Sie "ist der reale Idealtypus eines Lektors" Andrea Wörle (65)

Dr. Andrea Wörle „ist der reale Idealtypus eines Lektors“

Dr. Andrea Wörle, Cheflektorin Sachbuch im DTV, wird heute 65 Jahre alt. Ihr gratuliert Michael Wolffsohn:

Der Idealtypus ist für Max Weber bekanntlich ein gedankliches Konstrukt. Er kannte Andrea Wörle nicht. Sonst gäbe es bei ihm auch einen Realtypus und realen Idealtypus. Andrea Wörle ist der reale Idealtypus eines Lektors. (Dreist, wie ich bin und Frau Wörle weiß, gebrauche das grammatikalische Geschlecht.) Andrea Wörle ist das reale Ideal. Qualität ist geschlechtsübergreifend und -unabhängig, und ich rede von Qualität sowie von Humanität. Für „den“ idealen Lektor gilt:

Qualität + Humanität = Lektor-Idealtypus = Andrea Wörle. Ganz unmathematisch stimmt meine „Gleichung“. Warum?

Andrea Wörle ist eine sanft-strenge Lektorin. Strengstens achtet sie auf Qualität. Wo und wenn bei wem auch immer sie diese ganz oder teilweise vermisst, lässt sie einen das wissen. Nicht streng, aber sanft und jedermann verständlich. Unaufgeregt fügt sie hinzu: „Aber der (sic, auch sie altmodisch bzw. korrekt) Autor entscheidet.“ Entscheidet er sich gegen ihre Empfehlung legt sie nach. Sanft. Versteht sich, aber klar. Und sie macht einem unausgesprochen und doch beredt klar, dass sie ihren Autor schützen möchte. Vor sich selbst. Ich bin mit ihrer Methode immer bestens „gefahren“ und konnte, dank Andrea Wörle, Gefahren umschiffen oder verhindern.

Andrea Wörle gehört zu den Lektoren, die höchstselbst lektorieren und nicht lektorieren lassen. Sie lässt sich gedanklich, sprachlich und emotional auf ihre Autoren ein. Sie schaut auf sie zugleich von außen. Dadurch wird sie den Autoren gerecht und präsentiert ihnen nicht nur ihre persönliche (Mikro-)Sicht, sondern etwaige Reaktionen der (Makro-)Welt. Unaufdringlich sanft zwingt sie die Autoren, die eigenen Gedanken und Darstellungen zu überdenken und umzuschreiben. Auf diese Weise entsteht konfliktfrei eine ganz wunderbare, diskrete ebenso freundschaftliche wie trotzdem distanzierte Beziehung zwischen Lektor(in) und Autor, ohne ins heute geradezu zwanghafte Verbrüderungs-Du zu gleiten. Zuvor hatte ich schon mit vielen, auch sehr guten, Lektoren zusammengearbeitet, aber nie so sachbezogen und zugleich angenehm persönlich.
Wie wohltuend, dass man mit Andrea Wörle nicht nur über Sachbücher, sondern auch Belletristik kompetent fachsimpeln kann. Wie gesagt, der Idealtypus als Realtypus. „Hier wird´s Ereignis“. Einmal mehr und immer wieder, wenngleich hier anders als vom „Größten“ gemeint: „Das ewig Weibliche zieht uns hinan.“

Danke, liebe Frau Wörle.

Ihr

Michael Wolffsohn

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