Veranstaltungen „Kultur unter der Kuppel“ – gestern traf im Berliner Reichstagsgebäude Kultur auf Politik

Kultur-Staatsministerin Monika Grütters

Einmal pro Legislaturperiode lädt die CDU/CSU-Bundestagsfraktion zur Veranstaltung „Kultur unter der Kuppel – Kultur trifft Politik“ in Berlin ein. Marco Wanderwitz, Vorsitzender der AG Kultur und Medien der Fraktion, hat das Treffen konzipiert und geleitet. Die Schlange vor dem Eingang zum Reichstagsgebäude am Mittwoch war lang, ebenso die Themenliste und der sommerliche Abend in Berlin.

Nach der Begrüßung wurde in vier Podien diskutiert; für die Buchwelt war „Der Wert des geistigen Eigentums und das Urheberrecht“ besonders interessant. Moderator Michael Hanfeld (FAZ) stellte die Gesprächsrunde zum Urheberrecht vor, z. B. so: „Wenn der Wirtschaftsminister in Fragen zur Digitalisierung nicht mehr weiterweiß, fragt er Dieter Gorny.“ Der ist Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Musikindustrie und kennt alle alten Fehler und neuen Chancen für diese Branche.

Mit dabei Clemens Trautmann, selbst Klarinettist, ehemals Büroleiter des Springer-Chefs Mathias Döpfner, jetzt Chef der Deutschen Grammophon. Der CDU-MdB Stefan Heck erwies sich als kundiger, besonnener und in den Taktiken des Bundestags bewanderter Politiker, dem man das Einfädeln eines baldigen, pragmatischen und für alle Seiten akzeptablen Kompromisses in Sachen Urheberrecht und VG Wort zutraut.

Mittendrin Jo Lendle, in einer Doppelrolle als Autor und Hanser-Verleger. Er holte ein wenig aus und beschrieb die Befindlichkeit der Verlage angesichts der sich weiter verbreitenden Digitalisierung als „aufgewacht aus dem Schrecken – jetzt sind wir nicht mehr passiv“. Von Anfang an haben die Buchverlage – anders als die Zeitungsverlage – ihr Produkt niemals kostenlos zur Verfügung gestellt, sondern als bezahltes E-Book geschäftsfähig gemacht.

Einig war sich das Podium darin, dass dem Auseinanderdividieren von Urhebern und Verwertern ein Ende gemacht werden muss – was in dieser Versammlung ein wenig zu leicht fiel: dadurch, dass kein Vertreter der Urheber auf dem Podium saß. Überhaupt schien es ein Übermaß an „Funktionären“ gegenüber den Kreativen zu geben. Schriftsteller waren kaum zu sehen, wohl aber Schauspieler, Musiker und Tänzer.

Rein juristisch betrachtet, war die über 50 Jahre praktizierte Teilung der Erlöse aus den sekundären Nutzungsrechten durch die VG Wort zwischen Verlagen und Autoren nicht haltbar, auch wenn sie jahrzehntelang einvernehmlich praktiziert wurde. Einig war man sich auf dem Podium auch darüber, dass der erste Referentenentwurf deutlich zu weit ging – ganz entgegen der Meinung von einigen anwesenden Vertreten von ver.di und eines Schauspielerverbands.

Gorny, Trautmann und Lendle machten aber deutlich, dass kein Verlag, kein Musiklabel in einen noch unbekannten Künstler investieren würde, wenn man damit rechnen müsse, dass dieser bereits nach fünf Jahren aus seinem Vertrag aussteigen könne. Lendle nannte als positives Gegenbeispiel für viele solche gewachsenen Beziehungen die Zusammenarbeit mit dem Autor Günter Kunert, dessen Werk seit 50 Jahren bei Hanser gepflegt wird.

Nach den Treffen in den Podien begrüßte auch Fraktionschef Volker Kauder seine Gäste, deren Zahl inzwischen auf 1.200 gewachsen war. Er entschuldigte sich für die drangvolle Enge und leistete sich den Kalauer: „Sie wissen ja, ich bin nicht für Obergrenzen.“

Kultur-Staatsministerin Monika Grütters, deren Etat seit der Einrichtung des Amtes ständig gestiegen ist, griff ein Motto von Jean Paul auf: „Entwerfe beim Wein – exekutiere beim Kaffee“ und lobte die Integrationskraft der Kultur: „Kunst kann eine gemeinsame Sprache sein, wo andere versagen“. Und sie ließ es sich nicht nehmen, den berühmten Merkelschen Satz zu zitieren: „Und deshalb schaffen wir das“.

Daniel Barenboim (am Flügel) spielte mit vier Musikern seines West-Eastern Divan Orchestra ein Stück von Mozart, bewegt und bewegend. Er bedankte sich bei der Bundesregierung für die Unterstützung bei Einrichtung und Betrieb der Barenboim-Said-Akademie, an der Musiker, wie Barenboim es ausdrückte, „denken lernen“. Musik bestehe, wie Politik, nicht nur aus Gefühl und Taktik, sondern erfordere eine Vorstellung von dem, was am Ende dabei herauskommen soll. Hinter seinem Orchester steckt im übrigen keine politische Idee, sondern die gemeinsame Überzeugung, dass es eine militärische Lösung des Israel/Palästina-Konflikts nicht geben könne. Die jungen Musiker sind unterschiedlicher Herkunft und bringen womöglich gegensätzliche politische Ansätze mit, aber sie müssen sich über die musikalischen Phrasen einigen.

Eine solche Kultur des Umgangs miteinander ist auch das Bestreben von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die mit Szenenapplaus das Forum betrat. Sie freute sich auf das „größte deutsche Kulturprojekt des 21. Jahrhunderts“, das für 2019 zur Eröffnung vorgesehene Humboldt-Forum, für das Neil McGregor gewonnen wurde, der später ebenfalls sprach. Das Diktum der Kanzlerin „Bitte kein weiteres Völkerkundemuseum“ wurde gern aufgegriffen, denn hier soll es darum gehen, Globalisierung als das zu verstehen, was sie schon immer war: ein Teil der Menschenkultur.

Angesichts des Dilemmas, in das die Verlage und die Politik durch die Urteile des EuGH und BGH gestürzt worden sind, konnte man eine Kostprobe des Merkelschen Humors bekommen: “Wir wissen, dass wir etwas zustande bringen können – so weit ist es gekommen.“
Nicht ganz unernst ist auch der Merkelsche Vorschlag zu verstehen, dass jeder, der sich in der Urheberrechtsdebatte wortstark äußert, selbst einmal etwas Kreatives geschaffen haben sollte – um ein Gefühl dafür zu entwickeln, wie man sich vorkäme, wenn man an den Erträgen aus der Verwertung des Geschaffenen nicht beteiligt würde.

Auch wenn über dieser Agenda der Zwang zu einer europäischen Regelung schwebt, ist der politische Wille vorhanden, schnell erst im Kabinett, dann im Bundestag eine deutsche Gesetzgebungslösung zustande zu bringen; denn wenn man die europäische Lösung abwarten würde, wären längst eine Reihe von kleineren und mittleren Verlagen pleitegegangen. Die Bundeskanzlerin rief die Branche auf, selbst mit juristisch praktikablen Definitionen aufzuwarten, die klarmachen, wer ein Künstler ist und wer nicht dazu gezählt werden kann – damit man sich später nicht mit endlosen Klagen in den Grenzbereichen herumschlagen muss.

Ihr Schlusswort lautete sinngemäß: In der Welt verändert sich vieles, politisch und digital. Es ist unwahrscheinlich, dass die Menschen alle eine einheitliche Meinung dazu haben, aber für eine lebendige Gesellschaft ist es unvermeidlich, darüber ein zivilisiertes Streitgespräch zu führen. Herzlicher Beifall, Abgang der Kanzlerin zum nächsten Termin.

Beim Wein wurden die Gespräche am Abend noch lange fortgesetzt – für die praktische Umsetzung wird man dann wieder starken Kaffee brauchen.

Ulrich Störiko-Blume

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