Veranstaltungen Zugabe von Saša Stanišić zur Preisträgerlesung bei der Deutschen Bank

Trotz Regens war der Saal im Gebäude der Deutschen Bank in Frankfurt am 8. November voll. Kristina Hasenpflug, Geschäftsführerin der Deutschen Bank Stiftung, die seit 2014 den Deutschen Buchpreis unterstützt, kündigte den diesjährigen Preisträger an: „Saša Stanišić springt in seinem Roman Herkunft in vielen Kapiteln durch die Zeit, dabei nimmt er diese und jene Abzweigung. Im letzten Teil des Buches kann der Leser selbst noch aktiv werden.“

Als Stanišić 14 Jahre alt ist, bricht der Bosnien-Krieg aus, eine Eruption erschüttert den Balkan und die Familie. In seinem Roman berichtet der Autor aus vier Welten. Zunächst erzählte er mit Humor von seiner Geburt an der Drina im März 1978. 30 Jahre später sitzt Stanišić an einem handgeschriebenen Lebenslauf für die deutsche Staatsbürgerschaft.

Das Stehpult passte an diesem Abend gut zu ihm; er las nicht nur, er performte. Mit vollem Körpereinsatz. Sollte er wirklich schreiben, dass seine Großmutter bei der Mafia war? Das könnte schnell falsch verstanden werden. Er radiert es besser aus. Aber von der Bekanntschaft mit Drachen aus aller Welt – die asiatischen gefielen ihm am besten – konnte doch berichtet werden. Und von Huso, einer, der am Konsens vorbeigelebt hat in Višegrad.

„Ich bin Jugo und habe in Deutschland trotzdem nie was geklaut, außer ein paar Büchern auf der Frankfurter Buchmesse“, las Stanišić und blickte auf. „Das war cool dieses Jahr, ich bin an den Ständen gewesen und die Verlage schenkten mir die Bücher.“

Solche Einsprengsel gab es oft während der vergnüglichen Veranstaltung. Der Autor sprang tatsächlich durch die Zeiten, von dem Nierenbohnen-Orakel seiner Großmutter, aus denen – verstreut auf dem Teppich – die Zukunft gelesen werden konnte. Er erzählte von einem Jugoslawien zu Beginn der 1990er Jahre, in dem der Sozialismus müde und der Nationalismus wach geworden war. Vom Viertelfinalspiel seiner Lieblingsmannschaft Roter Stern Belgrad 1991 beim Pokal der Landesmeister gegen Dynamo Dresden, das Vater und Sohn im Fernsehen verfolgten. Das Rückspiel in Dresden musste abgebrochen werden und wurde als Sieg für Belgrad gewertet. „Das Halbfinal-Los fiel auf die Bayern. Schon damals theoretisch unbesiegbar. Obwohl …“, und Stanišić erwähnte zur Freude des Publikums den 5:1-Sieg von Eintracht Frankfurt am 2. November – noch gar nicht so lange her.

„Als es Jugoslawien noch gab, begriff ich mich als Jugo, nicht als Bosnier oder Serbe“, sagte der Autor und kam noch einmal auf seine Lieblingsmannschaft zurück, in der Serben, Bosniaken, Mazedonier, Montenegriner und Kroaten spielten. So eine Mannschaft werde es nie wieder geben, denn nach dem Zerfall Jugoslawiens stellte jeder neue Staat eigene Ligen mit schwächeren Spielern auf – die besten wechselten ohnehin ins Ausland.

Stanišić sprach von den ersten Tagen in Heidelberg , „mit ohne Sprache“. Deutsche Wörter sind sperrig. Aber seltsam: „Der Koffer aus Sprache ist mit mehr Gepäck leichter geworden“, stellte der Autor fest. Er begann, erste Texte auf Deutsch zu schreiben und sagte: „Mit Sprache arbeiten zu können, ist ein Privileg.“

Nach der Lesung erhielt Saša Stanišić viel Applaus. „Wollen Sie wirklich eine Zugabe? Das passiert doch eigentlich nur bei Bands.“ Tatsächlich gab es eine Zugabe, nämlich die Geschichte von der Tankstelle in Heidelberg, die eine Art Integrationstreff war.

Im Anschluss musste der Preisträger noch viele Bücher signieren.

JF

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