Buchmessen Meike Haberstock über die Faszination der Frankfurter Buchmesse

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Meike Haberstock © Daniel Giesecke

Nächste Woche präsentiert die Kinderbuchautorin Meike Haberstock (Foto) in Frankfurt ihre Paula und Pelle-Bücher, die bei arsEdition erschienen sind. Lange Zeit sah sie die Frankfurter Buchmesse nur schokoladenfutternd vom Sofa aus im Fernsehen. Warum das so war, und wie dann ihr erster Besuch im Phantasialand für Buchmenschen verlief, erzählt sie auf buchmarkt.de.

Bevor ich Autorin und Illustratorin wurde, arbeitete ich als Creative Director in der Werbung. Viele Jahre dachte ich mir in großen und kleinen Agenturen für große und kleine Kunden große und kleine Werbe- und Marketingkonzepte aus. In all den Jahren sah ich regelmäßig im Oktober die Berichte zur Frankfurter Buchmesse im Fernsehen. Lange Gänge, viele Menschen und noch mehr Bücher. „Ach!“, dachte ich jedes Jahr schokoladefutternd auf dem Sofa sitzend, „Da möchte ich unbedingt mal hin! Nächstes Jahr fährst du – bestimmt!“.

Mit manchen Wünschen ist es ja wie mit den guten Vorsätzen zum Jahresbeginn oder auch mit Steuererklärungen und mit dem Altglas, das sich unter der Spüle türmt. Man würde ja gerne, aber…! Wahlweise ist das Wetter zu schlecht, der Wäscheberg zu hoch oder die Aussicht auf den trüben Hinterhof dann doch zu gut (OK, der Kuchen in der Hand ist frisch gebacken und diesmal sogar ansatzweise gelungen!)… man bekommt den Hintern trotz aller Bestrebungen einfach nicht hoch.

Der Alltag ist eben ein langer, ruhiger Fluss… also theoretisch. Oder bei anderen Leuten. Meiner war es zwar nicht und zu meiner Verteidigung bekam ich Anfang 2012 Zwillinge. So hatte ich neben meinem großen Sohn, dem Altglas unter der Spüle nun noch zwei Gründe mehr, im Oktober wieder nur auf dem Sofa zu sitzen, Schokolade zu futtern und sehnsüchtig all den Menschen in den langen Gängen zuzusehen, wie sie sich Bücher ansahen.

Zum Glück, denke ich heute! Denn wenn ich das, was ich bei meinem ersten Besuch erlebte VOR meinem ersten Manuskript erlebt hätte – ich denke, ich hätte eine lebenslange Schreibblockade gehabt.

Im Oktober 2013 reiste ich – wieder nicht. Dafür aber mein erstes Kinderbuch-Manuskript. Und zwar im Koffer meiner damaligen Agentin. Die Agentin kam nach der Messe zurück, das Manuskript nicht – sie hatte in Frankfurt einen Verlag gefunden, der es (und mich) unter seine Fittiche nahm. Und ab da war nichts mehr wie es war. (OK, das mit dem Altglas unter der Spüle ist die einzige Konstante.) Ich schrieb, korrigierte, raufte mir die Haare, schrieb wieder, illustrierte und arbeitete an mehreren Büchern gleichzeitig. Kurz: Ich fand es herrlich!

Dann kam der Oktober 2014. Und mit ihm mein erster Besuch im Phantasialand für Buchmenschen – FRANKFURT! Tja, was soll ich sagen…? Ich war geschockt. Und verliebt. Und beeindruckt. Und abgeschreckt. Und ja, wahrscheinlich alles gleichzeitig. Alles war riesig, hektisch, laut, voll, durcheinander, unübersichtlich… SOOO viele Bücher… und ich mittendrin. Durch die Gänge irrend sah ich alles und nahm doch kaum etwas wahr. In Anbetracht der Masse Menschen und der unendlichen Flut von Büchern fühlte ich mich ein wenig wie ein Kind, das im Gedränge des Bahnhofs die Hand der Mutter losgelassen hatte.

Leider hatte ich nicht wie in Kindertagen einen ledernen Brustbeutel mit überlebensnotwendigen Informationen um den Hals: Name, Adresse, Geburtsdatum, Krankenkasse, Blutgruppe, Lieblingsschokolade (wenn es länger bis zur Rettung durch die Polizei dauert). Zu gerne hätte ich wirklich einen Fremden um Hilfe angebettelt und mit diesem stummen „Bitte bringen Sie mich nach Hause!“-Blick angesehen und auf meinen Brustbeutel gezeigt.

Doch dann besann und sammelte ich mich. „Meike, das packst du!“, sagte ich mantramäßig zu mir, atmete tief durch und ging entschlossen… einer Gruppe von Japanern nach, die sich in meinen Augen sehr souverän übers Messeparkett bewegten. Einer von ihnen trug einen riesigen Plüschteddy unter dem Arm und ich dachte mir: „Die gehen bestimmt in die Kinderbuchhalle!“

Tja, taten sie auch. Doch vorher schauten sie sich noch Fachbücher über die sozialkritischen Aspekte brasilianischer Volkslieder an, testeten vernetze Siebdruckmaschinen im Kleinstformat für Selbstbauer und erkundeten sehr erfolgreich und ausgiebig das Angebot alkoholischer Getränke an den Gastronomieständen.

Als ich schließlich nach gefühlten Wochen fußlahm und voll mit unnützem Wissen in die Kinderbuchhalle stolperte, sah ich nur noch pink (Cover Mädchenbücher). Und schwarz (Cover Jungenbücher). Und bunt (der Rest).

So viele Bücher, viele davon Neuerscheinungen, alle bestens ausgeleuchtet, wunderschön arrangiert und professionell dekoriert, meterhoch in Szene gesetzt. Und ich und mein kleines erstes Buch sollten nun Teil davon werden? Das fühlte sich irgendwie nicht richtig an.

Autoren lasen geübt vor, Verlagsmitarbeiter wuselten flink herum, Menschen in Anzügen bewegten wichtig aussehende Papiere. Die Buchmessen-Romantik, in die ich mich von meinem Sofa aus immer hineingeträumt hatte… also hier war sie zumindest nicht. Vielleicht war ich ja in der falschen Halle? Ich griff nach meinem imaginären Leder-Brustbeutel und machte noch einen Anstandsbesuch bei meinem ersten Verlag – dann machte ich mich vom Acker zurück nach Hause.

Puh, wenn ich all das VOR dem Schreiben meines ersten Buches gesehen und erlebt hätte, ich weiß nicht ob mein Manuskript je fertig geworden wäre. Die schiere Masse an Büchern hätte mich wahrscheinlich abgeschreckt und mein Traum, Kinderbücher zu schreiben, wäre wohl auf ewig neben meinem Altglas liegen geblieben.

Nun, was soll ich sagen? Das Messe-Trauma hat sich im Laufe der Jahre und dank einer intensiven Schokoladentherapie ein wenig gelegt.

Im Jahr 2015 fuhr ich (mit Brustbeutel!) wieder nach Frankfurt und hielt sogar auf einem Messestand eine Lesung. In diesem Jahr bin ich schon fast ein alter Hase. Der Brustbeutel bleibt zuhause, stattdessen begleiten mich Paula & Pelle, meine beiden Lieblingshelden, die schon in zwei Bänden durch das arsEdition-Universum tollen. Gemeinsam werden wir am 21. Oktober im Lesezelt auftreten und etwas über „Den besten Hund der Welt“ erzählen.

Wer weiß, vielleicht treffe ich ja die japanische Reisegruppe wieder. Oder Sie. Aber falls Sie es in diesem Jahr trotz aller Bemühungen nicht schaffen sollten…, dann winke ich Ihnen auf Ihrem Sofa zu, wenn Sie schokoladeessend in den Fernseher schauen und denken: „Ach, Frankfurter Buchmesse. Da möchte ich unbedingt mal hin. Im nächsten Jahr!“

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