Top-Personalie Schaltet Bertelsmann nach Middelhoffs Rücktritt einen Gang zurück?

Finanzexperten rechnen nach dem Rücktritt von Thomas Middelhoff mit einem Ende des aggressiven Expansionskurses von Bertelsmann. Außerdem könnte der geplante Börsengang in den Hintergrund rücken. „Es wird wohl alles einen Gang zurückgenommen, aber von der Straße biegt man nicht ab“, schätzte Merrill-Lynch-Analyst Bernhard Tubeileh die Lage ein. Spekulationen, Middelhoff solle als Nachfolger von Ron Sommer die Führung der Deutschen Telekom übernehmen, bestätigten sich unterdessen zunächst nicht.
Branchenexperten rechnen aber nicht damit, dass Bertelsmann die Pläne für einen Börsengang, die den Konzern in eine Reihe mit den Konkurrenten AOL Time Warner oder Disney heben würde, gleich ganz aufgibt. „Man sollte da nicht so schnelle Schlüsse ziehen“, sagte Medienanalyst Tubeileh. Der Börsengang sei ja ein mittelfristiges Ziel. Vielleicht rückten diese Pläne erstmal in den Hintergrund, da auch Bertelsmann mit der schlimmsten Krise auf dem Medienmarkt der Nachkriegszeit fertig werden müsse.
Der 59-jährige Gunter Thielen gilt als Gegenpol zur Abenteurernatur Middelhoff, der Bertelsmann durch zahlreiche Zukäufe in immer neue Geschäftsfelder führte. Unter seiner Ägide erwarb Bertelsmann den US-Verlag Random House, baute den Anteil an der Senderfamilie RTL Group auf eine Mehrheitsbeteiligung aus, stieg bei AOL Europe ein und verkaufte die Anteile später mit Gewinn. Zuletzt erwarb Middelhoff die Internet-Musiktauschbörse Napster und die weltweit größte unabhängige Plattenfirma Zomba. Thielen sei dagegen der alten, konservativeren Unternehmenskultur von Bertelsmann verpflichtet und werde die Expansion wohl nicht mehr so aggressiv vorantreiben, hieß es.
Nach Ansicht des Medienforschers Horst Röper wird Bertelsmann auch nach dem Abgang von Middelhoff am Ausbau seiner Fernseh-Aktivitäten festhalten. „Bertelsmann wird weiterhin stark diesen Massenmarkt bedienen wollen. Beispielsweise der Schritt bei RTL ist in einer Weise vollzogen worden, die gar nicht rückgängig zu machen wäre“, sagte Röper, Geschäftsführer des Dortmunder Formatt-Instituts, im Deutschlandfunk. Bertelsmann hatte unter Middelhoff die Mehrheit an der RTL Group übernommen, der größten TV-Holding Europas. In Deutschland gehören dazu die RTL-Gruppe sowie der Sender Vox. Die RTL Group will auch Berichten zufolge beim Nachrichtensender n-tv einsteigen.
Über die Zukunft Middelhoffs wurde unterdessen heftig spekuliert. Medienberichte, wonach der Medienmanager neuer Chef der Deutschen Telekom werden könnte, bezeichnete Arbeitgeber-Präsident und Telekom-Aufsichtsratsmitglied Dieter Hundt als „eine Spekulation, der jegliche Basis fehlt.“ Nach einem Bericht der „Bild“-Zeitung hat Middelhoff ein Angebot des Medienkonzerns AOL Time Warner vorliegen. Middelhoff habe aber über seine zukünftige berufliche Tätigkeit noch keine Gespräche geführt.

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