Gerhard Beckmanns Meinung: Was man aus der Insolvenz von Bouvier/Gonski lernen könnte

Ob bei Kiepert in Berlin oder nun bei Bouvier-Gonski – öffentlich werden immer wieder die gleichen Gründe angeführt, wenn eine große Buchhandlung kollabiert, und sie sind ja auch nicht falsch: Eine Unternehmenspolitik aus guten Zeiten, die auf Wachstum um jeden Preis setzte, kann in schlechten Zeiten rasch zum Scheitern verurteilt sein: „Zu hohe Mieten und Zinslasten…“ – so heißt es dann.

Das Dumme an dergleichen Erklärungen für Insolvenzen ist nur: Sie sind einfach zu schön. Mit ihnen tröstet sich eine ganze Branche über die wahren Ursachen hinweg – für zu hohe Mieten sind ja wohl nicht die betroffenen armen Buchhändler selber verantwortlich, sondern geldgierige Vermieter, für zu hohe Zinsen Wucher treibende Banken, die allzu leicht Geld geliehen haben, und für schlechte Zeiten gar niemand.

Doch schlechte Zeiten bringen so rasch eben nur Häuser zum Einsturz, die schon in den guten Zeiten auf Sand gebaut waren. Wer seine Expansion zum großen, zum größten Teil oder ganz über Bankkredite finanziert, riskiert bereits in fetten Jahren seinen Hals. Und die Mieten in guten Großstadtlagen sind eine berechenbare Größe, die einzukalkulieren ist.

Es geht hier nicht darum, Thomas Grundmann zu kritisieren. Die Bouvier-Insolvenz ist ein Jammer. Es nützt aber auch nichts, wenn jetzt alle miteinander jammern. Denn aus Jammern ist noch nie jemand klug geworden. Wer aus Unglück lernen will, muss fragen, wie es dazu kommen konnte und ob es, ganz nüchtern betrachtet, Gründe hatte, die sich hätten vermeiden lassen. Das sind natürlich in erster Linie Fragen, die für Buchhändlerkollegen wichtig sind. In dieser Hinsicht möchte ich jedoch andere, speziellere Bedenken weitergeben, die in Telefonaten der letzten Tage zur Sprache gekommen sind.

Ein in Bonn ansässiger journalistischer Freund und alter Bouvierkunde wundert sich, wie eine seriöse Buchhandlung mit großer und betuchter Traditionsklientel den Ein- und Zugang so mit MA- und Ramschtiteln vollstellen kann, dass der Eindruck eines Billig-Ladens entsteht – ein Eindruck, der die Stammkunden abschrecken muss.

Mein Hamburger Freund Volker Hasenclever gab in einem Telefongespräch ein paar konkrete Punkte zu bedenken, die aus seiner 25jähriger eigener Erfahrung als Sortimenter erwachsen sind: „Viele der mittelständischen Buchhandlungen, die meistens über eine große Tradition verfügen, sind mit dem Absatz an Firmen und Hochschulen gewachsen – der Anteil des Rechnungsumsatzes ist häufig gleichwertig oder höher als der Barumsatz. Mit dem Ausbau eines undifferenzierten Allgemeinsortiments und den damit verbundenen Veränderungen in der Präsentation, den Werbemaßnahmen, kurzum: in der gesamten Marketing-Strategie, vergrößert sich der Spagat, der zwischen diesen beiden unterschiedlichen Geschäftsbereichen gemacht werden muss. Das betrifft die innerbetriebliche Organisation, den Einkauf, das gesamte Management und nicht zuletzt die Struktur der beschäftigten Buchhändlerinnen und Buchhändlern.“ Wer Geschäftskunden beraten kann, ist noch lange nicht für den Umgang mit Laufkundschaft geeignet, und umgekehrt. Wer am Ende, wo beides nebeneinander zu machen ist, beides nicht mehr richtig versteht, arbeitet ins Leere.

„Bei den Expansionen geht allzu häufig das über Jahrzehnte erprobte Gleichgewicht von Personalqualifikation, Kundenstruktur, lokaler Managementausprägung und Kapitalstruktur ins Wanken, indem mehr oder weniger nur auf die Karte ‚Umsatzwachstum durch Flächenerweiterung’ gesetzt wird. Wo diese Destabilisierung nicht rechtzeitig erkannt wird. entwickelt sich aus dem Schwanken nur zu rasch oft ein Faillieren.“

Es wäre so manche Buchhandlung gut beraten, ihre Stärken zu pflegen und auszubauen statt sich, irgendwelchen Wachstumstrends der Konkurrenz folgend, noch auf anderen Hochzeiten zu verausgaben. Vielleicht gab es dieses Problem ja auch schon bei Kiepert.

Auf jeden Fall müssen wir, glaube ich, davon Abstand nehmen, unangenehme Ereignisse der Branche, so beklagenswert sie sind, einfach auf die lahmende allgemeinwirtschaftliche Konjunktur zu schieben. Helfen tut nur eins: Die eigenen Fehler wie die Fehler anderer offen zu benennen – und daraus konkrete Schlüsse zu ziehen.

Gerhard Beckmann sagt hier regelmäßig seine Meinung … und freut sich über Antworten an GHA-Beckmann@t-online.de

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