Gerhard Beckmanns Meinung: Ein deutscher Buchhändler macht seinem Stand Ehre

Die Rankings der Berufe in Deutschland zeigen den Buchhändler am unteren Ende. Doch eben ein solcher hat es nun in ganz Europa zu Glanz und Ruhm gebracht und seinem Stand Ehre gemacht. Man muss herausposaunen, was meines Wissens nur eine deutsche Zeitung – die Süddeutsche, wenn ich mich recht erinnere – bemerkt hat. (Inzwischen auch der Express.)

Der Fraktionsvize der Sozialdemokraten im Europaparlament, der Silvio Berlusconi bei seinem Anfangsauftritt in Straßbourg unmissverständlich über rechtsstaatliche Grundvoraussetzungen einer europäischen Demokratie belehrte, heißt Martin Schulz. Den Namen kennt heute jeder. Wir vom BUCHMARKT aber müssen in alle Welt hinausposaunen: Dieser Martin Schulz ist von Beruf Buchhändler – und ein Buchhändler aus der kleinen Stadt Würselen bei Aachen hat den amtierenden EU-Ratspräsidenten Berlusconi im Straßbourger Plenum zurechtgewiesen, dass es mit einer rechtsstaatlichen Demokratie unvereinbar ist, wenn ein italienischer Regierungschef seine parlamentarische Mehrheit benutzt, um Gesetze zu dem Zweck durchzupeitschen, ihn wegen mutmaßlicher gravierender unternehmerischer Verfehlungen vor gerichtlichen Prozessen zu bewahren, usw.

Die Geschichte hat aber noch eine Pointe. Denn dieser Silvio Berlusconi ist ja nicht nur der Ministerpräsident sowie angeblich der reichste Mann Italiens. Er ist auch nicht bloß der mächtigste Medien-Tycoon seines Landes, der, wie andere EU-Parlamentarier monierten, die Marktführerschaft seines Privat-TV-Imperiums plus, qua Regierungschef, und seinen Einfluss auf das staatliche Fernsehen für die eigenen politischen Interessen einsetzt (was im restlichen Europa ebenfalls nie rechtens wäre). Silvio Berlusconi gehört obendrein auch der größte Buchverlag seines Landes. Er ist nämlich Eigentümer von Mondadori. Und wann, bitte, hat sich ein kleiner Buchhändler schon mal mit einem Großverleger angelegt? Respekt!

Die Beleidigung, die Berlusconi daraufhin diesem Martin Schulz an den Kopf warf – eine gegenüber EU-Parlamentariern solch unerhörte Beleidigung, dass sie nicht ins Protokoll der Sitzung aufgenommen werden durfte – hat ganz Europa entrüstet.

Nur weil Martin Schulz, ein Deutscher ist, dachte Berlusconi ihm die Rolle eines KZ-Lagerkommandanten in einem Film zu, der gerade in Italien gedreht wird! Deutsche, die ihn tadeln, schimpft er Nazis!

Ein Schweizer Freund aus unserer Branche rät dringend: Der Verlag dieses italienischen Großverlegers hat auf der Frankfurter Buchmesse nichts zu suchen! Ladet Mondadori für dieses Jahr aus! Dazu habe ich keine Meinung. Aber ich finde seine Meinung interessant.

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Ein kleiner, leider notwendiger Nachtrag
Auch Italiens Tourismus-Staatssekretär Stefano Stefani scheint voll auf Berlusconi-Kurs zu segeln: Der hatte von deutschen Touristen als „einförmigen, supernationalistischen Blonden, die saufend über die italienischen Badestrände herfielen, gesprochen. Kanzler Gerhard Schröder drohte daraufhin, seinen Italienurlaub abzusagen, wie Regierungssprecher Bela Anda mitteilte. Und Italiens Außenminister Franco Frattini durfte den Kopf hinhalten und sich überall entschuldigen für die fortgesetzten Verbalattacken.

Gerhard Beckmann sagt hier regelmäßig seine Meinung … und freut sich über Antworten an GHA-Beckmann@t-online.de

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