Auszeichnungen Klingspor-Museum Offenbach: Einband-Entwürfe junger Gestalter ausgezeichnet

Vor der Auszeichnung am Samstag, 12. August, führte Sabine Golde, Professorin an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle, durch ihre Ausstellung Musik für die Augen im Erdgeschoss des Klingspor-Museums in Offenbach.

Sabine Golde (links) vor dem Leporello „Emils blaue Augen“

 

Seit über 25 Jahren gestaltet die Buchkünstlerin besondere Buchobjekte, 1992 gründete sie in Leipzig mit Christiane Baumgartner die Künstlerpresse Carivari. „Zu DDR-Zeiten habe ich diverse Verpackungen aufgehoben, daraus ist 1992 das Leporello Einkaufen soll Freude bereiten entstanden“, erzählte Golde.

Bereits 1990 erhielten beide Künstlerinnen auf der Buchmesse eine Einladung in die USA, fertigten in den Staaten ihr erstes Buch mit klebstofffreier Bindung an.

Ein auffälliges und großes Objekt ist das Leporello Emils blaue Augen mit einem Text von Kurt Schwitters; Golde war dabei für die Typografie, Baumgartner für die Zeichnungen zuständig. Es ist die 1994 gestaltete Diplomarbeit der beiden.

In Vitrinen sind Goldes Typo-Collagen zu einem Text von Vittorio Sereni zu sehen, dabei ergänzen sich mit der Hand Gestempeltes und am Computer Entwickeltes.

Die Musik von John Cage inspirierte Golde zu John Cage Empty Mind, einem Objekt mit aufgebrochenem Text. „Lyrik, Musik und wissenschaftliche Themen ziehen sich durch das gesamte Werk von Sabine Golde“, bemerkte Stefan Soltek, Leiter des Museums. „Meine Bücher sind immer auch Forschungen“, ergänzte Golde und zeigte beispielhaft ihr Buch über die orientalische Mörtelwespe.

Die Ausstellung ist bis zum 3. September zu sehen.

Im Dachgeschoss fand im Anschluss an die Führung die Preisverleihung zu Außenansichten. Bilder vom Erzählen statt. Stefan Soltek verwies bei seiner Begrüßung außerdem darauf, dass in einem einwöchigen Kurs Geflüchtete im Museum etwas über Typografie und Buchkunst erfahren haben und zeigte beispielhaft ein von ihnen gestaltetes Objekt.

Felix Schwenk, ehrenamtlicher Stadtrat und unter anderem zuständig für das Klingspor-Museum, unterstrich die Bedeutung des Hauses mit 75.000 Einheiten der Buch- und Schriftkunst ab 1900. Er dankte Monika Steinkopf für die Wettbewerbs-Idee und den 37 teilnehmenden Studenten sowie Jürgen Hosemann vom S. Fischer Verlag für dessen Unterstützung.

Monika Steinkopf berichtete, wie diese Idee zustande kam: „Beim Aufräumen der Buchhandlung Berger Bücherstube vor zwei Jahren wurden sechs Aushänger von Bilder vom Erzählen von Wolfgang Hilbig gefunden. Hilbig war 2001 der 28. Stadtschreiber von Bergen. Ich sprach mit Uta Schneider, ob wir mit den nicht aufgebundenen Texten einen Wettbewerb für künftige Buchgestalter ins Leben rufen könnten. Sie war sofort dabei.“ Also wurden Hochschulen angeschrieben, die erste Zusage kam von Sabine Golde von der Burg Giebichenstein, dann meldeten sich auch Bettina Wilja-Stein, Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig, und Stefan Schmid, Hochschule der Medien Stuttgart. Von den Studenten dieser Hochschulen sind insgesamt 37 Arbeiten eingereicht worden, zu sehen waren sie in zwölf Vitrinen.

Jürgen Hosemann, seit 1997 beim S. Fischer Verlag und später Lektor von Wolfgang Hilbig, sprach über den am 31. August 1941 im thüringischen Meuselwitz geborenen Dichter. „Er war einfach und kompliziert zugleich.“ Seine Gedichte konnte er in der DDR kaum veröffentlichen, 1985 verließ der mit einem Reise-Visum die DDR und lebte in Westdeutschland. Bei S. Fischer wurde erste Lyrik von ihm 1978 in der Anthologie Hilferufe von drüben veröffentlicht, ein Jahr später erschien Abwesenheit. „Ein Gefühl der Fremdheit und Heimatlosigkeit hat ihn sein ganzes Leben lang nicht verlassen“, sagte Hosemann, „man hatte das Gefühl, dass er nur zu Gast in der Wirklichkeit war.“ Das gehe auch aus seinem dritten Roman Das Provisorium (2000 erschienen) hervor.

2001 publizierte S. Fischer anlässlich Hilbigs 60. Geburtstag den Lyrikband Bilder vom Erzählen in einer bibliophilen Ausgabe mit Zeichnungen von Horst Hussel – der Illustrator war ein Wunsch des Autors. 2007 starb Wolfgang Hilbig, der in einem Interview einmal äußerte, dass er „leben nicht gelernt“ habe. Er war mit vielen Preisen ausgezeichnet worden.

Jürgen Hosemann überreicht Jenny Schreiter die Urkunde, dahinter von links Katharina Merz, Friederike Dolinschek und Paulina Brunner

 

Die 37 Arbeiten des Wettbewerbs bewegten sich auf einem sehr hohen Niveau. Die Jury – Stefanie Langner-Ruta von S. Fischer, die Handbuchbindemeisterin Ricarda Rau, die Buchkünstlerinnen Katja von Ruville und Uta Schneider sowie Monika Steinkopf – diskutierte vier Stunden über die Einbandentwürfe. Sechs wurden ausgezeichnet, und zwar die Arbeiten von Paula Brunner und Friederike Dolinschek (Burg Giebichenstein), Peter Cornicius, Christian Doege und Jenny Schreiter (Grafik und Buchkunst Leipzig) sowie Katharina Merz (Hochschule der Medien Stuttgart). Uta Schneider verlas die Begründungen der Jury, die von den gewagten, mutigen und überzeugenden Arbeiten, von der Materialauswahl, von der Einbindung von Text und Illustrationen sowie einer gelungenen Typografie begeistert war. Die Studenten erhielten eine von Uta Schneider gestaltete Urkunde. Jürgen Hosemann versprach allen Teilnehmenden außerdem die im Oktober erscheinende Biografie von Wolfgang Hilbig. Uta Schneider erläuterte Interessierten die Arbeiten der Wettbewerbsteilnehmer in einem kleinen Rundgang.

JF

Kommentare (1)
  1. Vielen Dank für die ausführliche Berichterstattung zu diesem Nachmittag im Klingspor Museum. Großes Kompliment den Kreativen, Prof Sabine Golde, Uta Schneider (Jury) und den ausgezeichneten Studierenden, deren Einbandarbeiten im Museum noch bis zum 3.9. zu betrachten sind.

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