Was ist eigentlich Stil? „Stil? Sicher!“ – der 11. Workshop der Stiftung Illustration endete mit der Ausstellungseröffnung zu den „Tollen Heften“

Die Teilnehmer des 11. Workshops der Stiftung Illustration

Am Samstag Abend ging im Bilderbuchmuseum auf Burg Wissem in Troisdorf der 11. Workshop der Stiftung Illustration zu Ende. Unter dem Motto „Stil? Sicher! Ah, ist das nicht das neue Buch von …“ waren gut 90 Teilnehmer zusammengekommen, um anderthalb Tage lang Referate zu hören und zu diskutieren. Krönender Abschluss war am Samstag Abend die Eröffnung der Ausstellung „Rotraut Susanne Berner: Die Tollen Hefte“. Auf die Fragen „Was ist eigentlich Stil? Ist Stil wichtig? Ist Stil ein Qualitätsmerkmal? Und ist er die Voraussetzung für Erfolg?“ gab es am Ende mehr Antworten als gedacht. Schon die Überlegung, ob man überhaupt von Stil sprechen kann, oder ob es nicht eher um eine Bildsprache geht, stand zur Debatte.

Christine Knödler zeigte in ihrem Eröffnungsreferat „Stil? Bildend!“ Entwicklungen und Beziehungen der Stile verschiedenster Illustratoren untereinander. Sie schloss mit einem Zitat von Paul Klee: „Ich bin mein Stil“ – das Persönliche, das in diesem Begriff steckt, war am Ende wohl ein Konsens, auf den sich alle verständigen konnten.

Nadia Buddes Beitrag stand unter der Überschrift „Mit dem linken Fuße gemalt“, und das war wörtlich gemeint. Die Illustratorin zeigte Bilder, die sie mal mit dem linken, mal mit dem rechten Fuß gemalt hat, um eine neue Technik auszuprobieren und sich nicht in der alten festzufahren. Mit der Zeit jedoch hätten sich die Fußzeichnungen den Handzeichnungen immer mehr angenähert, wobei die Füße wohl mutiger seien als die Hände, denn sie hätten auch Farbe verwendet – die setzt Nadia Budde ansonsten erst am Computer ein, um ihre Schwarz-Weiß-Zeichnungen zu kolorieren. Für sie sei es das innere Wesen, das den Stil hervorbringe, sofern es gelinge, einen Zugang dazu zu finden und es freizulassen.

Die Arbeit am Computer – von Außenstehenden oft kritisch betrachtet und in musealen Zusammenhängen zuweilen schwierig, da man keine Originale zeigen kann – stellten Julia Neuhaus (die den Workshop auch souverän moderierte) und Franziska Walther in ihrem Referat dar. Wobei sie das Werkzeug unterschiedlich nutzen: Julia Neuhaus scannt Strukturen und baut daraus ihre Bildwelten in Photoshop, Franziska Walther nutzt dasselbe Programm, arbeitet aber von der Skizze bis zum fertigen Buch komplett digital. Beide habe die Verwendung der digitalen Möglichkeiten sehr befreit – von den Ängsten, Fehler zu machen. Und beide sehen die Vorteile, mehr bei der Buchgestaltung mitreden zu können, denn sie laden bereits ihre Skizzen ins Indesign, um zu sehen, ob genügend Raum für den Text bleibt und die Doppelseiten-Gestaltung aufgeht.

Eifrig mitgeschrieben wurde dann beim letzten Vortrag am Freitag: Rotraut Susanne Berner hatte ihn unter die Überschrift „Der Zustand von Gleichgültigkeit“ gestellt und formulierte ihre persönlichen zehn Gebote für ihre Arbeit. „Du sollst gleichgültig sein“ lautet dabei ihr 9. Leitsatz, der zugleich der schwierigste sei. Denn er bedeute, Intellekt, Emotionen und handwerkliches Tun im kreativen Prozess gleichberechtigt in Einklang zu bringen, was von anderen zuweilen als „Flow“ bezeichnet wird.

Zugleich veranschaulichte Rotraut Susanne Berner, was ihre Handschrift geprägt hat: Neben den Bildern ihrer Kindheit, ihrer Ausbildung und Lehrer seien es die Texte, die sie im Laufe ihrer Tätigkeit als Illustratorin geprägt hätten. „Für mich ist der Text die erste Voraussetzung, um zeichnen zu können.“ Bei der Frage „Wo ist das Ende einer Zeichnung, wo höre ich auf?“ sei für sie die originalgrafische Technik ein Wendepunkt gewesen, die sie zur Beschränkung zwinge. Die Gestaltung von Einbänden für den Augsburger Maro Verlag – in einer Form, die von der verlagseigenen Druckerei selbst gedruckt werden konnte – sei ausschlaggebend gewesen für die Bildsprache, die sie daraus entwickelte. In Original-Flachdrucktechnik entstehen heute noch die Tollen Hefte, die inzwischen in der Büchergilde Gutenberg erscheinen und für die Rotraut Susanne Berner seit dem Tod ihres Mannes Armin Abmeier verantwortlich ist.

Die Ausstellung zur Geschichte dieser Tollen Hefte, die am Samstag Abend eröffnet wurde, läuft noch bis zum 18. November und ist ein lohnenswerter Grund für einen Ausflug ins Bilderbuchmuseum in Troisdorf. Basierend auf einer vor zwei Jahren in Bologna gezeigten Schau, zeigt sie Exponate aus aktuell 50 Ausgaben und verdeutlicht, was Original-Flachdrucktechnik bedeutet. Ein Katalog kann für 15 Euro an der Museumskasse erworben werden. Und wer die Künstlerin im O-Ton hören möchte, sei auf die Deutschlandfunk-Sendung Bücher für junge Leser verwiesen, die sich in der Audiothek nachhören lässt.

Die Ansprache von Thomas M. Müller zur Ausstellungseröffnung gab dem Workshop eine weitere Facette: „Wir müssen (…) über das Tolle, also Wahnsinnige der Hefte reden, das liegt in dem Wort Original-Flachdruckgrafiken begründet, das zu Recht im Impressum der Hefte steht“, erklärte er. „Waren die handgezeichneten Farbauszüge zunächst naheliegend, weil nicht nur formbestimmend, sondern auch ein kostensenkender Produktionsfaktor, wenn man nicht gerade mehr als fünf oder sechs Farben beanspruchte, so ist das Beharren auf der originalen Technik inzwischen ein purer Luxus und sogar Störfaktor im vollautomatisierten Workflow.“

Katrin Stangl (die wie Thomas M. Müller auch zu den Künstlern der Tollen Hefte gehört) hätte eigentlich schon am Freitag einen Blick in ihr Atelier zeigen sollen, sie war aber aus gegebenem Anlass zur Preisverleihung der Stiftung Buchkunst gefahren. Am Samstag Morgen konnte sie dann einen großen Applaus für die Auszeichnung ihres Buches Schwimmt Brot in Milch? (Aladin) entgegennehmen, bevor sie mit ihrem Vortrag begann. Sie schätzt vor allem handwerkliche Arbeitsformen wie unterschiedliche Drucktechniken, zeichnet aber auch, u.a. für die selbstverwaltete Zeitschrift SPRING, mit Kugelschreiber oder Tusche und habe nicht das Anliegen, dass ihre Arbeiten immer einheitlich sein sollten.

Die in der Lehre tätigen Illustratoren Julia Neuhaus, Thomas M. Müller, Henriette SauvantMerav Salomon und Henning Wagenbreth stellten ihre Arbeiten vor, teilweise auch die ihrer Studenten, und offenbarten unterschiedlichste Ansätze, die in ihrem Werdegang begründet liegen. So sagte Henriette Sauvant, dass Bilder für sie interessant seien, wenn etwas Unerklärliches in ihnen liegen würde. Henning Wagenbreth wiederum wies darauf hin, dass Stil im Sinne einer Individualisierung von Dingen und Arbeitsweisen eine westliche Denkart sei und dass es beim Illustrieren auch um Kommunikation, also Verständlichkeit gehe.

Wie individuell – ob mit oder ohne Hochschul-Ausbilder – der Weg zum Illustrator ist, zeigte eine von Ute Wegmann moderierte Gesprächsrunde mit Anke Kuhl, Jörg Mühle, Ole Könnecke und Axel Scheffler. Und wie Verlage auf Illustratoren zugehen, verdeutlichte die Verlegerinnen-Runde mit Monika Bilstein, Petra Albers, Bärbel Dorweiler, Annabel Lammers und Daniela Filthaut, die von Paula Peretti befragt wurden.

Letztere hatte gemeinsam mit Museumsdirektorin Pauline Liesen und Julia Neuhaus das Konzept des Workshops entwickelt – und gemeinsam mit ihrem Mann, dem Krimi-Autor Ulrich Brandt, am Freitag Abend im Hof von Burg Wissem eine köstliche Paella im Peretti-Stil für die Workshop-Teilnehmer zubereitet. Musikalisch abgerundet wurde das Programm stilsicher von Sophia Martineck an der Akkordzither und Henning Wagenbreth an der Mandoline.

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