Helge Malchow: "Er war ein Meister seines Fachs" Nachruf auf Stephan Lehmann-Özyurt

Der Verlagsvertreter Stephan Lehmann-Özyurt ist, das hatten wir schon gemeldet, am 14. Juli nach kurzer schwerer Krankheit im Alter von 67 Jahren gestorben. Hier erinnert sein langjähriger Verleger Helge Malchow noch einmal an den Mann, der in NRW fast 25 Jahre lang das Gesicht des Verlages Kiepenheuer & Witsch war:

Stephan Lehmann-Özyurt mit kämpferischem Gruß: „Er liebte rückhaltlos die Literatur, die Welt der Bücher. Er hatte ein beeindruckendes Wissen und ein hoch entwickeltes literarisches Urteilsvermögen. Er war begeisterungsfähig und er liebte diejenigen, denen wir all dies verdanken, die AutorInnen „

 

Verlagsvertreter sind – immer noch! – eine zentrale Gelenkstellezwischen den Verlagshäusern und dem Buchhandel und damit zwischen AutorInnen und LeserInnen. Sie sind die erste (halb)öffentliche Instanz für Bücher, hier entscheidet sich erst, ob die Leidenschaft für ein Buch im Verlag über diesen hinaus in der Welt zündet. Und sie sind dann diejenigen, die diese Leidenschaft in die Herzen und Köpfe der BuchhändlerInnen tragen. Ein Beruf mit großer Verantwortung.

Unser langjähriger Kollege und Freund Stephan Lehmann-Özyurt war ein Meister dieses Fachs, der in sich alle Eigenschaften vereinte, die man für diese anspruchsvolle und oft erschöpfende Arbeit braucht: Er liebte rückhaltlos die Literatur, die Welt der Bücher. Er hatte ein beeindruckendes Wissen und ein hoch entwickeltes literarisches Urteilsvermögen. Er war begeisterungsfähig und er liebte diejenigen, denen wir all dies verdanken, die AutorInnen. Er war ein Vierteljahrhundert ein hoch geschätzter Kollege aller MitarbeiterInnen von Kiepenheuer & Witsch.

Mit dem Verlag verband ihn neben seinem Humor (er trug immer rote Socken!), nicht zuletzt sein politisches, kritisches Bewusstsein, das er nicht versteckte und mutig vertrat, auch mal in heftigen Diskussionen während der Konferenzen. Er war ganz Anwalt der BuchhändlerInnen, deren Situation er genau kannte und deren Bedürfnisse er bei seiner Arbeit immer sensibel berücksichtigte. Er liebte die Besuche bei ihnen, er freute sich mit ihnen über Erfolge und litt mit ihnen, wenn Träume einmal nicht in Erfüllung gingen. In der Vertreterrunde war er über die Jahre zu einem der Leuchttürme geworden, nicht nur wegen seiner professionellen Vorschläge und Ideen, sondern auch wegen seiner Bescheidenheit und Hilfsbereitschaft.

Mit Reinhold Joppich, dem langjährigen Vertriebsleiter und seinem Kölner „Herbergsvater“, verband ihn eine Lebensfreundschaft, die weit über die Bücher hinausging und auch seine zweite Leidenschaft berührte: den Fußball! Denn diese Leidenschaft war sein zweites Standbein, genauer gesagt: seine Liebe zum FC St. Pauli, bei dem er aktives Mitglied war. Auch dies kein Zufall, symbolisierte dieser Club doch für ihn alles, was ihn auch als Mensch auszeichnete: die Identifikation mit den Schwächeren. Die Lust am Widerstand. Die Hartnäckigkeit und die Freude an kleinen und großen Siegen. Als vor Jahren die Tochter der heutigen Verlegerin Kerstin Gleba geboren wurde, kam eines der ersten Geschenke, die bei ihr eintrafen, von Stephan aus Varel: eine St. Pauli Baby-Erstausstattung.

Wir bei KiWi hatten das große Glück, dass seine Tochter Hatice während ihres Studiums bei KiWi arbeitete, mit der gleichen Hingabe wie ihr Vater. Und auch sein Sohn Selim war einer von uns: er verstärkte das KiWi Fußballteam bei Turnieren oft entscheidend.

Wir verabschieden uns von einem unvergesslichen Freund, und unsere Gedanken sind in diesen schweren Tagen ganz bei seiner Familie, der unser tiefes Beileid gilt.

Helge Malchow, KiWi-Verleger von 2001 bis 2018

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