Warum Daniel Kampa noch einen Verlag startet „Wenn schon verrückt, dann richtig verrückt“

Daniel Kampa: “ Es muss neben dem Bücher-Discount auch Platz für die literarische Delikatessenabteilung geben“

Daniel Kampa startet im Herbst nicht nur (rund um das Gesamtwerk von Georges Simenon) den Kampa Verlag, sondern (Motto: „Das Leben ist zu kurz für schlechte Bücher – und Gutes darf auch schön sein“ gleichzeitig den Gatsby Verlag. Das hatten wir gestern gemeldet und haben ihn dazu gefragt:

Herr Kampa, Sie haben uns mit der Gründung eines weiteren Verlags namens Gatsby überrascht …

Daniel Kampa: Die großen Verlage sind zu Buchfabriken geworden. Der Gatsby Verlag soll eine Buchmanufaktur sein. Hier wird im doppelten Sinne mit besten Stoffen gearbeitet: schöne Texte in edlem Gewand. Nicht von ungefähr sind von den zehn Titeln im ersten Programm neun in Leinen gebunden.

Warum zwei Verlagsnamen, Gatsby neben Kampa als Hauptverlag?

Eine klare Programmstruktur und eine stimmige visuelle Identität sind heute wichtiger denn je. Im Kampa Verlag gibt es ein literarisches Programm, einen Krimibereich mit Simenon als Leuchtturm, dazu die Gesprächsreihe Kampa Salon. Das sind dreißig Titel im ersten Programm

Das  sollte für einen Verlag reichen…

… aber ich wollte auch Klassiker und moderne Klassiker neu herausbringen, eine Reihe für kurze literarische Formen (Novellen, Kurzromane, Aphorismen) aufziehen und hochwertige Geschenkbücher verlegen. Das hätte den Hauptverlag dann doch gesprengt. Hier kam Gatsby ins Spiel. Der Name passt einfach wunderbar zu diesem Programm und weckt die richtigen Assoziationen.

Gatsby – da denkt jeder an ausschweifende Partys und Luxus …

… und das soll er auch, etwas mehr Glamour kann dem Buchmarkt nicht schaden. Bücher sind doch Genussmittel, die man auch kauft, weil man sie schön findet und besitzen will. Es muss neben dem Bücher-Discount auch Platz für die literarische Delikatessenabteilung geben.

Delikatessen kosten in der Regel ihren Preis

Ja, die haben ihren Preis, aber das ist ja auch das Konzept. Dem Lamento um immer weniger Leser und sinkende Verkaufszahlen kann man auch mit höheren Preisen begegnen. Wir alle wissen: Bücher sind zu billig, sie sollten den Lesern wieder mehr wert sein. Warum muss Hans Falladas Kleiner Mann – was nun? als billig gedrucktes Hardcover 4,95 Euro kosten? Es gibt Leser, die dafür auch 25 Euro ausgeben können und wollen. Taschenbücher sollten eigentlich mindestens 15 Euro kosten, Paperbacks 20 Euro und Hardcover 25 Euro, nur so können die Umsätze gehalten werden. Davon sind wir leider noch ein gutes Stück entfernt.

Was unterscheidet Ihre Ausgaben von z.B. Fallada oder Fitzgerald von denen, die es schon im Markt gibt?

In der Reihe Gatsby Originals bringen wir moderne Klassiker im Originalgewand. Bei Fallada sind das zwei Zeichnungen, die George Grosz für die Erstausgabe angefertigt hat. Da Grosz für die Nazis eine persona non grata war, verschwanden diese Zeichnungen dann aber schnell wieder vom Cover. Und Fitzgeralds Großen Gatsby gibt es zum ersten Mal mit der legendären Zeichnung der Originalausgabe, die das TIME MAGAZINE eines der berühmtesten Buchcover-Designs aller Zeiten nennt. Fitzgerald selbst hat diese Zeichnung geliebt. Wir haben exklusiv die Rechte für den deutschsprachigen Markt gekauft. Dazu gibt es ein Nachwort zur Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte.

Gibt es genug Leser für den Gatsby Verlag?

Der Erfolg von schönen Klassikerausgaben, etwa bei Hanser oder Mare, oder die Naturkunden-Reihe bei Matthes & Seitz, zeigt, dass es geht. Es wird eine eigene Website für die Gatsby Bücher geben und ein zielgerichtetes Marketing. Und dann gibt es ja auch noch »Der kleine Gatsby«.

Noch ein Verlag?

Nein, das wird nur eine Reihe für all jene, die keine Zeit zum Lesen haben. Die Bücher sind, groß und gut lesbar gesetzt, maximal 180 Seiten lang, also in knapp zwei Stunden zu lesen. Kurze literarische Alltagsfluchten, auch als Geschenk wunderbar geeignet. Hier sollen Kurzromane und Erzählungen erscheinen, Klassiker, aber auch neue Texte von zeitgenössischen Autoren. Im ersten Programm sind etwa der Schweizer Autor Hansjörg Schertenleib und William Boyd dabei. Hier sind die Startauflagen natürlich viel höher als bei Fallada oder Fitzgerald.

In Ihrem „Brief an den Buchhandel“, der in Ihrer ersten Programmvorschau abgedruckt ist, schreiben Sie über die Gründung des Gatsby Verlags »Wenn schon verrückt, dann richtig verrückt«. Was meinen Sie damit?

Menschen lesen immer weniger, es werden weniger Bücher gekauft, Umsätze sinken. Die ältere Generation, die noch Bücher kauft, tut dies nicht mehr ewig; die Jüngeren verbringen ihre Zeit im Internet. – Die alter Leier. In diesen Zeiten einen Verlag zu gründen, ist verrückt. Gleich zwei Verlage, umso verrückter. Noch schnell auf das sinkende Boot aufspringen, um gemeinsam unterzugehen? Ich glaube, unsere Branche braucht mehr Optimismus – und sei er noch so irrational –, mehr Wagemut …

Sie bestätigen damit meine These: Alle erfolgreichen Verleger sind Verrückte.

Ich bin ja noch nicht erfolgreich, nach Ihrer These also noch nicht verrückt. Umso mehr möchte ich es nun werden.

Was machen Verrückte anders als andere?

Das weiß ich nicht. Vielleicht spielt bei Ihnen das Lustprinzip eine größere Rolle. Darum gründet man ja einen eigenen Verlag: um Bücher zu verlegen, von denen man restlos überzeugt ist und für die man alles tun möchte. Auch solche, für die andere Verlage keinen sogenannten »Programmplatz« haben.

Stemmen Sie das allein oder haben Sie jemanden im Rücken?

Da wir eine Aktiengesellschaft nach Schweizer Recht sind, genügt ein Blick ins Handelsregister: Der Verlag gehört zu 51 % mir, die restlichen 49% gehören einer Freundin, die nicht aus der Branche kommt, aber Bücher und Literatur über alles liebt und Lust auf dieses Abenteuer hatte. Es gibt ja diesen Begriff des »stillen Investors«, den ich persönlich schrecklich finde. Das klingt nach einem geknebelten Geldgeber. Meine Geschäftspartnerin geht ihrer eigenen Arbeit nach, wirkt aber auch im Verlag mit. Sie hat z.B. für unsere drei literarischen Titel wunderbare Buchtrailer gedreht und dafür Astrid Rosenfeld und unsere polnisch-ukrainische Entdeckung Żanna Słoniowska interviewt. Als leidenschaftliche Leserin prüft sie auch Manuskripte für uns. Außerdem ist sie ein wunderbarer Gesprächspartnerin, und ihr Enthusiasmus ist einfach ansteckend. Der Verlag ist wunderbar unabhängig und kann sich einige Marotten und Experimente erlauben.

Wie sind Sie auf den Namen Gatsby gekommen?

Ich liebe Fitzgeralds Roman und lese ihn jedes Jahr aufs Neue. Ich habe immer davon geträumt, den Namen irgendwann für einen Verlag zu verwenden. Jahrelang war »Gatsby« als Marke in der EU für jegliche Printprodukte besetzt. Zum Glück wurde der Markenschutz letztes Jahr nicht erneuert, sodass ich die Marke schützen konnte.

Sie sind ein Nostalgiker?

Vielleicht bin ich – wie Gatsby – ein hoffnungsloser Nostalgiker. Anders als er trauere ich aber nicht einer alten Liebe nach, sondern der guten alten Verlegerei. Der berühmten Schlusssatz des Romans beginnt ja so: »Gatsby glaubte an das grüne Licht, an die wundervolle Zukunft, die Jahr für Jahr vor uns zurückweicht.« Bei Gatsy ist es eine Zukunft, die nie eintrifft. Hoffentlich gilt das nicht für uns. Ich glaube an die Zukunft des gedruckten, schönen Buches, das ein Leser in einer Buchhandlung in die Hand nehmen kann – und dann auch kauft.

Die Fragen stellte Christian von Zittwitz

Kommentare (2)
  1. Hallo lieber Herr Kampa,
    verrückte Ideen sind das Salz der Erde. Mein Mann und ich lieben
    schöne Bücher und finden es großartig, dass Sie diesen Schritt in der heutigen Zeit wagen. Viel Glück und herzlichen Glückwunsch!
    Unser Haus ist zwar schon voller Bücher, aber für schöne Bücher
    vom Gatsby-Verlag findet sich ganz bestimmt noch Platz.
    Mit lieben Grüßen
    Madeleine und Gerald Unger
    Buchhändler im Ruhestand

  2. Es ist eine Unsitte der großen Konzernverlag ihre Bücher durch dickes Papier aufzuplustern, keinen anständigen Leineneinband zu liefern, unterschiedliche Taschenbuchformat zu verwenden, Bücher ohne Annotationen zu liefern und Klappentexte zu haben, die Wikipedia kaum übertreffen. Ich bin um jeden Verlag froh, der wie Büchergilde, Mare, Diogenes und wenige andere Bücher liefert, die nicht nur aus Inhalt bestehen sondern auch fachgerecht hergestellt sind. Auch wenn ich jeden Tag ein Buch lese ist der Preis nicht das wichtigste Kriterium. Qualität ist wichtiger als Geiz.

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