Veranstaltungen Litprom-Literaturtage in Frankfurt: Verbrechen zunehmend global

Zwei Tage lang trafen sich Kriminal-Literaten aus Argentinien, Australien, Hongkong, Südkorea, Südafrika, Uruguay, Haiti, Brasilien und Deutschland im Literaturhaus Frankfurt zu öffentlichen Werkstattgesprächen, Podien und Filmvorführungen. Die achten Litprom-Literaturtage beschäftigten sich mit dem Thema Global Crime.

Gestern fand das Abschlusspodium mit Thomas Wörtche, Marcelo Figueras, Mercedes Rosende und Max Annas statt. Für die Übersetzungen sorgten Heike Kirschner, Christin Kleinhenz und Elisabeth Müller.

„Definieren konnten wir Kriminalliteratur bisher nicht. Aber die beiden Tage haben allen Teilnehmern viele neue Erkenntnisse gebracht“, stellte Wörtche zu Beginn fest.

Rosende bestätigte: „Deutschland hat in Uruguay einen schlechten Ruf. Meine Erfahrungen sind andere; mir haben Leute geholfen, als ich auf dem Stadtplan etwas suchte. Und sie haben mir meine verlorenen Handschuhe hinterher getragen. Bei den Litprom-Veranstaltungen im Literaturhaus habe ich mich wie in einem Wohnzimmer gefühlt.“

Zum Thema Global Crime bemerkte Rosende, dass Verbrechen unaufhaltsam und überall zu finden seien. Deshalb stießen Krimis auf so viel Interesse. „Journalisten können gar nicht alles aufgreifen, was passiert“, sagte die Autorin.

„Krimis funktionieren über Grenzen hinweg“, unterstrich Figueras, „es ist erstaunlich, wie sich die Kriminalliteratur in den letzten Jahren verändert hat.“ In England, dem Ursprungsland des Krimis, waren Verbrechen in der viktorianischen Zeit die Ausnahme. Das habe sich geändert, Verbrechen seien zur dunklen Seite eines Systems geworden. Figueras’ Landsmann Rodolfo Walsh stieß auf Verbrechen und erzählte davon auf andere Weise, er schilderte die kriminelle Gesellschaft in einer Militärdiktatur und wurde erschossen.

Eine Frage Wörtches beantwortend bejahte Figueras, dass viele Krimi-Autoren Hybridformen schaffen. „Wir leben in einer Welt, in der wir täglich unter Verbrechen und der Macht des Geldes leiden. Dabei stoßen wir auf unserem Planeten an Grenzen. Es gibt globale Verbrechen, denen globale Formen entgegengesetzt werden müssen.“

Max Annas nimmt von den Literaturtagen mit, dass sich alle Autoren in ihrer Gesellschaft verorten, um sie zu verändern. „Da finde ich mich wieder“, sagte Annas.

Thomas Wörtche wollte die Rolle des großen Autors Jorge Luis Borges hinterfragen. Rosende sagte dazu: „Ich bin Lateinamerikanerin, und das ist eigentlich schon eine Vollzeitarbeit. Aber ich kann nicht ignorieren, was mich prägte. Aber ich wollte über Frauen erzählen und über schreckliche Dinge des Alltags. Und mir gefällt unsere Art, die Dinge mit einem Augenzwinkern zu beschreiben. Außerdem wollte ich aufhören, über die Diktatur zu reden, ich möchte nach vorne schauen. Jetzt geht es um den Drogenkrieg und neue Probleme.“

„Kann es eine Kriminalliteratur von Rechts geben?“, fragte Wörtche. „Krimis aus einer faschistischen Perspektive? Das geht nicht, da müsste man ja hinschauen“, bezweifelte Figueras. Auf Borges zurückkommend, meinte Figueras, das dieser eine Form fand, mit der Diktatur umzugehen. Er sei ein mächtiger Schatten, aber auch ein großer Literat. Seine Literatur sei ein schönes Experiment in einer eigenen Atmosphäre. Rodolfo Walsh sei für Figueras eine Entdeckung und eine Möglichkeit gewesen, diese Situation zu überwinden.

„Krimi-Autoren wie Agatha Christie, George Simenon, Edgar Alan Poe schilderten Verbrechen und Ermittlung und boten am Ende eine Auflösung. Alles kann irgendwo geschehen. Jetzt passieren Dinge in der Welt, die anders sind. Der klassische Krimi fragt whodunit. Aber es ist wichtiger, danach zu fragen, warum etwas passiert“, bemerkte Rosende.

„Verbrechen müssen vielleicht neu definiert werden. Und wir müssen vermitteln, dass Verbrechen gar nicht auf der Straße, sondern ganz woanders stattfinden“, fügte Annas hinzu.

„Wir sind Erzähler, es geht um Unterhaltungsliteratur“, meinte Figueras. Man dürfe nicht langweilen und nichts Überflüssiges schreiben. Es sei ein Spiel: „Man greift ein ernstes Thema auf und erzählt dabei das Umfeld mit.“

Es sei doch auch ein Verbrechen, Müll um den gesamten Erdball zu transportieren, warf Rosende ein. Nach jahrelangen Klagen und Prozessen käme schlussendlich eine lächerlich niedrige Strafe heraus. „Wir alle nehmen eigentlich jeden Tag an Verbrechen teil“, stellte die Autorin fest.

„Funktioniert es denn, neue Verbrechen mit alten Mitteln zu behandeln?“, wandte sich Wörtche an die Debattanten, „wird das Genre Kriminalliteratur überleben?“

Figueras ist sich sicher: „Das Genre wird sich nicht selbst zerstören, weil es mit Eigenschaften der Menschen verknüpft ist und sich immer neu erfindet. Es geht auch darum, den Leser über Ungerechtigkeiten zu informieren und damit sein Bewusstsein anzusprechen. Ursprünglich war Verbrechen ein individuelles Erlebnis, jetzt geht es um institutionelle Verbrechen, um politische Themen. Weltweit bemühen sich Schriftsteller um Aufklärung.“ Was das Genre angehe, sei Figueras optimistisch, was die Welt angehe, nicht.

„In Uruguay ist der Krimi während der Diktatur aufgetaucht und hat sich dann weiterentwickelt. Das Buch 2666 von Roberto Bolaño hat Gewalt gegen Frauen gezeigt, ohne diesen Roman wüssten wir nichts davon“, fügte Rosende hinzu.

Max Annas stellte fest: „Wir alle ändern die Kriminalliteratur.“

Zum Schluss bedankte sich Litprom-Geschäftsführerin Anita Djafari bei allen Teilnehmern; Autoren, Moderatoren und Übersetzern: „Sie haben uns bereichert.“

JF

Kommentare (1)
  1. ich lebe in Uruguay,bin in uruguay geboren und in Deuschland viele jahre verbracht, es ist FALSCH das Deutschland in uruguay einen schlechte Ruf hat. ich weiss nicht mit welche Leute hat die Frau gesprochen, aber si ist total falsch informiert. illeich früher in dei
    Kriegzeit, wegen die Nazis, aber ist lange vorbei.

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