite im Vordergrund. Ja, lachen Sie ruhig, ich meine es einigermaßen ernst. Da wo die Crinelli-Krimis in die Finsternis abgleiten, wendet sich die Perez-Reihe dem Licht zu. Sozusagen mehr Dur als Moll. Perez hat etwas therapeutisches für mich. Außerdem haben die Bücher eine Portion Humor, die bei Crinelli nicht zulässig war und mir beim Schreiben eine ganze Menge Spaß bringt. Was aber beiden gemein ist, ich wähle das Krimi-Genre, wenn ich eine Geschichte mit starken sozialem Aspekt zu erzählen habe. Bei Crinelli ging es um Kindesmissbrauch, um Obdachlosigkeit oder die Mafia in Deutschland. Bei Perez geht es in „Tödlicher Tramontane“ um kriminelle Machenschaften in der Immobilienbranche. In „Gefährliche Ernte“ um Flucht, Schlepperbanden und den Front National. Im jetzt erschienen „Letzte Fahrt“ erlebt man die gefährlichen Spielchen der Superreichen, die zunehmend in einer eigenen Welt zu leben scheinen und für die die Regeln der Gesellschaft keine Gültigkeit zu haben scheinen.

Manchmal hat man das Gefühl, die Buchbranche lebt nur noch von „Regional“Krimis, so fern sie auch liegen mögen – 

Durch Klick auf Cover zum Buch

Das kann ich weder bestätigen noch dementieren, dafür bin ich schon zu lange raus aus dem Buchhandel. Allgemein gesagt, gibt und gab es immer Wellenbewegungen. Ein Trend kommt auf und flaut auch wieder ab. Von mir also dazu nur so viel: Meine Perez-Krimis spielen in einer Französischen Region, die wunderschön ist, aber durch ihre Grenzsituation auch besonders aufregend. Die Fälle spielen dort, könnten aber überall sonst auch existieren. Crinelli spielte in Köln, den Stempel „Kölnkrimi“ würde ich dafür allerdings strikt ablehnen. Vielleicht habe ich den Lokalaspekt im ersten Perez Band etwas überbetont, ein hoffentlich verzeihlicher Fehler, der den Folgebänden nicht mehr anhaftet. Es gibt in meinen Augen keine regionalen, nationalen oder internationalen Krimis, sondern nur gute oder schlechte.

Ich glaube, nicht viele wissen, dass Sie gelernter Buchhändler sind und lange einer der beiden Geschäftsführer der Mayerschen Buchhandlung waren – hätten Sie aus der Sicht von heute einen Rat für Ihre Kollegen im Handel?

Ich höre, dass die Situation im Buchhandel keine leichte ist. Aber tatsächlich höre ich das seit ich begann, in dem Beruf zu arbeiten, also genau genommen seit Ende der 70er Jahre.

Geklagt wurde schon immer?

Ja, nur nur war der Feind beständig ein anderer.

Wer war denn der Feind damals?

Ach, zunächst das Fernsehen, dann das wiedererstarkte Kino, der Großbuchhandel, die allgemeine Zerstreuung der modernen Gesellschaft, das Internet, was weiß ich… Aber Sie fragen danach, wo ich ansetzen würde? Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, wenn ich einen Laden betrete und eine gewisse Angst, allgemeine Müdigkeit oder auch nur Miesepeterigkeit spüre, verflüchtigt sich meine Kauflust sofort.

Geht mir auch so …

… treffe ich hingegen auf Engagement und ansteckende Freude, kann man mir nahezu alles verkaufen. Erfolg oder Misserfolg liegen auch in uns selbst, unserem Wirken auf andere Menschen. Gerade auch in schwierigeren Zeiten. Mein bester Freund ist Künstler. Manchmal verkauft er monatelang kein Bild, das Portemonaie ist leer, aber er strahlt immer Zuversicht aus, selbst wenn ihm zum Heulen ist. Sähe man ihm sein Dilemma an, wäre er verloren. Diese Mentalität bewundere ich. Sie führt langfristig zum Erfolg.

Mag es daran liegen, dass die Verlage verlernt haben, sich ihrer Hilfstruppen im Handel zu versichern und sie immer wieder zu begeistern? 

Uih, jetzt wird’s kompliziert. Ohne mich drücken zu wollen, ich glaube so kennen Sie mich auch nicht, sollte ich dazu nichts sagen. Die Usancen haben sich sehr gewandelt, wie mir scheint. Von meinem Chef, Helmut Falter, habe ich damals gelernt, hart mit den Verlagen zu verhandeln, dabei  aber stets fair und verbindlich zu bleiben. Und auch, meine Versprechen zu halten. Die guten Manieren einer vernünftigen Erziehung sollten auch im Geschäftsleben angewandt werden.

Mich beschleicht das Gefühl, dass sehr viel Energie auf den Kontakt etwa zu Influencern wie den Bloggern aufgewandt wird, anstatt sich um die große Masse der BuchhändlerInnen im Verkauf zu kümmern, die dadurch oft weniger wissen als die Kunden.  Das gute alte Börsenblatt war früher wesentlich dicker und eine erstklassige Quelle für ein wenig Herrschaftswissen…

… auch ein weites Feld.

Ich habe nichts dagegen das zu beschreiten….

… Grundsätzlich ein klarer Satz: Dieses ganze Influencer-Geschwätz geht mir tierisch auf den Geist. Die Meinungsmaschine ohne Grundkenntnis, genannt Internet, ist in vielen Ecken ein Instrument zum Rückfall in dunkle Zeiten. Jeder der früher zu ängstlich war, seinen gequirlten Unfug unter die Leute zu bringen, kann nun ungestraft im stillen Kämmerlein sein Müttchen kühlen. Fatal! Dabei bleibt für mich der Kernsatz bestehen: Wenn du nichts zu sagen hast, einfach mal die Klappe halten.

Und zum zweiten Teil meiner Frage?

Wenn Kunden mehr über Bücher wissen, als die BuchhändlerInnen, dann, ihr Lieben, gebt euren Job auf. Wenn ihr nicht für die Sache brennt, lasst es einfach sein. Bücher verkaufen ist eben nicht das gleiche wie Reifen verkaufen, nur weil für beides Geld bezahlt wird. Buchhändler müssen für Bücher, für ihre Inhalte und ihre Form brennen. Bücher sind nicht altmodisch, sondern hoch aktuell. Sie sind, was viele sein wollen: Die wahren Influencer (lacht)

Aber wir sind uns doch einig: Mehr Begeisterung täte uns allen in der Branche gut?

Wir  arbeiten bei der lit.COLOGNE genau daran. Schon seit dem ersten Tag. Meine Begeisterung hat den Stein ins Rollen gebracht. Seither feiern wir die Literatur in all ihren Formen und Facetten Jahr um Jahr –  und haben damit großen Erfolg. Es ist viel zu früh, um in den Abgesang auf die Bücherwelt einzustimmen. Ich sage den Buchinhalten eine rosige Zukunft voraus!

Haben Sie denn dazu Indizien?

Schauen Sie mich an: Können diese Augen lügen?

Die Fragen stellte Christian von Zittwitz

 

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