Buchtage Urheberrecht und Libreka stärken, VLB als Preis-Referenzdatenbank einrichten

Matthias Heinrich (l.) übergibt die Frankfurter
Erklärung an Gottfried Honnefelder

Am heutigen Vormittag tagte im Arkadensaal des Goethe-Hauses in Frankfurt am Main das 6. Branchenparlament.

In seiner Begrüßung stellte Matthias Heinrich, Parlamentsvorsitzender und Vorsitzender des Ausschusses für den Zwischenbuchhandel, fest, dass das Branchenparlament kein Gremium zum Gähnen, wie Kritiker befürchteten, sondern ein spritziges Diskussionsforum mit bewegenden und zum Teil polarisierenden Themen geworden ist.

Das Parlament hörte zuerst einen Vortrag zu den internationalen Entwicklungen des Urheberrechts von Jens Bammel, Generalsekretär der International Publishers Association (IPA). 1896 gegründet, sei die IPA die FIFA des Verlagswesens, der heute 60 Verbände aus 53 Ländern angehören.

Das Urheberrecht kann nur auf internationaler Ebene geregelt und entschieden werden, und zwar von den entsprechenden Weltorganisationen, stellte Jens Bammel fest.

Die 1967 gegründete WIPO (World Intellectual Property Organization), der etwa 200 Mitgliedsstaaten angehören, besteht aus etwa 35 Urheberrechts-Exporteuren, alle anderen müssen Copyrights kaufen. Das bringt erhebliche Probleme und Streitigkeiten mit sich, die zu Kompromissen und zur Spaltung der Organisation geführt haben.

Die importierenden Länder fordern das Recht auf Entwicklung, die exportierenden den Schutz des geistigen Eigentums.

Ein anderes Thema ist der Übergang von der „Papierwelt“ zur digitalen Welt. Jens Bammel verglich diese Entwicklung mit dem Sprachlabor, dass sich nun in der Forderung (one laptop per child) darstellt. Eine zweifelhafte Forderung, meinte der Referent.

Er warnte zudem vor schleichender Verstaatlichung des Verlagswesens durch Open Access und Digitalisierung.

Zur Mehrwertsteuer äußerte sich Jens Bammel in einem weiteren Teil seines Vortrags und wies darauf hin, dass der finanzielle Druck gegenwärtig enorm sei, einen einheitlichen Mehrwertsteuersatz ohne Privilegien zu erreichen. Von 88 untersuchten Ländern hatten nur 13 reduzierte Sätze für Bücher. Gegenwärtig diskutieren Kroatien, Schweden, Korea und Frankreich die reduzierte Mehrwertsteuer für E-Books. Am Beispiel Islands bekräftigte er, dass ein Land trotz schlechter Wirtschaftslage am reduzierten Satz festhalten kann.

Kollektives Handeln werde auch in der sehr individuellen Verlegerbranche zunehmend wichtiger. Die Verleger müssen aufpassen, dass ihnen das Heft des Handelns nicht aus den Händen genommen wird, Google Editions ist ein Beispiel dafür. Mit weiteren ähnlichen weltweiten Initiativen ist zu rechnen. „Was die Branche nicht selbst macht, wird mit ihr gemacht“, warnte er. Jens Bammel lobte in diesem Zusammenhang Libreka als gute eigenständige Initiative.
Das Verlagswesen, so stellte er abschließend fest, sei abhängig von politischen Entscheidungen zur Buchkultur.

Auf Nachfrage zum Urheberrecht der Zukunft konstatierte Jens Bammel zwei Aspekte; es gibt Trends, und es gibt Gesetze. Die Piraterie im Netz ist nur in Zusammenhang mit anderen Fragen wie zum Beispiel der Bekämpfung des Terrorismus zurückzudrängen. Gerade bei der Buchpiraterie muss man die Gründe hinterfragen, die vielschichtig sind. Es gehe jetzt darum, weiterhin Musterprozesse gegen unrechtmäßige Aneignung zu führen, gleichzeitig muss der Verkauf von E-Books erleichtert werden.

Dr. Christian Sprang wandte ein, dass es in den USA wesentlich härter bei der Durchsetzung der Gesetze zugeht.

Das bestätigte Jens Bammel, erläuterte dazu allerdings, dass in den USA „erst geschossen, dann das Ziel geklärt“ werde. Google habe zuerst digitalisiert, dann wurde nach den Rechten gefragt. Damit gehen beide Seiten hohe Risiken ein.
In Europa herrsche eher eine kollaborative Streitkultur, die den Prozess als letzte Möglichkeit sieht.

In der weiteren Diskussion fragte Matthias Ulmer an, ob internationale Lobby-Arbeit gegen den Ruf nach Informationsfreiheit überhaupt möglich sei.

Jens Bammel sieht die Informationsfreiheit zunehmend vernünftig geregelt, ein positiver Trend sei spürbar. Aber es wird noch ein langer und schwieriger Weg.

Die Ehrungen, vorgenommen vom Vorsteher des Börsenvereins, Dr. Gottfried Honnefelder, folgten. Mit der Goldenen Nadel wurden Manfred Gast, Gast & Hoyer GmbH, Berlin, und Dr. Rainer Nitsche, Transit Buchverlag GmbH, Berlin ausgezeichnet.

Gottfried Honnefelder zitierte zum Erstaunen des Publikums den Beginn des Psalms 98 und leitete damit zur Gründung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels am 2.5.1825 hin. Das Parlament stieß vorab schon einmal auf den 185. Geburtstag an.

Über Preisbindungsprobleme im Onlinebuchhandel sprach Preisbindungstreuhänder Dieter Wallenfels. „Was ist der aktuelle gebundene Preis? Das ist die Frage, die zunehmend zu Abmahnungen in Höhe bis zu 2000 Euro führt“, konstatierte der Redner. Buchhändler sehen sich verstärkt mit falschen Abrechnungen konfrontiert, ohne bewusst Fehler begangen zu haben. Das bedeutet ein hohes Risiko angesichts von 100.000 Titeln im Angebot.
Eine verlässliche Datenbank muss her, denn in Deutschland gibt es – anders als beispielsweise in Österreich – keine entsprechende gesetzliche Regelung. Die Branche in Deutschland muss also selbst handeln.
Das Thema Preise ist nicht neu, neu ist die anwaltliche Verfolgung von Unregelmäßigkeiten. Eine Umzeichnung der veränderten Preise ist notwendig, das Parlament muss beschließen, wer die Bücher umzeichnet und wer die Kosten dafür trägt.

Die Fachausschüsse nahmen dazu Stellung und waren sich über die Einrichtung einer neutralen Referenzdatenbank einig. Das VLB scheint dafür prädestiniert, wird jedoch vom Ausschuss für den Zwischenbuchhandel nicht sofort als einzige Lösungsmöglichkeit anerkannt. In der Diskussion gibt es keinen Zweifel über die Notwendigkeit einer Referenzdatenbank, aber über die Vorgehensweise, wie dieses Problem am besten zu lösen sei. Die Wirtschaftsbetriebe des Börsenvereins werden ins Blickfeld gerückt, sie sollten unbedingt einbezogen werden. Offen zu legen ist, welche Kosten die Datenbank erfordert und wer in welcher Zeit welche Informationen an wen liefern muss.

Zum Tagesordnungspunkt „Aktuelle Themen“ erinnerte Heinrich Riethmüller, Osiandersche Buchhandlung, an den Appell des Sortimenterausschusses zum Vertrieb digitaler Fachinhalte aus dem Jahr 2009. Das Sortiment wird in diesem Segment aus dem Markt gedrängt, die Forderungen der Sortimenter sollten mit dem Verlegerausschuss diskutiert werden.

Zum Thema Libreka stellte Heinrich Riehtmüller fest, dass dieses Angebot noch weit von einer offenen, relevanten Plattform entfernt sei. Die Sortimenter sollten Libreka verstärkt in ihre eigenen Online-Auftritt einbinden, DRM halte er nicht für sinnvoll, die Kunden müssen leichter an E-Books kommen können. Verleger und Sortimenter sollten gemeinsam über die nächsten wichtigen Schritte beraten.

Dr. Rüdiger Salat, stellvertretender Vorsitzender des Verleger-Ausschusses, Verlagsgruppe Holtzbrinck, dankte zunächst der Arbeitsgemeinschaft, die sich mit operativen Verbesserungen von Libreka beschäftigte. Kritisch wurde bereits gestern im Ausschuss die relativ langsame Umsetzung diskutiert. Aber: Libreka ist eine einmalige Verleger- und Buchhändler-Initiative mit hoher Relevanz. Sie muss schnellstens besser positioniert werden, Lösungen gilt es noch vor den Buchtagen in Berlin zu finden.

Zum Thema Kopierschutz war man sich darin einig, dass eine unüberwindbare Sicherheit nicht erreicht werden kann. In den USA werden alle E-Books mit DRM ausgeliefert, es gibt dort kaum Probleme der Lesbarkeit auf den verschiedenen Readern.

In Deutschland sind im ersten Quartal des Jahres etwa 30.000 E-Books verkauft worden, DRM-Anfragen bzw. Reklamationen gab es keine.

In der Frankfurter Erklärung, die am Schluss des Parlaments übergeben wurde, forderte das Branchengremium, das Urheberrecht weiter zu stärken und die länderübergreifende Kooperation auszubauen.
Als Referenzdatenbank soll das VLB eingerichtet werden, vorher ist ein Überblick über Kosten und Modalitäten notwendig.

JF

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