Ausstellungen Schirn Frankfurt: Hannah Ryggen. Gewebte Manifeste

Heute Abend wird die Ausstellung Hannah Ryggen. Gewebte Manifeste in der Schirn Kunsthalle in Frankfurt eröffnet. Die Exposition ist Bestandteil des kulturellen Rahmenprogramms zu Norwegen, dem diesjährigen Ehrengast der Buchmesse.

Schirn Direktor Philipp Demandt freute sich, mit dieser Schau die Reihe weiblicher Künstlerinnen, die seit vielen Jahren in dem Haus präsentiert werden, fortsetzen zu können, denn noch immer sind weltweit Frauen in der Kunst nicht gleichberechtigt vertreten.

Mit Hannah Ryggen (1894 bis 1970) wird das Œuvre einer Künstlerin gezeigt, die außerhalb des skandinavischen Raums weitgehend unbekannt ist, obwohl sie zeitlebens weltweit ausstellte. Darüber hinaus waren einige Arbeiten 2012 auf der documenta 13 in Kassel zu sehen. „Ihre großformatigen Tapisserien sind als gewebte Manifeste lesbar“, erklärte Demandt. Ryggen lebte mit ihrem Mann, dem Maler Hans Ryggen, und ihrer Tochter Mona fast autark auf einem Bauernhof in der Nähe von Trondheim. „Dennoch hatte sie ihren Webstuhl an den Ticker der Welt angeschlossen“, betonte Demandt.

Kuratorin Esther Schlicht berichtete, wie man auf die Künstlerin gekommen war: „2017 waren wir auf der Suche nach passenden Künstlern zum Ehrengast Norwegen. Wir sahen die Tapisserien von Hannah Ryggen und waren sofort von ihrem künstlerischen Ansatz, ihrer Haltung und der Aktualität ihrer Arbeiten überzeugt. Jede Tapisserie ist ein eigenes Universum.“ In der Ausstellung, die rund 25 Werke zeigt, sind den meist großformatigen Textilbildern erläuternde Texte zum besseren Verständnis zur Seite gegeben. Ein 35-minütiges Audio Feature kann man an verschiedenen Stationen hören, es ist außerdem als Podcast verfügbar.

Gastkuratorin Marit Paasche bemerkte: „Die Ausstellung Hannah Ryggen rückt die landläufige Meinung über die Moderne zurecht.“ Ryggen, die sich selbst als Malerin am Webstuhl sah, arbeitete mit Naturfasern und Naturfarben. „Sie hatte ein extrem radikales, aber gleichberechtigtes Leben auf dem Bauernhof mit ihrer kleinen Familie und mit den Tieren, abhängig von der Natur. Ebenso radikal war ihre pazifistische und humanistische Haltung.“ Die Künstlerin verband in ihren Webbildern Elemente aus Volkskunst und Mythologie mit politischen Anliegen und Themen des alltäglichen Lebens. Entschieden wandte sie sich gegen die Naziherrschaft, prangerte die Invasion Italiens in Äthiopien 1935 an – ihr Bildteppich Etiopia hing zur Weltausstellung 1937 in Paris in unmittelbarer Nähe von Guernica von Pablo Picasso, den sie schätzte.

In Drømmedød/Tod der Träume (1936) setzte Ryggen den Fall des wegen Landesverrats angeklagten deutschen Friedensnobelpreisträgers Carl von Ossietzky, dessen politische Haltung die norwegische Gesellschaft spaltete, auf ihre Weise um und bezog klar Stellung.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kämpfte sie mit ihren Werken gegen atomare Aufrüstung und den Beitritt Norwegens zur NATO.

1966 schuf sie Blod i gresset/Blut im Gras und prangerte darin den Vietnamkrieg an. Erstmals benutzte sie dabei für das rote Gittermuster eine künstliche Farbe. Dieses Werk leitet die Ausstellung ein.

Ryggen beschäftigte sich mit Malerei und Literatur, setzte beispielsweise das Gedicht Little Gidding von T. S. Eliot bildkünstlerisch um.

Am Schluss der Exposition erblickt der Besucher das monumentale, vier mal drei Meter große Vi lever på en sternje/Wir leben auf einem Stern (1958), auf dem Ryggen ihre Vorstellungen von einem menschlichen Dasein eingewebt hat. Es war eine Auftragsarbeit für den Eingangsbereich des Regierungshochhauses in Oslo, an der die Künstlerin über anderthalb Jahre beschäftigt war. „Am 22. Juli 2011 wurde dieser Teppich bei dem Bombenanschlag des rechtsextremistischen Terroristen Anders Behring Breivik auf das Regierungsgebäude beschädigt“, berichtete Marit Paaschen. Der restaurierte Riss am unteren rechten Bildrand erinnert an diesen Norwegen tief erschütternden Angriff auf die Demokratie.

Die Ausstellung in der Schirn Kunsthalle ist bis zum 12. Januar 2020 zu sehen. Dazu ist ein Katalog im Prestel Verlag erschienen, ein umfangreiches Programm begleitet die Exposition.

JF

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