Martina Kempter und Gabriele Leupold über ihre Ziele zum morgigen Internationalen Übersetzertag „Wir wollen Aufmerksamkeit für die kulturelle Leistung der Übersetzer “

Die beiden Vorsitzenden der Weltlesebühne e.V.: Gabriele Leupold (links), Martina Kempter (rechts): „Überall ist unser Publikum auf Tuchfühlung mit den auf-tretenden Übersetzer*innen gegangen und hat begeistert die Gelegenheit genutzt, um zu erkunden, was genau beim Literaturübersetzen vor sich geht“ © Ebba Drolshagen

Der Verein Weltlesebühne lädt am Internationalen Übersetzertag, dem sogenannten Hieronymus-Tag am 30. September, weltweit zu über 30 Veranstaltungen rund um das Übersetzen ein (Wir berichteten). Zudem feiert der Verein dieses Jahr sein zehnjähriges Jubiläum. Die Vereinsvorsitzenden Martina Kempter und Gabriele Leupold erläutern, was die Aktion einzigartig macht und welches Ziel sie damit verfolgen.

Zum Internationalen Übersetzertag finden Jahr für Jahr Veranstaltungen statt, die die Kunst des Übersetzens thematisieren. Was ist das Besondere an Ihrer Aktion?

Martina Kempter: Seitdem 1991 die FIT (Fédération Internationale des Traducteurs) den Gedenktag des Heiligen Hieronymus, den 30. September, zum Internationalen Übersetzer-tag erklärt hat, setzen sich Literaturübersetzer*innen überall in der Welt intensiv dafür ein, an diesem Tag ihre Arbeit für die Öffentlichkeit sichtbar zu machen. So finden zum Hieronymustag alljährlich Veranstaltungen statt, bei denen Übersetzer aus den von ihnen übersetzten Werken lesen oder über ihre Arbeit sprechen. In den letzten Jahren hat der Berufsverband der Literaturübersetzer VdÜ diesen für uns Übersetzer besonderen Tag publik gemacht, er regte öffentliche Aktivitäten seiner Mitglieder an und unterstützte sie bei der Umsetzung – dieses Engagement war für uns von großer Bedeutung.

Gabriele Leupold: Seit 2014 plant die Weltlesebühne ihre Aktivitäten zum Hieronymustag zentral: Das Besondere ist die Vielzahl der Auftritte und ihr beabsichtigter Seriencharakter – bei aller Individualität der beteiligten Übersetzer, der vorgestellten Texte und der Auftrittsorte.

Martina Kempter: Unsere Veranstaltungen zum Hieronymustag haben in den letzten Jahren große Resonanz gefunden. Überall ist unser Publikum auf Tuchfühlung mit den auf-tretenden Übersetzer*innen gegangen und hat begeistert die Gelegenheit genutzt, um zu erkunden, was genau beim Literaturübersetzen vor sich geht. Die Entstehung eines Textes live mitverfolgen zu können, ist so reizvoll, dass wir an diesem Veranstaltungsformat gern festhalten und die literarisch interessierte Öffentlichkeit weiter dazu einladen wollen.

Auch in diesem Jahr finden einige Veranstaltungen im Format des „Gläsernen Übersetzers“ statt – was genau kann man sich darunter vorstellen und warum haben Sie sich hierfür entschieden?

Gabriele Leupold: Der „Gläserne Übersetzer“ ist eine Art Installation, die nahezu überall realisiert werden kann – ob im Foyer oder der Lounge einer Bibliothek, in einem Theatercafé oder im Schaufenster einer Buchhandlung. Man braucht nur einen „Arbeitsplatz“: Tisch, Stuhl, Laptop mit Internetverbindung, vielleicht ein paar Nachschlagewerke, zwei große Bildschirme, für das Publikum ein paar Sitzgelegenheiten und vielleicht ein Mikrophon. Der Übersetzer tut, was er immer tut: Er hat den Originaltext vor sich und arbeitet an seiner Übersetzung, in diesem Fall jedoch vor Publikum. So wird für die Zuschauer transparent, welche Passagen dem Übersetzer eventuell Schwierigkeiten bereiten, welche Nachschlagewerke er bei welchen Begriffen zurate zieht und wie viel Einfallsreichtum und Feingefühl beispielsweise bei der Übersetzung von Begriffen, die im Deutschen nicht existieren, oder bei der Übertragung von hintersinnigen Wortspielen und Soziolekten gefragt sind.

Martina Kempter: Das Schöne ist: Jeder kann einfach stehenbleiben, zuschauen, kommentieren, Fragen stellen und kritisieren. So gewinnen wir ein – überraschtes – Publikum, das sich von der Arbeit des Übersetzers und dem Entstehungsprozess eines Textes faszinieren lässt.

Auf diese Art können die Zuhörer den Übersetzungsprozess also hautnah miterleben. Woher kommt die Idee des „Gläsernen Übersetzers“ ursprünglich?

Martina Kempter: Regine Elsässer, eine Kollegin, die aus dem Schwedischen übersetzt, hat diese Idee aus Skandinavien mitgebracht. In Deutschland wurde der „Gläserne Übersetzer“ zum ersten Mal 2005 im Übersetzerzentrum der Frankfurter Buchmesse realisiert. Seitdem ist das Format fester Bestandteil des Messe-Veranstaltungsprogramms – über mehrere Jahre hinweg von zwei Kollegen organisiert, die 2009 übrigens auch zu den Gründungsmitgliedern der Weltlesebühne gehörten.

Wählen die teilnehmenden Übersetzer die Texte selbst aus?

Gabriele Leupold: Alle beteiligten Übersetzer wählen die von ihnen präsentierten Texte selbst aus – häufig sind es die, an denen sie gerade arbeiten, oder solche, die ihnen besonders spannende Einsichten für das Publikum versprechen.

Insgesamt werden 22 Veranstaltungen im deutschsprachigen Raum stattfinden. Darüber hinaus sind Veranstaltungen in neun Goethe-Instituten, u. a. in Kairo, Lissabon und Rangun, geplant. Wie kam es zu diesem breiten Spektrum?

Gabriele Leupold: Der Weltlesebühne e.V. gehören seit ihrer Gründung Übersetzer an, die in verschiedenen Städten leben und arbeiten, und unsere Veranstaltungen finden überall dort statt, wo wir wohnen.

Martina Kempter: Außerdem schlagen wir immer öfter die sogenannte „Wanderbühne“ auf, wenn wir zum Beispiel an andere Orte eingeladen werden. Durch Kontakte aus unserer Gruppe ergeben sich immer wieder neue Veranstaltungsideen und Auftrittsorte. Auf diese Weise waren wir in den Vorjahren z.B. in Aabenraa/Apenrade und Brunsbüttel präsent, in diesem Jahr wieder in Bocholt und erstmals auch in Greifswald.

Gabriele Leupold: Wir glauben, dass eine große, zentral geplante Aktion zum Hieronymustag noch einmal verstärkte Aufmerksamkeit für die kulturelle Bedeutung des Übersetzens und die Leistung der Übersetzer wecken kann. Wir freuen uns sehr, dass unser Verein – mit Hilfe großer Förderer wie der Robert Bosch Stiftung und dem Deutschen Übersetzerfonds (in Gestalt von TOLEDO) sowie dem Goethe-Institut und verschiedenster Kooperationspartner von Ort – die Gestaltung und Umsetzung dieser Aktivität.

 

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