Am 12. April wäre der Verleger 100 geworden Gestern in Köln: Erinnungen an Gustav Lübbe

Cornelia Lübbe-Roggen, 
die Vorsitzende der Ursula Lübbe Stiftung
, hatte gestern ins Literaturhaus Köln eingeladen, um bei einem „fröhlichen und anekdotenreichen Mittagsimbiss im Kreise seiner Weggefährten“ den 100. Geburtstag am 12. April ihres Vaters Gustav H. Lübbe zum Anlass zu nehmen, dessen Lebenswerk zu würdigen. Rund 100 Gäste, Freunde und auch Autoren waren gekommen und auch frühere MitarbeiterInnen, die Gustav Lübbe noch als ihren Verleger kennen gelernt hatten oder wie Gustel Uhlmann lange rechte Hand des Verlegers war – Glückwunsch nachträglich zu ihrem 94. Geburtstag. Gesichtet u.a: Wolfgang Hohlbein, Susanna Kubelka, Wolf von Lojewski, Rosine deDijn, Mainhardt Graf Nayhauß und Helmut Rellergerd alias Jason Dark. Und Ken Follet war dazu mit einem Grußwort per Video zugeschaltet.

Cornelia Lübbe-Roggen (sie hatte als  junge Lektorin noch Follets Roman Die Nadel – und damit seinen und Lübbes ersten Bestseller – lektoriert) lieferte in ihrer Begrüßung weitere Anekdoten: „Mein Vater liebte das Gespräch, eigentlich jede Art des gedanklichen Austausches. Eine humorvolle Anekdote zum Besten zu geben, war jedoch seine liebste Art der Unterhaltung, und er beherrschte diese Form des Erzählens meisterhaft (grandios/ exzellent ). Meist unterstützt vom Gestikulieren mit einer kalten Pfeife. Die Ärzte hatten ihm irgendwann das Rauchen verboten. Dies stürzte m inen Vater in ein tiefes Kreativitätsloch, denn er brauchte seine Pfeife auch als Hilfsmittel beim Geschichtenerzählen , um mit ausholender Armbewegung einen Sachverhalt zu betonen. Oder er zog an der Pfeife, um durch die entstehende Pause einen Spannungsmoment zu erzeugen. Glücklicherweise entdeckte er dann bald, dass es ihm auch mit der kalten Pfeife gelang , seine Zuhörer in seinen Bann zu schlagen.

V. l. : Dr. Cordula Haase-Theobald (Kuratorin Ursula-Lübbe-Stiftung), Andreas Roggen (Enkel von Gustav Lübbe), Cornelia Lübbe-Roggen, Diana Schier und ihre Schwester Eva Meinecke, beide Enkelinen von Gustav Lübbe und Kuratorinnen Ursula-Lübbe-Stiftung) © Olivier Favre

 

Autor Wolf von Lojewski mit Carel Halff und Klaus Kluge, beide Vorstand der Bastei Lübbe AG (v. l.) © Olivier Favre

 

Im aktuellen BuchMarkt-Aprilheft (Ein Bild und seine Geschichte auf S. 102 mehr auch dazu). Und hier zum Aufbewahren die mit Anekdoten gespickte Rede des langjährigen Lübbe-Verlagsleiters und heutigem Agenten Peter Molden:

„Ich freue mich sehr, mit Ihnen allen heute Gustav Lübbes zu gedenken. Wobei viele der hier Anwesenden sicher noch viel mehr „Heiteres und Anekdotisches“ erzählen könnten als ich. Ich möchte also an GL erinnern, wie er auf mich gewirkt hat und was er für  mich bedeutet hat.Denn GL und sein Verlag waren ein wichtiger und schöner Teil meines Lebens. Also wo beginnen??
Am besten zunächst in der Früh: Der Tag begann, und es stellt sich mir die Frage: wie pünktlich soll ich sein?
Wenn man’s nicht bis 8.15 Uhr schaffte – das war damals der offizielle Arbeitsbeginn – sollte man dann fünf oder zehn Minuten zu spät kommen? oder besser eine halbe oder ganze Stunde?
Es empfahl sich jedenfalls die zweite Variante. Sonst traf man auf GL, der als Frühaufsteher auf dem Weg vom Druckhaus ins Büro war und einen dann herbeiwinkte. Er rügte nicht und drohte auch nicht mit der Personalakte sondern gab nur den vielsagenden Hinweis: Aber Herr Molden, vergessen Sie nicht Ihre Vorbildfunktion für die anderen Mitarbeiter!
Das zeigt mir auch heute noch im Rückblick, wie gut GL eine kleine Ermahnung in ein Lob verpacken konnte und wie wichtig ihm gute Mitarbeiterführung war!

Michael und Ulla Roggen mit Gustav Lübbes langjähriger Sekretärin Gustel Uhlmann – unvergessen in der Verlagsgeschichte.
Stefan Lübbes Tochter Lara Zang mit Anni Becker, Gustel Ulmanns Nachfolgerin als Gustav Lübbes Sekretärin. Sie ist ebenfalls noch eng der Familie verbunden und hatte zusammen mit Cornelia Lübbe-Roggen das Fest organisiert

 

Bleiben wir am Vormittag: Einmal die Woche folgte dann die berüchtigte Montagskonferenz:
Jeden Freitag musste man für seinen Bereich eine ausführliche Info an GL senden, wobei man genau überlegen sollte, was man berichtet, um keine unangenehmen Diskussionen auszulösen. Und man hoffte vor allem auf ein ruhiges Wochenende – ohne Rückruf GLs.
Darüber hinaus war es essentiell am Wochenende die Welt am Sonntag sehr genau zu lesen um für alle Eventualitäten und kniffligen Fragen gerüstet zu sein. Denn die war GLs Leibblatt und er hatte einen kleinen Zettel neben sich liegen mit aktuellen WamS-Fragen.
Als Rolf Schmitz mal mit GL so ein WamS-Thema länger diskutierte und nicht seiner Meinung war, fragte GL: Wollen Sie mir widersprechen? Und es folgte Schmitzens berühmte Antwort: Aber Herr Lübbe, ich widerspreche nicht, ich widerdenke nur. Da hat GL dann freundlich gelächelt und alles war OK.

Und wie war GL so als Verleger?
Ich finde er hatte ein sehr gutes Gefühl für Themen und Texte – und erfand gerne treffende Titel für komplizierte Bücher. So, zum Beispiel, mal für ein prähistorisches Sachbuch über die ferne Vergangenheit der neue Hauptstadt, den spannenden, neugierig machenden Titel: Als Berlin noch in den Tropen lag.
Gustav Lübbe brachte allen Mitarbeiter hohe Achtung entgegen, besonders natürlich ihrer Kreativität. Er hatte viel Gespür für gute Leute, egal wo er sie kennenlernte. Im Falle Anja Kleinleins, die Jahre später zu Grand Dame der Verlagswelt wurde, war das die viel zitierte Parfümerie. Und GL fühlt sich für sie alle verantwortlich.
Diese gute Menschenführung erfolgte aber hin und wieder auch ein wenig nach dem Motto: divide et impera – so sagte er gerne Anja Kleinlein das, was er eigentlich Fritzsche oder Molden sagen wollte und umgekehrt.

Damit sind war auch schon bei GL und seinem Buchverlag:
Der Buchverlag, der erst viele Jahre später zu den so erfolgreichen Romanheften und Zeitschriften hinzukam, war mit seinen aufwändigen und teuren Bildbänden zu Archäologie und Geschichte zunächst nur als Gegengewicht zu den Romanheften und Zeitschriften gedacht.
Und als es einmal im kleinen Kreis zu einer Diskussion über die Kosten dieser aufwändigen Bücher kam, sagte er ganz unvermittelt: Ich leiste mir diesen Buch-Verlag statt einer Jacht und einem Dutzend schöner Mädchen!
Und das, was ursprünglich fürs Renommee gedacht war, ist heute die Hauptsäule des Verlages. Ich finde, das zeugt von seiner großen Weitsicht.

Und für diesen Buchverlag gab es dann auch logischerweise sehr unterschiedliche Wunschautoren, wobei ich hier gerne drei herausgreifen möchte:
Zuerst ein Wunschautor des Verlegers: Johannes Steinhoff, der hochdekorierte deutsche Jagdflieger und General des zweiten Weltkrieges wollte seine Memoiren schreiben und seine Kriegszeit aufarbeiten. Und GL, der selbst der Luftwaffe angehört hatte, wollte diese gerne veröffentlichen. Doch das gesamte Lektorat machte sich Sorgen um das Image und Standing des Buchverlages und die Auswirkung einer solchen Entscheidung auf die anderen Autoren des Verlages. Nach mehreren intensiven Gesprächen akzeptierte GL schließlich, dass die Memoiren nicht gemacht wurden. Und dieser Entschluss wurde niemandem nachgetragen, kein Mitarbeiter wurde benachteiligt. Eine, wie ich finde, sehr souveräne Entscheidung von GL, das haben ihm alle hoch angerechnet.
Aber es gab auch Wunschbücher des Lektorats, die er uns mit sehr einleuchtenden Worten ausgeredet hat. So zum Beispiel die Autobiografie von Egon Krenz. Dazu sagte er nur: Über schlechte Menschen soll man nicht auch noch Bücher machen. Und das ist dann auch für mich persönlich ein ganz wichtiges Motto geworden und geblieben.
Und es gab natürlich oft auch Wunschautorinnen des Verlegers, die alle im Verlag sehr gerne veröffentlicht haben. Eine ist heute auch hier: Susanna Kubelka. Ihr Buchprojekt mit dem sehr Vieles versprechenden Titel Das gesprengte Mieder dürfte GL wohl ganz besonders fasziniert haben. Für Susanna Kubelka jedenfalls stand der Titel symbolhaft für die Befreiung der Frau im ausgehenden 19. Jahrhundert!

Und jetzt, als letzter Erinnerungspunkt, noch eine ganz besondere Eigenschaft GLs, in die viele seine Mitmenschen eingebunden waren. Ich glaube, er feierte gerne fröhliche Feste:
Abgesehen von großen Lübbe-Festen in der Zeit der Bonner Republik, wie einem Kohl-Essen mit Bundeskanzler Helmut Kohl, mit wunderbaren Kohl-Speisen samt Erinnerungsteller mit Kohl-Motiven für jeden Gast, wurde auch mit den Mitarbeitern gern gefeiert, vor allem im Karneval:
An Weiberfastnacht eilte GL durch alle Zimmer – stets als Kapitän oder Admiral verkleidet – und mit zwei jungen Damen im Schlepptau – Anni Becker und Frau Uhlmann – und für jeden Mitarbeiter gab’s ein freundliches Wort. Danach ging’s in die Kantine. Musik und Tanz und Spaß für alle. Der wildeste Tänzer war da – man glaubt es kaum – der sonst eher zurückhaltenden Dr von Sperber.

Vom Feste-Feiern aber wieder zurück zum Büchermachen und zum Schluss also die Frage: was bleibt? Was ist heute – nach 20 Jahren – noch lebendig?
Gustav Lübbe, der sein Leben und Werk stets unter sein Motto Lesen macht glücklich stellte, hatte das richtige Gespür für gute Unterhaltung, großes Verständnis für seine Autoren und wusste, wie man die Menschen mit geschriebenen Geschichten jeder Art unterhalten und zum Lesen bringen kann.
Es ist genau dieser Lübbe-Spirit am Schnittpunkt von Kunst und Kommerz, der auch viele seine Mitarbeiter und Weggefährten ausgezeichnet hat. Und diese besondere Mischung machte seine Mitarbeiter nicht nur für andere Verlage begehrt: Von Klaus Eck, dem Ex-Assistenten von Anja Kleinlein und späteren Verleger aller 45 Random-House-Verlage, bis zu Grusche Juncker, die seit dem 1. April den Goldmann Verlag leitet.
Sondern man findet diesen Lübbe-Spirit auch heute noch, mehr als 20 Jahr nach seinem Tod, bei vielen Mitarbeitern des heutigen Lübbe-Verlages. Ein Spirit, der dem Verlag noch lange erhalten bleiben möge um ihn in eine erfolgreiche Zukunft zu tragen!!

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