Pressekonferenz zur Eröffnung der Frankfurter Buchmesse: Stunde der Branche

Kathrin Grün

Heute Vormittag fand auf der 69. Frankfurter Buchmesse die Eröffnungs-Pressekonferenz statt. Kathrin Grün, Abteilungsleiterin Kommunikation bei der Frankfurter Buchmesse, begrüßte die internationalen Medienvertreter.

Heinrich Riethmüller, Juergen Boos, Markus Dohle

Heinrich Riethmüller, Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, erklärte: „Die Gräben in der Gesellschaft sind größer geworden. An Fragen wie der Flüchtlingsthematik spaltet sich die Bevölkerung. Statt konstruktiv zu diskutieren und zu debattieren, werden Meinungen und Positionen häufig nur noch abgesondert, oft unsachlich und scharf im Ton. In dieser herausfordernden Zeit ist unsere Buchbranche gefragter denn je.“ Verlage und Buchhandlungen seien Garanten für Verständigung, gesicherte Informationen und Meinungsvielfalt: „Das ist die Stunde der Buchbranche.“

Heinrich Riethmüller

Auf Krisenmeldungen zur Situation des Buches eingehend, stellte Riethmüller fest, dass der Umsatz in den letzten zehn Jahren in Deutschland auf gleichbleibend hohem Niveau gehalten werden konnte. Allerdings gäbe es Verschiebungen, der Buchhandel vor Ort kämpfe wie der gesamte Einzelhandel mit rückläufigen Kundenfrequenzen. Dennoch sei im Buchhandel 2016 ein Umsatzplus von einem Prozent erreicht worden, Ende September 2017 stehe ein Umsatzminus von einem Prozent auf der Rechnung – ein gutes Herbst- und Weihnachtsgeschäft könnte da die Zahlen noch verändern.

Die Buchbranche zeige sich lebendig und innovativ.

Aber: „Einen Dämpfer erhält die Branche derzeit immer häufiger vonseiten der Politik. Mit den jüngsten Entwicklungen im Urheberrecht haben wir eine neue Dimension erreicht.“ Der Vorsteher appellierte an die Bundesregierung: „Verbessern Sie die Rahmenbedingungen für eine unabhängige, lebendige und vielfältige Verlagslandschaft. Nur wenn Verlage für ihre Leistungen eine marktgerechte Vergütung erhalten und Planungssicherheit haben, können sie in Literatur und neue innovative Lese- und Vertriebsmodelle investieren.“ Riethmüller nannte zwei für die Verlage dringende Themen: die Vergütungen der VG Wort und die Einschränkung des Wissenschaftsurheberrechts.

Außerdem wies er auf Demokratie und Meinungsvielfalt in der Welt hin: „Es ist unsäglich, wie ein Menschenrecht an so vielen Orten mit Füßen getreten wird.“ Die Freiheit des Wortes dürfe nicht zum Verhandlungsgegenstand gemacht werden.

Messedirektor Juergen Boos wünschte sich für die weltweit größte Buchausstellung sachliche Diskussionen und mehr Leidenschaft. „Das Buch ist erstaunlich stabil geblieben“, stellte er fest. Die Verbreitung von Inhalten habe sich enorm erweitert, das Hörbuch beispielsweise erlebe in den letzten Monaten einen Höhenflug. „Eine komplett neue Systemlogistik entsteht gerade“, sagte Boos, „neue Marktteilnehmer verdienen Geld mit Inhalten“.

Boos verglich gedruckte Bücher mit einem alten, gewachsenen Wald. Zwischen den Bäumen wachse derzeit neues, frisches „Grünzeug“ – Content in den unterschiedlichsten Formaten. Die Industrialisierung der Kreativität sei auf dem Weg. Für 2018 werde man das in einem neuen Messeprogramm noch stärker berücksichtigen.

Fake News seien weltweit ein großes Thema. „Offensichtlich ist der Mauerbau wieder sehr en vogue“, stellte der Messedirektor fest. Zur Diskussion darüber, unliebsame Aussteller von der Messe zu verbannen, stellte er klar: „Eine Idee verschwindet nicht, wenn man die Autoren beseitigt.“ Es gehe vielmehr darum, bessere Alternativen vorzustellen, anthropologisch weit zu denken. „Für Diskussionen ist die Frankfurter Buchmesse ein hervorragender Platz“, sagte Boos.

Markus Dohle, CEO von Penguin Random House, begann seine Rede mit einem Zitat der künftigen Friedenspreisträgerin Margaret Atwood: „You’re never going to kill storytelling, because it’s built into the human plan. We come with it.“ „Aus meiner Sicht erlebt die Welt des Buches die beste Zeit“, sagte Dohle und nannte dafür fünf Kriterien:

  1. Die internationalen Buchmärkte seien in den letzten 15 Jahren in den meisten Ländern gewachsen.
  2. Vor zehn Jahren kam der E-Book-Reader Kindle auf den Markt. Inzwischen gibt es für Print und E-Books relativ stabile Geschäftsmodelle, die Piraterie habe man einigermaßen im Griff.
  3. Es bestehe eine gesunde Koexistenz von Print und E-Book im Verhältnis von 80 zu 20. Die Vielfalt im Buchhandel müsse erhalten werden.
  4. Die Buchbranche bekäme Rückenwind durch steigende Bevölkerungszahlen und demografischen Wandel. Dohle verwies auf die riesigen indischen und lateinamerikanischen Märkte, die enorme Wachstumschancen böten.
  5. Kinder- und Jugendbücher seien die am schnellsten wachsende Kategorie. Die meisten Mega-Seller seien auf diesem Gebiet zu verzeichnen.

„Lesen macht schlicht smarter“, resümierte Dohle.

Wasser müsse er dennoch in den Wein schütten: „Die Branche steht natürlich vor einem Umbruch. Wir müssen vom Geschäftsmodell Verlag zur Buchhandlung weg und eher von Verlag und Buchhandlung zum Kunden kommen.“ Das erfordere ein verändertes Buchmarketing und eine stärkere Sichtbarkeit von Büchern.

50 Millionen Titel seien bei Amazon gelistet; „wir ertrinken im Meer von Angeboten und dürsten nach Qualität“, erklärte der CEO und plädierte für weniger, aber bessere Novitäten.

750 Millionen US-Dollar investiere Penguin Random House jährlich in neue Bücher. „Wörter, Sprache, Kultur – wir brauchen sie mehr denn je“, bemerkte Dohle und schloss mit einem weiteren Atwood-Zitat: „War is what happens when language fails.“

Auf Anfrage nannte Juergen Boos Zahlen: 7.300 Aussteller aus 106 Ländern seien zur Buchmesse in Frankfurt, Fachbesucher aus 150 Ländern hätten sich angekündigt.

Er stand auch nach Schilderungen über die Buchmesse in Schweden zur Entscheidung der Frankfurter Messe: „Wenn wir Verlage ausschließen, erreichen wir das Gegenteil. Wir haben einen anderen Weg als die Schweden gewählt.“

JF

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