Personalia Wer ist Jan Faber und wenn ja, darf er das?

In der Kolumne Klatsch & Tratsch des aktuellen BuchMarkt-Heftes haben wir gerätselt, wer sich hinter dem Autorennamen Jan Faber verbirgt. Er hat bei Page & Turner den Thriller Kalte Macht geschrieben, der so intim über die Schaltstelle einer der Bundesregierung ähnlich gearteten Machtzentrale berichtet, dass Vermutungen naheliegen, ein intimer Kenner zu sein. Wir fragten Random House-Justiziar Rainer Dresen (Foto) nach den Hintergründen und ob eine EV droht.

Buchmarkt.de: Dieser Tage erscheint bei Page & Turner Kalte Macht, der Enthüllungsroman eines unter dem Pseudonym Jan Faber schreibenden offensichtlichen Insiders des politischen Berlins. Kennen Sie denn die Identität des Autors?

Rainer Dresen

Rainer Dresen: Nein, im Verlag kennt wirklich niemand den Namen des Autors. Die Anonymität war Geschäftsgrundlage für das Projekt. Autorenkontakte erfolgten ausschließlich über eine beteiligte Literaturagentur.

Jeder, der sich auch nur oberflächlich für Politik interessiert, erkennt sofort, wer sich hinter den Protagonisten des Buchs in Wirklichkeit verbirgt. So kann doch mit der „Bundeskanzlerin“ nur die amtierende Kanzlerin Angela Merkel gemeint sein.

Das sagen Sie, zwingend ist das aber nicht: So gibt es zum Beispiel über die im Buch namenlose Kanzlerin keine ausführlichen biographischen Hintergründe. Man erfährt auch wenig über ihr äußeres Erscheinungsbild. Allenfalls von den „stechenden grauen Augen“ der Roman-Kanzlerin ist die Rede. Da Angela Merkel aber bekanntlich strahlende, nachgerade warme blaue Augen hat, kann sie nicht gemeint sein. Da auch keine Rede davon ist, dass „die Kanzlerin“ etwa einen Hang zu farbigen Sakkos hätte oder alle naslang ihre Hände herzförmig falten würde, kann wirklich nur BuchMarkt, das Fachorgan für Skandalöses in der Buchbranche, auf die fernliegende Idee eines Schlüsselromans über Angela Merkel kommen.

Nächster Versuch: Der im Roman vorkommende Finanzminister „Alexander Rau“ ist doch in Wirklichkeit niemand anderer als Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble.

Wie kommen Sie denn darauf?]

Ich zitiere aus „Kalte Macht“: „Dr. oec. Alexander Rau ist 1943 in Tübingen geboren. Abitur in Berlin. Betriebswirtschaftsstudium an der Uni Tübingen und an der Freien Universität Berlin, Promotion zum Dr. oec. Mit 21 Jahren Eintritt in die Jugendorganisation der Partei. Rau ist einer der dienstältesten Abgeordneten und hat nahezu alle machtpolitischen Ämter ausgeübt. Geschäftsführer der Fraktion, Fraktionsvize und Vorsitzender, Parlamentarischer Staatssekretär, Kanzleramts-, dann Innenminister (Ritter-Affäre) unter Walther Brass. „Kronprinz“, bis Brass ihn fallen ließ, weil er nicht mehr loyal hinter ihm stand (Rau wollte als Kanzlerkandidat antreten, Brass wollte es noch einmal machen). Bei einem Unfall (es gibt erhebliche Zweifel, ob es wirklich ein Unfall war), hat er den linken Unterschenkel verloren. Seither trägt er eine Prothese und geht an Krücken.“

Also, um jetzt einmal Ihre kuriose Idee aufzugreifen, Wolfgang Schäuble ist nun wirklich nicht gemeint, denn der kam bereits 1942 im badischen Freiburg und nicht im schwäbischen Tübingen zur Welt. Abitur machte er im Schwarzwaldstädtchen Hausach und nicht in der Metropole Berlin. Studiert hat er Rechts- und Wirtschaftswissenschaften in Freiburg und Hamburg. 1971 wurde er zum Dr. iur., nicht oec.,promoviert. Schäuble trat bereits mit 19 und nicht mit 21 Jahren in die JU ein. Schäuble hat auch nicht jedes der von „Alexander Rau“ausgeübten Ämter ausgeübt . Bekanntlich wurde Schäuble vor Jahren bedauerlicherweise Opfer eines Attentats, von einem Unfall wie bei Alexander Rau kann also keine Rede sein.

Herr Dresen, Butter bei die Fische. Der Leser wird diese Assoziationen herstellen und die Betroffenen werden zum Anwalt rennen.

Was die Leser alles in ein Buch hineinlesen, darauf hat ein Verlag ja keinen Einfluss. Aber was die rechtliche Angreifbarkeit betrifft, da hat man als Verlag dann doch gewisse Möglichkeiten, um die Gefahr von unersprießlichen Rechtsstreitigkeiten abzumildern. So haben wir in der Tat hier und da,in Absprache mit dem Agenten des Autors, durch kleine redaktionelle Glättungen Sorge dafür getragen, dass sich handelnde Personen des Romans hinreichend von realen Personen unterscheiden.

Ganz ehrlich, ich bin nicht sicher, ob Ihnen das in jedem Fall perfekt gelungen ist. Was entgegnen Sie potentiellen Klägern?

Aufgeregten Medienanwälten, sollten sie sich denn melden wollen, würde ich dann empfehlen wollen, sich das sogenannten Esra-Urteil des Bundesverfassungsgerichts genau durchzulesen. Da steht drin, dass es jedermann und jede Frau hinnehmen muss, erkennbar in einem Buch aufzutauchen, solange es sich um einen Roman handelt. Dann überwiegt die grundgesetzlich umfassend geschützte Kunstfreiheit gegenüber jeder angeblichen Verletzung von Persönlichkeitsrechten. Die einzige Grenze, die das Gericht für romanhafte Schilderungen überhaupt noch belassen hat, haben wir selbstredend genau beachtet: Die Intimsphäre von eventuell sich zu erkennen glaubenden Personen ist selbstverständlich tabu. Auch deshalb hat „Die Kanzlerin“ unseres Buchs, worüber sie vermutlich nicht mal sauer ist, keinerlei Privat-, geschweige denn Intimleben.

Eine letzte Frage: Wenn man in Romanen also nur dann rechtlichen Ärger zu befürchten hat, sofern die Intimsphäre bekannter Personen verhandelt wird, wie sehen Sie dann ein weiteres Skandalbuch aus Ihrem Haus? Im Paperback Angéla – Lehrjahre einer Liebeshungrigen des TITANIC-Autors [Stefan Gärtner, dieser Tag erschienen bei Knaus & Ko, geht es um die „blutjunge, erotisch hochbegabte Gräfin Angéla“, die aus dem heruntergewirtschafteten Staat Transelbien stammt, sich dann aber mit dem neuen König Elmût arrangiert und unter ihm eine Blitzkarriere als Ministerin macht, wobei sie “in einen Strudel aus Politik, Intrige, Lust und Ökologie“ gerät … Beworben wird das Werk mit dem Satz „Ein alternativloser, vergnüglicher Historienroman um Liebe, Macht und untenrum.“]

Ich sehe schon, das mit Angela Merkel scheint eine Art fixe Idee bei Ihnen zu sein. Wir meinen, auch hier hinreichend verfremdet zu haben, so dass – gerade angesichts der tüchtigen Prise Erotik, die die Humorbeauftragten von Knaus & Ko hier beigemischt haben – nur wirklich phantasiebegabte Menschen Bezüge zur Realität herstellen würden. Die aber sehe ich nicht im politischen Berlin. Darüber hinaus handelt es sich vorliegend um Satire, und Satire darf seit Kurt Tucholsky bekanntlich alles.

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