Personalia Wolfgang Balk über Dirk Stempel

Dirk Stempel wird heute nach 27 Jahren bei Hanser in den Ruhestand verabschiedet – Anlass für einen Abschiedsgruß von dtv-Chef Wolfgang Balk:

Lieber Dirk,

als wir beide Ende der sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts unsere Lehre im Carl Hanser Verlag absolvierten, war der große Bestsellerautor der belletristischen Abteilung noch Eugen Roth, daneben reichte das Spektrum von Gerd Gaiser bis Elias Canetti. Christoph Schlotterer machte sich mit jugendlicher Dynamik daran, das Ruder herumzureißen, was ihm unter anderem mit der ambitionierten – und von Carl Hanser kritisch verfolgten – gelben Reihe Hanser oder der Bibliotheca Dracula, aber insbesondere mit Umberto Eco dann auch glanzvoll gelang.

Dirk Stempel

Wir gingen unsere Wege, studierten und arbeiteten in anderen Verlagen und trafen erst wieder aufeinander, als Du 1985 Assistent des Verlegers wurdest und ich den Fischer Taschenbuchverlag leitete. Der große Schock für Dich war kurz darauf der plötzliche Tod Christoph Schlotterers im Frühjahr 1986, der Dir den Boden unter den Füßen wegzureißen schien. Der belletristische Verlag war Dir unter seiner Führung ans Herz gewachsen und Du wusstest nicht, wie es weitergehen sollte. Doch es ging weiter und es ging weiter aufwärts. Du hast als Prokurist hochengagiert und nicht selten kämpferisch den Ausbau der gesamten Verlagsgruppe wesentlich mitgestaltet, im Hintergrund, die Rampe ohne Murren anderen überlassend. Das Kulissenschieben hast Du ja schon als Schüler in der Oper gelernt.

Ich durfte über viele Jahre vor allem Deine so geschickte wie energische Diplomatie beim Verkauf von Taschenbuchrechten erleben, die Deinem Verlag eine deutliche ökonomische Grundierung verschafft hat und mich zum Investmentbanker verkommen ließ, dem die Garantiezahlungen oder Auktionen nicht selten in die Verzweiflung trieben. Deine Verhandlungskunst bewährte sich auch bei der Akquisition der Verlage Zsolnay, Sanssouci und Nagel & Kimche sowie der Gründung des Hörverlags. Daneben kümmertest Du Dich noch um die EDV sowie um Großprojekte, wie die Goethe-Ausgabe, bei denen auch Deine bibliophilen Neigungen zur Geltung kamen.

Du fandest auch noch Zeit und Kraft für komplexe Diskurse mit dem Übersetzerverband und Seminare bei den Buchwissenschaftlern. Immerhin musstest Du nach einem nicht verwunderlichen Dämpfer in Richtung Herz das Pfeifenrauchen aufgegeben, was Du inzwischen durch eine neue orale Leidenschaft, den Chorgesang, erfolgreich und begeistert kompensierst. Als hättest Du nicht genug zu tun, wirkst Du als fürsorglicher Vater dreier Kinder auch noch federführend an der Gründung einer Waldorfschule mit.
Kurz: Dein Leben ist geprägt von einem unfassbaren Engagement auf beruflicher wie privater Ebene.

Ich werde die Zusammenarbeit mit Dir, die unseren beiden Häusern sehr zugute kam, vermissen, und ertrage das nur, weil Du es verstanden hast, eine charmante und kompetente Nachfolge für die Lizenzabteilung behutsam aufzubauen. Du wirst nicht nur mir, sondern vor allem auch Deinem Verlag und seinen Mitarbeitern fehlen.

Wie sich das Loslassen für Dich anfühlt, kann ich nur erahnen, doch sei Dir heute für fast drei Jahrzehnte wunderbarer Zusammenarbeit sehr herzlich gedankt.

Dein Wolfgang (Balk)

Anm. derr Red.: Die Nachfolgerin von Dirk Stempel wird Andrea Seibert [mehr…]

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